Rede · 27.08.1997 Änderung des Wahlgesetzes

Der Verlauf der bisherigen Diskussion und das Ergebnis der Ausschußberatungen ist für den SSW enttäuschend. Ich finde es ausgesprochen schade, daß die Vorschläge, die der SSW anläßlich der ersten Lesung gemacht hat, keine Befürworter gefunden haben.

Der Medienschelte kann ich nur zustimmen, wenn kritisiert wird, daß man sich lediglich auf ein Reförmchen verständigt hat. Die Möglichkeit, das Wahlgesetz auf Dauer sinnvoll zu verändern, ist nicht in Angriff genommen worden. Bei der jetzt vorgeschlagenen Beschlußempfehlung geht es in der Hauptsache um die Zweitstimme. Ihre Einführung soll den vom Untergang bedrohten kleinen Parteien das Überleben leichter machen. Sie macht den Wählern das Wählen allerdings nicht leichter. Das Wahlverfahren wird auch nicht verständlicher.

Der SSW hatte sich von einer Wahlrechtsänderung erhofft, daß die Beteiligungsmöglichkeiten der Wähler besser ausgestaltet worden wären. Das Motto des SSW lautet: eine Person - eine Stimme. Diesen Grundsatz des dänischen Wahlverfahrens bevorzugt der SSW gerade deshalb, weil die Wähler dort nur eine Stimme haben und weil Sie entscheiden, wie sie diese Stimme einsetzen wollen.

Die Wähler können ihre Stimme entweder nutzen, um einen Kandidaten zu wählen - oder um eine Partei zu wählen. Mehr Partizipation der Wählerinnen und Wähler also durch direkte Einflußmöglichkeiten auf die Zusammensetzung des Parlaments. Sie können der Verteilung der Sitze im Parlament ihren ganz persönlichen Stempel aufdrücken. Somit also weniger Einflußmöglichkeiten der Parteien, deren Listen durch die Wähler gesprengt werden können. Jemand, der einen hinteren Listenplatz hat, kann auf diesem Weg nach vorn rücken.

Das ist die grundsätzliche Haltung des SSW in dieser Frage. Es ist deshalb absurd, den SSW als Trittbrettfahrer einer Wahlrechtsnovelle zu betrachten.

Diese Ansätze des SSW sind in keiner Weise berücksichtigt worden. Statt dessen ist es bei der Einführung der Zweitstimme geblieben. Ein Zwei-Stimmen Wahlrecht ist mit dem SSW aber nicht zu machen.

Über die Schützenhilfe der Kollegin Erdsiek-Rave in Sachen Junge Union habe ich mich gefreut. Ebenso freue ich mich natürlich darüber, daß die Kollegen von der CDU-Landtagsfraktion inzwischen von dem Vorschlag der Jungen Union Abstand genommen haben. Allerdings hat das viel Zeit in Anspruch genommen. Wenn es sich dahinter wahlkampftaktische Schritte verborgen haben sollten, dann war es eine schlechte Taktik.

Die Junge Union ist bekanntlich der Meinung, der SSW solle als Folge einer Wahlrechtsänderung nicht mehr von der 5 % Klausel ausgenommen werden. Das ist ein klarer Angriff auf die Bonn-Kopenhagener Erklärung von 1955, in der die Befreiung des SSW von der 5 % Sperrklausel der ganz wesentliche Bestandteil und Voraussetzung für die Aufnahme Westdeutschlands in die Nato war. Scherzhaft müßte man die JU deshalb fragen, ob Deutschland im Gegenzug wieder aus der Nato ausscheiden sollte.

Die Junge Union tut sich keinen Gefallen, wenn sie in einem Land, das auf die Vielfalt seiner Kulturen stolz ist, Rückschritte in puncto Minderheitenpolitik proklamiert.

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