Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 17.06.2009 Alkoholkonsum von Jugendlichen

Fast jeden Montag das Gleiche: neue Meldungen über alkoholbedingte Verkehrsunfälle nach einem Diskobesuch, über Jugendliche, die unter Alkohol randalieren oder sogar im Krankenhaus landen.
So weit, so schlecht.
Aus der vom Antragssteller angeführten aktuellen Studie wissen wir, dass „viele konsumierende Schüler/innen zwar eher selten Alkohol trinken, aber wenn sie trinken, dann viel.“ (S. 12). Kampagnen, wie die während der Kieler Woche zu „Kids ohne Alkohol“, und Polizeikontrollen, wie am letzten Wochenende in Hannover, zeigen Wirkung und das Konsumverhalten der Jugendlichen ändert sich kurzfristig tatsächlich. Die Jugendlichen trinken seltenener; aber wenn sie es tun, dann trinken sie viel – meistens zu viel. Die Ausschläge, bis hin zum gesundheitsgefährlichen Komasaufen, werden heftiger.
Das liegt nicht zuletzt an Erwachsenen, die ein lukratives Geschäft mit dem Verkauf, auch dem illegalen Verkauf von Alkohol an Jugendliche, machen. Die Zeltfestsaison ist angebrochen, unter ihnen viele so genannte Flatparties, die zum Alkohol verführen oder 50-Cent-Parties, wo die Jugendlichen durch Rabatte regelrecht zum schnellen, heftigen Betrinken getrieben werden, weil nämlich der Preis fürs Glas Bier oder für den Cocktail bis um 23 Uhr auf 50 Cent gehalten wird und danach steigt.

Es ist außerdem relativ simpel, auch als 16jähriger an Hochprozentiges zu gelangen: Viele kleine und große Einzelhandelsgeschäfte verkaufen ohne Kontrolle Schnaps an Jugendliche. Dabei gibt es inzwischen Kassensysteme, die beim Einscannen die Kassiererin automatisch darauf aufmerksam machen, dass der Kunde älter als 18 Jahre sein muss und sie sich seinen Ausweis zeigen lassen sollte. Die Anschaffungskosten eines entsprechenden Programms sind niedrig, dennoch sind sie nur in wenigen Geschäften zu finden. Offenbar will sich der Handel ein Schlupfloch lassen, wonach der Spirituosen-Verkauf an Jugendliche nur Einzelfälle seien. Das bezweifle ich allerdings ausdrücklich.

Allerdings weiß ich auch, dass Jugendliche mit der Unterstützung vieler junger Erwachsener rechnen können, die dann statt ihrer die Flasche kaufen und sich vor dem Geschäft das Geld dafür geben lassen. An dieser, wenn auch falschen Verbrüderung, werden übrigens auch die Testkäufe durch die Polizeischüler nichts ändern, die der SSW sowieso ablehnt. Der Staat sollte nicht zu Ordnungswidrigkeiten animieren, auch nicht in bester Absicht.

Es gibt noch weit gewichtigere Wirtschaftsinteressen; die der Hersteller nämlich, die dem Komasaufen Vorschub leisten. Sie fahren Jahr für Jahr speziell auf Jugendliche gemünzte Werbekampagnen, die durch das Sponsoring von sportlichen Großereignissen allgegenwärtig sind, und den Durst auf Bier, Sekt und Höherprozentiges regelrecht schüren. 2007 lagen die Werbeausgaben der Alkoholindustrie bei 557 Millionen Euro, für Sponsoring wurden nochmals etwa 600 Millionen draufgelegt. Das ist ein gigantischer Wirtschaftszweig, der einen nachhaltigen Eindruck bei den Konsumenten hinterlässt. So zählt die Biermarke „Krombacher“ laut der IFT-Studie zu den bekanntesten Alkoholmarken, sicherlich gerade wegen des Engagements der Brauerei beim Fußball.

Die Bilder der Werber sind fast immer gleich aufgebaut: Coole Typen und hübsche Mädels tanzen und chillen in lockerer Atmosphäre lässig mit dem Drink in der Hand. Das ist eine ausgeklügelte Manipulations-Strategie, die sich ausschließlich an die jüngeren Konsumenten richtet. Da hilft oftmals nur eine gepfefferte Preiserhöhung, um diesen Machenschaften das Handwerk zu legen. Genau das hat eine entsprechende Landtagsinitiative für die Alkopops erreicht. Doch dieses Vorgehen hat Grenzen, wie das Beispiel Finnland belegt, wo der Schnaps sehr teuer ist, sich aber trotzdem ungebremster Beliebtheit erfreut.

Die Wirtschaft muss sich ihrer Verantwortung stellen. Die freiwilligen Verpflichtungen, die die Bundesdrogenbeauftragte alljährlich beschwört, sind wichtig – dann wird genau an die appelliert, die es angeht. Die Wirtschaft trägt, in allererster Linie die Verantwortung, den Auswüchsen gegenzusteuern.
Danach ist es das Elternhaus, das eine ähnliche Verantwortung trägt.
Die Politik kann hier nur begleiten und keineswegs den Alkoholkonsum bei Jugendlichen generell verhindern. Deshalb weiß ich auch nicht, ob ein Werbeverbot der richtige Weg ist – zumal die Brauereien für ihr alkoholfreies Bier werben können und trotzdem gewiss sein können, dass auch die Marken mit Alkohol indirekt mitbeworben werden; ihre Alkoholbotschaft also auch über Umwege an den Konsumenten gelangt. Hier würde das Werbeverbot überhaupt nichts bringen.

Wahrscheinlich müsste man mit Kampagnen eher in Schule und Berufsausbildung ansetzen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt, wie man das macht: sie nimmt die Jugendlichen ernst, spricht ihre Sprache und bringt gleichzeitig die fatalen Folgen übermäßigen Alkoholkonsums rüber. So werden die Jugendlichen sensibilisiert für das Thema, so dass sie beim nächsten Mal eben nicht bis zum Vollrausch trinken.

Diese Vorschläge sollten wir im Ausschuss beraten.

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