Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 22.02.2013 Aufhebung des Optionszwangs

Der Optionszwang ist das Ergebnis eines faulen Kompromisses. Ursprünglich war bei der Reform des Staatsbürgerrechts vorgesehen, dass alle Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren werden, Deutsche sind; also mit ihrem ersten Atemzug deutsche Staatsbürger sind. Der Kompromiss bestand in der Reformdebatte damals darin, dass die Kinder nicht automatisch bis zum Lebensende deutsche Staatsbürger sein können, sondern dass sie ihr Geburtsrecht bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres noch einmal bekräftigen müssen. So wird aus dem Geburtsrecht dann doch eine Entscheidung unter Vorbehalt. Pünktlich zum Erwachsenwerden macht die Ausländerbehörde die entsprechenden Personen auf diese Option aufmerksam und fordert eine Entscheidung ein.
Jedes Jahr betrifft das ungefähr 3.000 Personen. 2008 waren es genau 3.316 junge Deutsche, die schriftlich vor die Wahl gestellt wurden.
Wir haben es mit deutschen Staatsbürgern zu tun, die in Deutschland leben. Wenn diese junge Leute den Brief der Ausländerbehörde, mit der sie bis zu ihrer Volljährigkeit noch nie etwas zu tun gehabt haben dürften, nicht ernst nehmen, nimmt ihnen Deutschland ihre Staatsbürgerschaft wieder weg. Darunter vielleicht junge Deutsche, die sich zur Wahl stellten oder gerade gewählt haben.
Deutsche werden per Verwaltungsakt zu Nicht-Deutschen gemacht, ohne dass sie sich etwas zu Schulden kommen ließen. So eine Aberkennung der Rechte sucht in der bundesdeutschen Geschichte Ihresgleichen! Aus gutem Grund: sie ist einfach falsch.
Nebenbei bemerkt ist der bürokratische Aufwand enorm. Und für die Betroffenen unangenehm. Die Merkblätter, die das komplizierte Verfahren erläutern, tragen überhaupt nicht zur Erleichterung des Verfahrens bei. Der Antrag der CDU-Fraktion suggeriert, dass durch die Verbesserung des Informationsstandes die eine oder andere kleine Ungerechtigkeit schon ausgebügelt würde. Denn, ich zitiere aus der Begründung, „das Optionsmodell hat sich im Staatsangehörigkeitsrecht grundsätzlich bewährt.“ Das bezweifelt die überwiegende Mehrheit des Landtages quer durch alle politischen Lager.
Denn die gesellschaftlichen Kosten des Optionszwanges sind enorm. Die Gesellschaft verliert nämlich unter Umständen deutsche Staatsbürger, die sich engagieren wollen oder werden. Die gesamte Gesellschaft verliert, auch weil das Signal fatal ist und das heißt: „Ihr seid unerwünscht.“ Der allgemeine Optionszwang bezieht sich nicht nur auf den jeweiligen konkreten Fall, sondern eben auf diese jungen Deutschen im Allgemeinen. Die Tatsache, dass diese Deutschen zu Deutschen auf Zeit gemacht werden, drückt auch aus, dass man sie eigentlich gar nicht hier haben will. Ansonsten würde man sie nämlich ohne Einschränkung Deutsche sein lassen.

Dabei ist die doppelte Staatsbürgerschaft inzwischen in vielen Ländern gelebte Wirklichkeit. Angesichts der Zunahme binationaler Familien sollte das auch in Deutschland selbstverständlich sein. Doch in Deutschland werden Kinder, deren Eltern nicht aus EU-Staaten kommen, gezielt diskriminiert. Seit 2007 wird die doppelte Staatsangehörigkeit bei EU-Bürgerinnen und Bürgern und der Schweiz auch in Deutschland anerkannt. Aber für Kinder türkischer oder senegalesischer Eltern oder Elternteile, die hier leben und arbeiten, wird es schwer, mit dem Recht auf die doppelte Staatsangehörigkeit. Diese Praxis ist eine klassische Ungleichbehandlung und eine handfeste Diskriminierung. Wenn wir es mit der Antidiskriminierung ernst meinen, gehört die Akzeptanz der doppelten Staatsbürgerschaft einfach dazu. Diesen Respekt sind wir schuldig.

Aber auch vor dem Hintergrund, dass wir immer wieder hervorheben, wie wichtig die Integration neuer Gruppen bei uns hier ist, kann man nicht nachvollziehen, warum es immer noch den Optionszwang gibt, zumal es auch für Spätaussiedler oder deutsch-ausländische Kinder besondere Regelungen gibt. Eigentlich gibt es eine Vielzahl von Ausnahmen; nur nicht für die Kinder von zwei Nicht-EU-Bürgern. Wie sollen sich bitteschön ausländische Mitbürger hier verwurzelt fühlen, wenn ihre hier geborenen Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit ihre Staatsbürgerschaft und die damit verbundenen Rechte und Pflichten wieder abgeben müssen. Eigentlich muss es anders herum sein. Wir müssen anstreben, dass so viele Menschen wie möglich in unserem Land auch deutsche Staatsbürger werden, damit sie sich umfassend engagieren können und sie sich hier in allen Belangen heimisch fühlen können. Erst dann haben wir das Maximum an Integration geschafft.

Der Optionszwang dagegen richtet sich eindeutig gegen Integration und nimmt deutschen Staatsbürgern ihre bestehenden Rechte willkürlich wieder weg. Etwas Unsinnigeres gibt es kaum und deshalb gehört der Optionszwang abgeschafft.

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