Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 13.09.2007 Änderung des Landeswahlgesetzes (Frauenquote)


„In der Bestandsaufnahme sind wir uns alle einig: Es ist ein Trauerspiel, dass die Frauenquote in den deutschen Parlamenten 88 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts immer noch so niedrig ist. Natürlich wäre es nur gerecht, wenn auf der Hälfte dieser Stühle Frauen säßen.

Die  Quotierung per Gesetz ist eine scheinbar simple Lösung für dieses Problem, ob es auch eine gute Lösung ist, wage ich dennoch zu bezweifeln. Hinter diesem Vorschlag liegt der Gedankengang, dass Frauen lediglich deshalb nicht in den Parlamenten sitzen, weil ihnen alte Männer im Weg stehen. Wenn die Quote gesetzlich vorgeschrieben ist, dann löst sich das Problem von selbst.

Wie gesagt, das ist zu einfach. Denn wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass weniger Frauen als Männer bereit sind, sich überhaupt innerhalb einer Partei um einen Listenplatz zu bewerben. Dies mag zum Teil mit der Dominanz der Männer zu erklären sein, es liegt aber auch daran, dass ein politisches Mandat für viele Frauen keine attraktive Perspektive ist. Vielen erscheinen die politischen Kultur, das Klima in den Parteien, die Sitzungsformen und der Zeitdruck nicht besonders attraktiv und schon gar nicht mit einem geregelten Familienleben vereinbar. Politik muss ein attraktiver Arbeitsplatz für Frauen sein und dies ist eine weitaus schwierigere Aufgabe, die nicht nur mathematisch gelöst werden kann.

Deshalb halte ich nichts vom Ansinnen der Grünen, den anderen Parteien jetzt einen innerparteilichen Reformprozess per Gesetz vorzuschreiben. Eine nachhaltige Verbesserung der demokratischen Beteiligung der Frauen in Schleswig-Holstein erreicht man nicht mit dem Diktat des Landeswahlgesetzes, sondern nur, indem die Parteien – allen voran die CDU – sich dieser Diskussion wirklich stellen. Das ist ein steiniger Weg, aber auch der nachhaltigere. Dass es keine wirkliche Abkürzung gibt, zeigt schon die Tatsache, dass in Deutschland der Anteil der Frauen mit Direktmandaten wesentlich geringer ist als derjenige, der über die Liste gewählt wurde. Gerade einmal 10 der 40 Direktmandate in diesem Haus wurden von Frauen gewonnen. Daran ändert der Vorschlag der Grünen zunächst nichts. Es ist also ein viel tiefergehendes Umdenken erforderlich, das auch nicht erst bei der Landtagswahl beginnen kann. In den meisten Parteien steht am Anfang einer politischen Karriere die Kommunalpolitik. Schon hier muss die Politik für Frauen attraktiv sein. Ansonsten werden viele interessierte, engagierte und kompetente Frauen frühzeitig abgeschreckt.

Letztlich geht es auch bei der Frauenquote in der Politik um allgemeine Fragen der Gleichstellung - wie die Stellung der Frau im Berufsleben, die Kinderbetreuung und die Arbeitsteilung in den Familien. Sie haben entscheidende Bedeutung dafür, ob sich Frauen von den Parteien rekrutieren lassen, ob sie wirklich für Wahllisten nominiert werden und ob sie ein Mandat erringen. Das zeigt auch die Entwicklung in den skandinavischen Ländern, die die weltweit höchsten Frauenquoten in den Parlamenten erreicht haben und wo junge Frauen in Parlamenten wie auch in Regierungen in der ersten Reihe mitreden.

Vorbildhaft ist dabei immer noch, was in den 80’er Jahren in Norwegen geschah, wo Gro Harlem Brundtland als Ministerpräsidentin maßgeblich dazu beitrug, dass sich nicht nur die Frauenquote in der Politik veränderte. Auch die politische Kultur wurde anders – angefangen mit den Abläufen von Kabinettssitzungen und der Abarbeitung von Tagesordnungspunkten. Heute liegt der Anteil der Frauen in den Parlamenten der skandinavischen Länder bei über 41%.
Die Entwicklung in unseren nördlichen Nachbarländern zeigt uns mit anderen Worten, wie wichtig der gesellschaftliche Diskurs ist. Dazu gehört auch der politische Wettbewerb der Parteien um die besten Lösungen gesellschaftlicher Fragestellungen. Wenn Parteien meinen, dass sie diese Debatten ohne die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am politischen Geschehen in den Parlamenten führen können, dann muss auch das diskutiert und in Frage gestellt werden, damit sich die Wählerinnen und Wähler – wenn sie es denn wollen – auch gegen diese Parteien entscheiden können.

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