Rääde · Lars Harms · 19.11.2015 Wir bügeln jetzt das aus, was schon 2009 versemmelt wurde

Lars Harms zu TOP 2 - Regierungserklärung zur Grundsatzeinigung mit der Europäischen Kommission zu HSH Nordbank

Wenn wir uns heute über eine weitere Rettungsaktion unterhalten, die das Vermögen des Landes so gut wie möglich schützen soll, dann reden wir vor allem über weitere Schutzmaßnahmen, die auf Entscheidungen von 2009 aufsetzen. Es ist mitnichten so, dass wir hier ein gänzlich neues Maßnahmenbündel beraten. Es geht vielmehr darum, Dinge, die von 6 Jahren beschlossen wurden, jetzt konkret umzusetzen.

Vor 6 Jahren hat die damalige Landesregierung eine Entscheidung getroffen, die von uns und von den anderen damaligen Oppositionsfraktionen von FDP und Grünen scharf kritisiert wurde. Dabei ging es um vier Hauptpunkte, die sich bis heute auf die Bank auswirken und die damals von der Landesregierung, ohne sich im Detail mit der EU-Kommission einigen zu müssen, im Rahmen der deutschen Gesetzgebung umgesetzt werden konnten. Schon das ist ein erheblicher Unterschied zu unserer Situation heute, wo wir auf eine Detaileinigung mit der EU-Kommission angewiesen sind.

Was waren nun die vier Punkte, die sich bis heute auf die Bank auswirken? Zum einen ist es das Geschäftsmodell. In der Tat wurde ein nachhaltiges Geschäftsmodell auch von der EU-Kommission damals eingefordert. Allerdings hatte man damals weitreichende Spielräume, wie dieses neue Geschäftsmodell aussehen sollte. Man stieß damals lukrative Geschäftsbereiche ab und wollte die HSH-Nordbank unter anderem als Geschäftsbank für Unternehmen aus dem Norden weiterentwickeln. Ob das wirklich gelungen ist, sei einmal dahin gestellt, da sich die Bank natürlich auch außerhalb der norddeutschen Region tummelt. Aber es ging hier insbesondere darum, Geschäftsbereiche zu bearbeiten, die schon jetzt auch von den Sparkassen und Genossenschaftsbanken in der Region bearbeitet wurden. Wir haben das damals kritisiert! 

Man kann nun heute sicherlich konstatieren, dass die Bank der Unternehmer funktioniert, wenn sie auch nicht dazu führt, dass dieses Geschäft, die Altlasten absichern kann. Das war aber seinerzeit die Grundlage für die Etablierung des Geschäftsmodells. Es sollte dazu führen, dass faule Kredite durch gute Geschäfte abgesichert werden. Es ist aber schon damals nicht im Entferntesten daran zu denken gewesen, dass dies gelingen konnte.

Ein zweiter Bereich, der sich negativ auf die Bank auswirkt, war das unbedingte Festhalten an dem Schiffsportfolio. Man behielt die faulen Kredite und wollte das Geschäft noch ausbauen und als den Schwerpunkt der Bank erhalten. Das war natürlich eine grandiose Fehleinschätzung der damaligen Landesregierung. Schon damals ging die Bank selber von einer Kreditausfallrate bei den garantieunterlegten Engagements von 40% aus. Schon bei einer Ausfallrate von 5% geht man von extremen Problemen bei einer Bank aus. Wie wir heute alle wissen und wie wir damals schon alle ahnten, passierte in den Folgejahren genau das, was auch der Verband Schifffahrt und Meerestechnik uns in einer Anhörung prophezeite: die Kreditausfälle, die so genannten non-performing-loans, wurden immer mehr und die Bank brauchte immer wieder Unterstützung durch den Staat und seine Bürger.

Punkt drei war, dass man bewusst die Hilfe des Bundes ausgeschlagen hatte. Während wir damals im Parlament noch bis in den März 2009 hinein um Bundesmittel und die Unterstützung des Soffin gerungen haben, hatte die damalige Landesregierung schon vor November 2008 den Entschluss gefasst, die Bundesebene nicht in die Lösung des Problems mit einzubeziehen. Dies wurde übrigens damals dem Parlament nicht mitgeteilt, sondern der Landtag wurde bewusst in Unkenntnis davon gelassen. Von dieser Vorgehensweise hebt sich die offene Kommunikation und Information durch unsere heutige Finanzministerin deutlich von ab!

