Rääde · Flemming Meyer · 05.05.2006 Tätigkeitsbericht 2006 ULD

Der von der ULD vorgelegte Tätigkeitsbericht 2006 gibt einen umfassenden Ein- und Überblick sowohl über die Arbeit des Landeszentrums für Datenschutz sowie über die aktuelle Entwicklung auf dem Gebiet der Informationsgewinnung-, -verwaltung und des Missbrauchs von Daten.

Die Informationsgesellschaft befindet sich aufgrund rasanter technischer Neuerungen und damit verbundenen wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten in einer ständigen Veränderung. Dabei nimmt nicht nur die Bedeutung des klassischen Bürgerschutzes vor der Kontroll- und Informationssammelwut des Staates zu. Auch der neue Bürgerschutz vor der Gefahr der kommerziellen Ausbeutung via neuer Informationstechnologie durch die Wirtschaft gewinnt immer mehr an Bedeutung.

Dass sich die öffentlichen Verwaltungen durch die Privatisierung von Aufgaben bewusst oder unbewusst aus der Transparenz ihres Handelns und damit aus dem Bürgerschutz stehlen wollen, ist nur eine Facette der neueren Entwicklungen, die ich bereits in meiner gestrigen Rede zur Novelle des Informationsfreiheitsgesetzes klar kritisiert habe.

Die Aufgabe der Politik in Land und Bund - der Bericht benennt die konkreten Handlungsbedarfe hier wie dort - ist es, die für alle verbindlichen Regeln für den Umgang mit Daten aufzustellen und für die Einhaltung dieser Regeln zu sorgen. Für die effektive, bürgerfreundliche und unabhängige Kontrolle der Einhaltung ist das ULD in Schleswig-Holstein unverzichtbar.
Wir sind als Gesetzgeber darauf angewiesen, dass wir nicht nur aus der Perspektive der Verwaltung Gesetze verabschieden, sondern, dass wir den Rat und die Vorschläge einer auf den Schutz der informationellen Selbstbestimmung der Bürger spezialisierte Instanz zurückgreifen können. Dies haben wir Dank der guten Arbeit des ULD bisher getan und werden es hoffentlich weiter tun können.

Ich warne davor allzu schnell Schutzmechanismen für den Bürger als überflüssige Bürokratie zu denunziert. Datenschutz ist Teil des Rechtsstaates. Die Ursachen für Bürokratie sind wo anders zu suchen - siehe regionale Verwaltungsregionen.

Die Entwicklung erfordert von uns, dass das Datenschutzrecht ständig modernisiert wird. Die nützlichen Vorschläge und Anregungen des ULD bestehen aus einem pragmatischen Instrumentenmix mit Augenmaß, das den Erfordernissen der Sicherheitsbehörden und des wirtschaftlichen Handelns öffentlicher Einrichtungen sehr wohl Rechnung trägt. Die bisherige Praxis des vom SSW initiierten Informationsfreiheitsgesetzes spricht hier eine deutliche Sprache. 

Dass andere Länder zum Standard in Schleswig-Holstein aufschließen ist zu begrüßen; dass wir uns jedoch in Sachen Datenschutz und Bürgerrechte nach unten nivellieren, ist für den SSW nicht akzeptabel.

Man mag es für altmodisch halten, aber das wirkungsvollste Verfassungsschutzorgan ist kein in Daten ertrinkender Geheimdienst, sondern immer noch eine funktionierende, kritische Öffentlichkeit. Dieses müssen wir in die Informationsgesellschaft herüberretten, indem wir weitgehende Transparenz über den Umgang mit Daten sowie über die Rechte der Bürger über ihre Daten schaffen.
Nur unabhängige Institutionen, über die Gerichte hinaus, können diese Bürgerrechte auf informelle Selbstbestimmung sichern.

Wir sollten die Warnung im Bezug auf die Sicherheitspolitik, dass statt effektiver Eingriffsmöglichkeiten ein Kompetenzwirrwarr von Bund und Land mit konkurrierenden Behörden geschaffen wird, das letztlich zu Datenwust und Verlust des Überblicks führt, statt zum gezielten Aufspüren von realen Gefahren, ernst nehmen. Ein unabhängiger Geheimdienstbeauftragter sowie eine unabhängige Evaluierung von Sicherheitsbefugnissen sind meines Erachtens probate Maßnahmen, um sicherheitsbedingte Eingriffe in Freiheits- und Datenschutzrechte rechtsstaatlich zu flankieren.

Die Kritik, die der Bericht zum neuen Polizeirecht enthält, sollte zum Überdenken des Gesetzesvorhabens im Lager der Regierung führen. Dem Lande ist mit einem latent verfassungswidrigen Polizeigesetzt nicht gedient.

Für den Hinweis im Bericht auf das Vorhaben der Europäischen Union, Vorratsdatenspeicherung in der Telekommunikation zu ermöglichen, bin ich sehr dankbar. Ich dachte, das Jahr „1984“ hätten wir hinter uns gelassen, aber die Versuchung, das, was technisch möglich ist und eventuell in dem einen oder anderen Fall nützlich sein könnte, als festen Bestandteil des Instrumentenkastens staatlicher Kontrolle zu installieren, ist wohl zu groß. Diese Tendenz gilt es auch auf europäischer Ebene zu stoppen.

Der Bericht erwähnt aber auch positive Entwicklungen, so wird das von der ULD entwickelte „Datenschutz-Gütesiegel“ zunehmend von Verwaltung und Wirtschaft angenommen. Das ULD wird ferner in fast allen wichtigen IT-Projekten beratend eingebunden.

Herausgreifen möchte ich das Beispiel des Kreisnetzes Nordfriesland, das zeigt, dass auch unsere Kreise die Herausforderungen der Informationsgesellschaft offensiv anpacken und zukunftsfähig sind, entgegen der mehr oder weniger offen vorgetragenen Kritik der Landesregierung an der Leistungsfähigkeit und Bürgernähe unserer Kreise.  

Die unabhängige Berichterstattung der Landeszentrale für Datenschutz trifft nicht nur Landesregierung, Kommunen und Wirtschaft, sondern auch den Landtag. Dem Datenschutz im Landtag wird dabei durchaus Lob zuteil, aber bezüglich der Wahlwerbung zur Landtagswahl werden auch uns als Landtagsabgeordnete die Leviten gelesen, und das ist gut so.

Abschließend möchte ich mich im Namen des SSW bei Herrn Weichert und seinem Team für ihren unverzichtbaren Einsatz zum Schutze unserer Daten bedanken.
Dies wird vor dem Hintergrund, der sich ausweitenden Technologien in allen gesellschaftlichen Bereichen - und den damit verbundenen Möglichkeiten des Missbrauchs - eine Aufgabe mit wachsender Bedeutung für das ULD sein.
Wir müssen im Landtag dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen hierfür stimmen.

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