Rede · 09.05.2007 Gesetz zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften

Der vorliegende Gesetzentwurf samt Beschlussvorlage des Innen- und Rechstausschusses soll ein weiterer Mosaikstein in der Aufgabenanalyse und Aufgabenkritik der Landesregierung sein. Ein Mosaik, das in die Kategorie Suchbild fällt, da bis auf vollmundige Erklärungen der Regierungspolitiker keine Struktur wirklicher Entbürokratisierung zu erkennen ist. Nach zwei Jahren gibt es noch keine nennenswerten, schon gar nicht für den Bürger spürbaren Ergebnisse. Es deutet auch nichts darauf hin, dass sich das bis zum Ende der Legislaturperiode ändern wird.

Zum Gesetzentwurf selber: Wieder einmal wird der Teil des Regierungsentwurfes, der den größten Einspareffekt erzielt hätte, von den Regierungsfraktionen kassiert. Es soll dabei bleiben, dass Briefwählerinnen und Briefwähler portofrei ihre Stimme abgeben können.

Inhaltlich begrüßt der SSW die Änderung des Regierungsentwurfes nachdrücklich. Es handelt sich ja schließlich nicht um irgendeine An- oder Abmeldung, sondern um den zentralen Akt einer jeden Demokratie. Dies gebietet von uns eine besondere Sorgfalt.

Die Beibehaltung der Portofreiheit begrüßt der SSW aus drei Gründen: Erstens,  weil es sich nicht um eine wirkliche Einsparung handelt, sondern faktisch eine reine Kostenüberwälzung auf die mündigen Bürger gewesen wäre.

Zweitens, weil eine einseitige Änderung des Verfahrens für Landtags- und Kommunalwahlen und fortgesetzte Portofreiheit bei den Stimmabgaben zu Bundestags- und Europawahlen eventuell zu Unsicherheiten beim Wähler geführt hätte. Im Zweifelsfall für den Wähler und das heißt in diesem Fall für das gewohnte und einheitliche Verfahren.

Und schließlich vor allem, weil Menschen mit Behinderung und eingeschränkter Mobilität so leicht und einfach es geht, am demokratischen Willensbildungsprozess teilnehmen sollen.

Der SSW stimmt auch der Regelung zur Wertung von Zweitstimmen auf versehentlich im falschen Wahlkreis ausgegebenen Wahlzetteln zu.

Der Verzicht auf Unterstützungsunterschriften bei der Aufstellung von Wahllisten neuer Parteien, ist ebenfalls zu begrüßen. Diese stellt in der Tat eine Verschlankung des Verfahrens dar.

Die Begründung, die Beibehaltung der 5%-Hürde zur Kommunalwahl würde der drohenden „Stimmenzersplitterung“ ausreichend Einhalt gebieten, ist aus zwei Gründen unzutreffend.
Zum einen existiert auf der gemeindlichen Ebene faktisch keine 5%-Hürde. Die Schwelle ist in der Praxis sehr viel höher.

Zum anderen, ist das Gespenst von vermeintlichen Weimarer Verhältnissen Anfang des 21. Jahrhunderts auf der kommunalen Ebene Schleswig-Holsteins eine technokratische Schimäre und gehört ins Buch der Legenden statt in Gesetzesbegründungen. Weimar ist letztlich nicht an zu vielen Parteien, sondern an zu wenig Demokraten gescheitert.

Die Beibehaltung des Verfahrens zur Besetzung der Wahlausschüsse sowie der ehrenamtlichen Wahlprüfungsausschüsse ist ebenfalls ein positives Ergebnis der Ausschussberatungen. Die notwendige Legitimität erhält die demokratische Wahl durch das Verfahren. - Transparenz und Teilhabe haben daher zu Recht eine höhere Priorität als kurze Entscheidungswege.

Zur Änderung der Fristen für die Aufstellung der Wahllisten in § 20 möchte ich anmerken, dass die vorgenommene Verkürzung des Zeitraumes zwischen den Wahlen zu den Vertretungsversammlungen und der Listenaufstellung von 9 auf 6  Monate faktisch eine Verkürzung auf 5 Monate ist. Bei Kommunalwahlen Ende Mai 2008 dürften die Wahlen für die Delegierten zu den Listenparteitagen erst ab Ende Juli stattfinden. Das ist mitten in den Sommerferien, realistisch können die Delegierten erst ab Ende August / Anfang September gewählt werden.

Das ist kein Beinbruch, aber unsere Parteiorganisationen müssen sich darauf einstellen. Das ist beileibe kein Aspekt, der nur die kleinen Parteien angeht. Wie das Beispiel der Oberbürgermeisterwahl in Wiesbaden zeigt, können auch große Volksparteien erhebliche Schwierigkeiten mit der Einhaltung von Aufstellungsfristen haben.

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