Man wollte also das Geschäft selber machen und erhoffte sich allen Ernstes sogar mittelfristig Überschüsse aus dem Schiffsgeschäft, an denen man den Bund dann natürlich nicht beteiligen wollte. Dass die Schiffe, die durch die Kredite finanziert wurden, immer älter wurden und somit natürlich nicht lukrativer und dass in Asien moderne Schiffsneubauten mit massiven staatlichen Subventionen gefördert wurden, blendete man einfach aus. Irgendwie wird es schon gutgehen, hat man sich damals gedacht. Und dieses Denken müssen wir heute teuer bezahlen!

Und der vierte Punkt war eng mit diesem Punkt verknüpft. Weil das Geschäftsmodell von den Regierenden damals als so toll eingeschätzt wurde, hat man Garantien in Milliardenhöhe ausgesprochen. Man ging davon aus, dass die Zinszahlungen für die Garantiegewährung die Kosten der Garantien, wenn sie denn gezogen werden, auffangen würden. Der Rest wird durch das tolle Geschäftsmodell erledigt und schwuppdiwupp haben wir eine super Bank! Das war natürlich völliger Blödsinn! Man gibt keine Garantien, wenn man sich nicht darauf einstellt, dass diese auch gezogen werden können. Zumindest sollte man dieses nicht tun. Damals hat man allerdings auf die Zukunft gezockt, wie schlechte Banker, was von der damaligen Opposition auch scharf kritisiert wurde.

Und genau mit diesem Dilemma haben wir nun zu tun. Man entschied sich beim Geschäftsmodell für die schlechtere Variante und man ging mit der Garantiegewährung bewusst eine Verpflichtung in der Zukunft ein, ohne dass der Bund hier mit ins Boot genommen worden wäre, um diese Verpflichtungen abzumildern. Das sind die Gründe, warum wir heute hier über ein Holdingmodell mit Tochterbank zu den anstehenden Bedingungen überhaupt reden müssen. Wir bügeln jetzt das aus, was schon 2009 versemmelt wurde!

Und wir machen das bei voller Transparenz! Auch hier sei ein Vergleich zu 2008/2009 erlaubt. Die Bank brach 2008 zusammen und man hielt als Landesregierung die Karten ganz dicht am Körper. In internen Runden wurde Strategie ohne formelle Beteiligung des Parlamentes festgelegt und schon im Herbst 2008 hatte die damalige Regierung entschieden, wie sie vorgehen wolle. Das Parlament wurde dann in Unkenntnis davon gelassen und erst im März 2009 hiervon in Kenntnis gesetzt. Also rund ein halbes Jahr nach der Entscheidung. Dann ging alles ganz schnell. Am 25.März erste Befassung im Landtag und eine Woche später, am 3. April zweite Lesung.

Das ist jetzt in der Tat anders. Schon seit Anfang des Jahres gibt es eine Vielzahl von Informationen seitens des Finanzministeriums, welche Alternativen es geben könnte. Auch der Beteiligungsausschuss hat regelmäßig Informationen über den Stand der Verhandlungen mit der EU-Kommission bekommen. Und selbst die parlamentarische Befassung läuft zeitlich entzerrter als es damals in 2009 der Fall war. Seit Mitte Oktober wissen wir, welche Lösung zwischen EU, Land Schleswig-Holstein und Hamburg ausgehandelt wurde. Danach hat sich zweimal der Beteiligungsausschuss hiermit befasst. Vertretern der Fraktionen ist Einsicht in die Verhandlungsunterlagen gewährt worden und wir beraten schon heute über den zukünftigen Staatsvertrag, der ebenfalls schon als Vorlage nach den Parlamentsinformationsgesetz vorgelegt wurde. Hiernach werden wir einen Monat Zeit haben, das Ganze zu beraten und erst dann wird Mitte Dezember endgültig entschieden. Alles in Allem ist dies eine wesentlich transparentere Situation als wir sie bei der eigentlichen Entscheidung 2009 hatten.

Formal gesehen haben wir derzeit noch zwei Möglichkeiten, nach denen wir unsere Entscheidungen fällen können. Eine Lösung nach dem Finanzmarktstabilisierungsfonds-Gesetz, das noch bis 31.12.2015 befristet ist – hier wäre eine landesrechtliche Lösung möglich – oder eine Lösung nach der SRM-Verordnung auf europäischer Ebene, die seit dem 01.01.2015 gilt. Wer eine landesrechtliche Lösung will, muss jetzt in diesem Jahr noch entscheiden. Wer dies ausschließen will oder wer auf eine Wahlmöglichkeit zwischen beiden Systemen verzichten will, kann sich noch bis ins nächste Jahr Zeit lassen. Welche Lösung besser ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Letztendlich können aber nur Banken unter den EU-Schirm, was entsprechende Eigenkapitalanforderungen mit sich bringt. Es mag jeder selbst beurteilen, ob dies sinnvoll für uns wäre. Auf jeden Fall können wir derzeit feststellen, dass das was zwischen EU und den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein verhandelt wurde, ein sehr enger Kompromiss ist. Ob es klug ist, diesen wieder aufzuschnüren, muss ebenfalls jeder für sich selbst entscheiden.

