Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 16.05.2002 Bericht über die Gewinnung von Lehrkräften

Der Bericht der Landesregierung über die Gewinnung von Lehrkräften gibt einen guten Überblick über die vielfältigen Maßnahmen, die ergriffen worden sind, um in den nächsten Jahren den Bedarf an Lehrkräften bei steigenden Pensionierungszahlen und gleichzeitig steigenden Schülerzahlen in den Griff zu bekommen.

Die Landesregierung unterstreicht zwar, dass die Lehrerbedarfsdeckung zum Schuljahresbeginn 2001/02 nicht so schlecht ist, wie sie manchmal in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Denn für die Einstellung in den Schuldienst lagen ca. 3.400 Bewerbungen vor. Hiervon wurden 1.208 Lehrerin-nen und Lehrer übernommen, während 403 Bewerber befristete Verträge erhielten. Also gab es ca. doppelt so viele Bewerberinnen und Bewerber wie im Land gebraucht werden. Auch für die nächs-ten Jahre rechnet das Bildungsministerium mit einem Überhang an Bewerbungen.

Dennoch gibt es aus Sicht des SSW überhaupt keinen Grund zur Entwarnung. Zum einen überdeckt die positive Lehrerbedarfsdeckung insgesamt, dass es in vielen Regionen und bezogen auf bestimm-te Fächer sehr wohl schon heute große Probleme bei der Besetzung von Lehrerstellen gibt und dass die Klagen der Eltern über fehlende Unterrichtsversorgung lauter werden. Zum anderen wissen wir, dass Schleswig-Holstein mittelfristig Schwierigkeiten bei der Besetzung von Lehrerstellen bekom-men wird. Alle Prognosen weisen in diese Richtung. Gerade deshalb hat das Bildungsministerium ja im letzten Jahr die Initiative zur Gewinnung von neuen Lehrkräften in Gang gesetzt. Ob nun alle Maßnahmen gleich sinnvoll sind, sei dahingestellt.
So bewilligt die Landesregierung zum Beispiel seit dem 6. Juni 2001 keine Anträge mehr auf Al-tersteilzeit von Beamtinnen und Beamten – es sei denn, sie haben eine Schwerbehinderung mit ei-nem Grad der Behinderung von mindestens 50 %. Es ist noch zu früh zu sagen, welche Folgen diese Entscheidung für den Schuldienst haben wird.

Aber eines gebe ich jetzt schon zu bedenken: In seinen Bemerkungen 2001 hat der Landesrech-nungshof darauf hingewiesen, dass gerade Lehrerinnen und Lehrer häufig wegen Dienstunfähigkeit früh-pensioniert werden. Dafür gibt es zwar keine eindeutige Erklärung, aber man kann vermuten, dass gerade dieser Beruf doch bei einigen Lehrkräften langfristig zu Verschleißkrankheiten führt. Von daher muss die Frage erlaubt sein, ob die Abschaffung der Altersteilzeit in diesem Bereich nicht kontraproduktiv ist. Durch die Beibehaltung der Altersteilzeit gäbe es die Möglichkeit, die wöchentliche Belastung für diese Lehrergruppe zu reduzieren, damit sie so vielleicht länger im Schuldienst bleiben kann.

Positiv bewertet der SSW allerdings die Bemühungen, neue Lehrerinnen und Lehrer aus Ost-deutschland für Schleswig-Holstein anzuwerben. Denn Länder wie Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern werden in den nächsten Jahren einen Lehrerüberhang bekommen. Hinzu kommt, dass der Beamtenstatus in Schleswig-Holstein für viele Bewerber aus diesen Bundesländern attraktiv ist. Wir erwaren daher von der Landesregierung, dass sie sich dafür einsetzt, die bürokratischen Hürden bei der Übernahme von Lehrkräften aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern so weit wie möglich abzubauen.
Wir betrachten auch die sogenannte „Welcome-Back-Aktion“ für ehemalige Lehrerinnen und Leh-rer als eine gute Initiative - auch wenn bisher nur ca. 70 Lehrkräfte auf diese Art neu für den Schul-dienst gewonnen werden konnten.

Naturgemäß sind die Maßnahmen zur Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung und der Abbau von Ausgleichsstunden – was ja zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung an den Schulen beiträgt und somit rein rechnerisch die Anzahl der Lehrerstunden erhöht – von den Gewerkschaften und den Lehrerverbänden nicht gerade mit Freuden begrüßt worden. Allerdings ist Schleswig-Holstein nicht das einzige Land, wo eine Verlängerung der Arbeitszeit angeordnet wird – siehe das Beispiel Ham-burg.

Wer aber einerseits den Beamtenstatus fordert - und somit höhere Bezahlung und bessere Pensions-bedingungen bekommt - muss auch andererseits die negativen Seiten dieses Status akzeptieren. Und dazu gehört, dass die Unterrichtsverpflichtung für beamtete Lehrkräfte per Beschluss der Landesre-gierung erhöht werden kann.
Vor dem Hintergrund der Arbeitszeitverlängerung hat es auch eine erregte Diskussion darüber ge-geben, ob die Landesregierung ihre Zusage aus dem Wahlkampf eingehalten hat, in diesem Jahr 200 neue Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Natürlich hat die GEW nicht unrecht, wenn sie die Rechnung aufmacht, dass von den versprochenen 200 neuen Lehrerstellen 78 reell nicht besetzt werden, da diese nur auf dem Papier als sogenannte „Bewirtschaftungsreserve“ bestehen.

Dennoch: Für den SSW ist es entscheidend, dass die Schülerinnen und Schüler dieses Jahr tatsäch-lich einen Mehrunterricht in Höhe der versprochenen 200 Lehrerstellen bekommen. Und das wird durch die Verlängerung der Arbeitszeit und durch Neueinstellungen sichergestellt. Allerdings dür-fen wir nicht blauäugig sein: In Zukunft muss mehr in die Unterrichtssituation der schleswig-holsteinischen Schulen investiert werden, nur so wird es uns langfristig gelingen, die ange-sprochenen Probleme in den Griff zu bekommen.

Ich komme jetzt zum CDU-Antrag. Die CDU fordert zur Steigerung der Attraktivität von Anwärter- und Referendarstellen, dass die Landesregierung zukünftig nach §63 des Bundesbesoldungsgesetzes sogenannte Anwärtersonderzuschläge für Lehramtsanwärter und Lehramtsanwärterinnen im Bereich der beruflichen Schulen und – wenn möglich – auch an anderen Schularten zahlt.

§63 sieht diese Anwärtersonderzuschläge für den Fall vor, dass ein erheblicher Mangel an qualifizierten Bewerbern besteht. In der Tat haben wir diese Situation in einigen Bereichen des schleswig-holsteinischen Schulwesens. Deshalb will der SSW den Vorschlag der CDU wohlwollend im Bildungsausschuss prüfen. Aber wir sollten uns im Detail darüber unterhalten, in welchen Bereichen diese Sonderzuschläge Sinn machen und auch wie viel es der Landeskasse zusätzlich kosten würde. Wie Sie alle Wissen, ist das ja kein unwesentlicher Gesichtspunkt.

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