Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 27.01.2006 Aktionsplan Kinder und Jugend

Kinder und Jugendliche sind in unserem Land in der Minderheit: nach der Statistik aus dem Jahre 2001 ist nicht einmal jeder fünfte in Schleswig-Holstein 18 Jahre und jünger. Als ausgewiesene Minderheitenpartei liegt es dem SSW natürlich daran, diese Gruppe zu unterstützen. Der SSW macht sich für Kinder und Jugendliche stark, weil sie für unsere Zukunft stehen. Die Politik hat ein existenzielles Interesse, Kindern und Jugendlichen angemessene Chancen zu ermöglichen.

Viele Kinder und Jugendliche leben in einem stabilen sozialen Umfeld und führen ein behütetes Leben. Gerade auf dem Land können Kinder und Jugendliche gemeinsam die Welt entdecken. Andere Kinder erleben bereits kurz nach der Geburt Ablehnung und Isolation. Ihre Eltern sind überfordert und bedürfen dringend professioneller Unterstützung.

Immer mehr Kinder wachsen in materieller Armut auf, die sie sehr früh aus der Gesellschaft ausgrenzt. Ungefähr jedes sechste Kind unter 15 Jahren in Schleswig-Holstein lebt von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen. Landesjugendring und der Kinderschutzbund Schleswig-Holstein haben vor diesem Hintergrund die Idee eines eigenen Kinder- und Jugendplans entwickelt. Die Landesregierung hat die Idee nun aufgegriffen. Die Sozialministerin hat bei der Auftaktveranstaltung zum Kinder- und Jugend-Aktionsplan am 29.06.2005 diesen Plan zu einem der wichtigsten Regierungsvorhaben für die 16. Legislaturperiode erklärt. Das werden die anwesenden Verbandsvertreter gerne gehört haben, doch noch fehlen die entsprechenden Maßnahmen.

Der SSW ist davon überzeugt, dass angesichts des sozialen Wandels die alten Instrumente der Jugendpolitik nichts mehr taugen. Immer mehr Kinder ziehen sich von den klassischen Jugendverbänden zurück und wollen weder mit Jugendfeuerwehr, Sportverein oder Jugendzentrum etwas zu tun haben. Hier ist wirklich Einfallsreichtum gefragt und meiner Ansicht nach auch unbedingt finanzielle Mittel. Mittel, die nicht nur kurzfristig für eine kurze Zeit gewährt werden, sondern nachhaltig eingesetzt werden. Modellprojekte dienen, wie ihr Name schon sagt, als Modell für eine flächendeckende Maßnahme oder Angebot. Man darf sie also nicht verwechseln mit dem Regelprojekt, das ihnen folgen soll. Die Landesregierung begeht an manchen Stellen des Kinder- und Jugendplanes aber genau diesen Fehler.

Ich möchte hier ein Beispiel heraus greifen: Das Flensburger Projekt „Schutzengel“, das jungen Müttern tatkräftig bei der Erziehung beisteht. Es geht mehr als um ein Netzwerk und eine Begegnungsstätte, sondern darum, für die Mütter auch außerhalb von Büroöffnungszeiten und Sprechstunden da zu sein. Die Europäische Kommission hat das Projekt ausgezeichnet und auch vor Ort besucht. „Ein Juwel“, lobte seinerzeit die Sozialministerin. Aber eines, das kaum Kontinuität beim Betreuungspersonal realisieren kann. Wegen offener Finanzierungsfragen können immer nur kurzfristige Verträge mit den Betreuerinnen abgeschlossen werden. So sieht derzeit die Realität in Flensburg aus. Die Landesregierung will das Schutzengel-Projekt auf ganz Schleswig-Holstein ausweiten. Im Herbst, kündigt der Aktionsplan an, werden Fragen der Finanzierung erörtert (S. 21).

Der SSW fordert die Aufstellung eines realistischen Kostenplans, der selbstverständlich auch die Einstellung professioneller Unterstützer beinhaltet. Die Ankündigung einer Erörterung über Finanzierung ist zu wenig! Ich habe dieses Beispiel vertieft, weil es symptomatisch für die gesamte Ausrichtung des Planes ist. Die Aufforderung der Ministerin lautet: setzt Euch zusammen und dann wird es schon werden. Schaut Euch die guten Beispiele im Land an und macht es genau so. Das ist Aufforderung zur Selbstausbeutung! Für die wenigen Profis und die vielen Ehrenamtler, die im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik tätig sind, ist das aber der falsche Weg. Zwei Leuten fällt doppelt so viel ein als einem allein. Das stimmt schon. Darum begrüßt der SSW ausdrücklich die Bündelung von Aktivitäten und Kooperationen. Aber allein damit ist es nicht getan, auch wenn das so schön bequem und billig für die Politik ist.

Aufsuchende Hilfe kostet Geld! Wer es Ernst damit meint, der nachfolgenden Generation angemessene Lebenschancen zu eröffnen, muss sagen, was die Politik zu tun bereit ist. Investitionen im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik sind genau so viel wert wie Millionen, die wir für ein Infrastrukturprojekt investieren. Ich möchte noch ein Beispiel anführen: Unter Punkt 2.5.1. „Armutsrisiken vermeiden“ führt die Landesregierung nicht eine einzige konkrete Maßnahme zur Vermeidung von Armut an. Stattdessen: Konferenzen, Unterstützung und Konzepte, die erarbeitet werden.

Ich weiß, wie schwer in diesen Zeiten die Mobilisierung von Haushaltsmitteln ist, aber als Abgeordneter erwarte ich von einem Plan der Landesregierung konkrete Zahlen und Maßnahmen. Das ist schließlich keine Broschüre, sondern die Festlegung des jugendpolitischen Weges. In der Zusammenfassung des Planes ab Seite 58 steht es klipp und klar: die Landesregierung versteht ihre Rolle in der Kinder- und Jugendpolitik vor allem darin, Ansprechpartner zu benennen und Kooperationsstrukturen zu fördern. Das ist zu wenig, um wirklich etwas an der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen zu ändern! Hier muss nachgearbeitet werden.

Zu guter letzt auch noch vom SSW ein Wort zu den Überlegungen der Landesregierung im Zuge des Bürokratieabbaus die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen in den Kommunen nach § 47 der Gemeindeordnung abzuschaffen. Das ist eindeutig ein Schritt in die falsche Richtung und sendet ein verheerendes Signal in Sachen Kinderfreundlichkeit. Und das in einem Bereich wo Schleswig-Holstein einmal eine Vorreiterrolle hatte. Nicht alles, was Geld kostet, ist gleich Bürokratie. Das sollten sich die so genannten Experten, die diesen Vorschlag gemacht haben hinter die Ohren schreiben. Der SSW fordert daher alle in diesem Hause auf, diesen Vorschlag des Bürokratieabbau Staatssekretärs nicht zu übernehmen.

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