Eine Holdinglösung hat nicht diese scharfen Eigenkapitalbestimmungen, wenn auch eine solche Holding natürlich insolvenzsicher sein muss. Der Charme der vorgeschlagenen Lösung ist der, dass es für einen Teil der Bank, nämlich die Tochterbank, die Möglichkeit geben wird, Überschüsse in das Eigenkapital zu überführen, um dieses zu stärken. Je stärker das Eigenkapital der Tochterbank, desto besser sind die Verkaufschancen und der Verkaufspreis der Tochterbank. Die Lösung sieht ja einen Verkauf der Tochterbank bis 2018 vor und ein solcher Verkauf kann nur vorteilhaft gelingen, wenn das Eigenkapital dieser Tochterbank hoch genug ist. Damit wäre eine Abwicklung dieses Teils der HSH-Nordbank kontrolliert und unter Schonung des Landesvermögens möglich. Übrigens ist auch dies eine Lösung, die wir politisch auch schon in 2009 diskutiert hatten. Damals gab es noch keine politische Mehrheit für einen solchen Schritt.

Betrachtet man die Schonung des Landesvermögens, also die Minimierung des Schadens, der uns durch die Fehleinschätzungen aus 2009 eingebrockt wurde, haben wir eine vernünftige Lösung, über die wir heute diskutieren. Mit dieser Lösung schaffen wir es, dass die Gewährträgerhaftung nicht ausgelöst wird. Würde die HSH-Nordbank heute nicht diese Perspektive für einen Neuanfang bekommen, müsste sie abgewickelt werden. Neben den Garantien in Höhe von 10 Milliarden Euro kämen auch die Gewährträgerhaftung in Höhe von rund 12 Milliarden Euro zum tragen, was im Übrigen auch die Sparkassen des Landes hart getroffen hätte. Außerdem wäre es klar, dass es einen enormen Wertverlust des Wertes der Bank geben würde. Somit wären auch gute Geschäfte beeinträchtigt. All das zusammen zeigt, dass eine sofortige Abwicklung der gesamten Bank nur eine schlechte Lösung für das Land sein kann. Es kann also nur eine Aufteilung der Bank geben und die Landesregierung hat hierfür gemeinsam mit Hamburg einen Kompromiss mit der EU ausgehandelt. Ich glaube, dass dieser Kompromiss das Beste ist, was man aus dieser misslichen Situation herausholen konnte. 

Wir wissen, dass wir noch nicht am Ende des Weges sind. Wir werden die Portfolien am Ende gegen die Garantien rechnen und somit muss der schleswig-holsteinische Steuerzahler hier das vollständig alleine bezahlen, was man 2009 schon falsch entschieden hatte. Dass wir zahlen müssen, wussten wir schon mit der Entscheidung für die Garantiegewährung durch die Länder in 2009. Das das wahrscheinlich auch die gesamten Garantien treffen würde, war auch klar, nachdem man sich für das Geschäftsmodell entschieden hatte. Das ist somit alles nichts Neues und nichts Zusätzliches. Hier von zusätzlichen Lasten zu sprechen ist völlig verfehlt. Im Gegenteil, man tut jetzt das, was wahrscheinlich schon viel früher hätte getan werden müssen. Man verschafft der Tochterbank so gute Chancen wie möglich und den Rest wickelt man ab. Ob wir jetzt für die Tochterbank innerhalb von nur zwei Jahren noch einen so guten Start hinbekommen, wie wir es in 2009 hätten schaffen können, weiß niemand. Wir werden aber alles daran setzen, dass uns das gelingt.

Am Ende steht, dass wir die Geschäftsbereiche, die tragfähig sind, verkaufen und wir mit den Einnahmen den Schaden vom Land so gering wie möglich halten wollen. Außerdem sollen die schwierigen Portfolien abgerechnet werden, so wie es die Lösung von 2009 auch vorsieht. Schon damals wusste man, dass man volles Risiko fährt und dass die Erholung des Schifffahrtsmarktes auch ausbleiben kann. Dafür zahlen wir in Zukunft und wir wollen, dass wir so wenig wie möglich dafür zahlen. 

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