Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 01.06.2006 Bericht über die kommunalen Finanzen

Die eindrucksvolle Demonstration der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vor dem Landtag zeigt, wie sehr der geplante Eingriff des Landes in den kommunalen Finanzausgleich die kommunale Basis aufregt und wie empfindlich er die kommunalen Finanzen trifft. Wenn sich Hunderte von  Bürgermeistern aus dem ganzen Land zum ersten Mal in der Geschichte des Landes auf diese Weise zu Wort melden, dann muss das wirklich seine Gründe haben. Was die kommunale Basis – insbesondere auch von CDU und SPD – so aufregt, ist ja vor allem, dass der Eckpunktebeschluss, der u.a. einen Eingriff in den kommunalen Finanzen von jeweils 120 Millionen Euro für die Jahre 2007 und 2008 bedeutet, eine Abweichung vom Koalitionsvertrag darstellt.

Denn vor einem Jahr hieß es noch von CDU und SPD, dass das Land seinen Haushalt nicht zulasten der Kommunen sanieren will und darf. Diese Aussage ist nunmehr Geschichte, und deshalb demonstriert die Basis von CDU und SPD jetzt gegen die Landesregierung von CDU und SPD.  Die Bürgermeister demonstrieren aber nicht für sich selbst, sondern für die Menschen in ihren Gemeinden. Denn vor dem Hintergrund der schweren Haushaltslage der Kommunen in Schleswig-Holstein wird der Eckpunktebeschluss weit reichende Folgen für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort haben.

Der SSW hatte daher einen Antrag eingebracht, der die Landesregierung auffordert zu berichten, auf welcher Grundlage sie einen Eingriff in die kommunalen Finanzen plant und welche Auswirkungen dieser Beschluss voraussichtlich haben wird. Leider wurde unser Ursprungsantrag in einer von CDU und SPD abgewandelten Form beschlossen und daher sind wir auch nicht zufrieden mit dem heute vorliegenden Bericht der Landesregierung über die Finanzsituation der kommunalen Gebietskörperschaften.

Der SSW hatte zum Beispiel auch eine Bewertung der Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit der Kommunen gewünscht. Dieser wichtige Aspekt fehlt nun. Denn de facto werden die kommunalen Investitionen zugunsten des Schuldendienstes des Landes reduziert. Dies bedeutet in seiner Konsequenz weniger öffentliche Aufträge für die heimische Wirtschaft und damit  weniger Wachstum sowie eine schlechtere Infrastruktur für die Bürgerinnen und Bürger.

Der SSW hatte ebenfalls darum gebeten, die Situation der Kommunen nach Größenklassen gegliedert dargestellt zu bekommen. Dies wäre wichtig gewesen, um sich ein Bild darüber machen zu können, ob der pauschale Landeseingriff nicht auf eine sehr differenzierte kommunale Praxis trifft, die ein differenziertes Vorgehen erfordern würde.  Diese wichtigen Informationen fehlen nun leider im Bericht.  Dennoch möchte ich auf einige Argumente der Landesregierung eingehen.

Die Landesregierung behauptet zum wiederholten Male, die Kommunen in Schleswig-Holstein sind nicht so sehr verschuldet wie das Land. Daher muss zwischen Land und Kommunen umverteilt werden. Diese Argumentation ist aus drei Gründen falsch. Zum einen hat die zentrale bzw. zentralere Ebene die Aufgabe, die kurzfristigen und konjunkturellen Einnahmeausfälle bzw. Ausgabensteigerungen selbst aufzufangen. Das kann nicht die Aufgabe der dezentralen Ebene sein –also die der Kommunen. Zum anderen haben die Kommunen bei der gegebenen Aufgabenverteilung – die das Land im Rahmen der Verfassung bestimmt – ihre Aufgaben mit einer geringeren Kreditaufnahme bewältigt als das Land.  Und drittens sind die  prognostizierten Steuereinnahmen des Landes für die Jahre 2006 bis 2009 seit der Koalitionsvereinbarung im letzten Jahr deutlich gestiegen.

Auch die im Bericht aufgestellte Behauptung, dass die Kommunalfinanzen sich in den letzten 10 Jahren um 10.1% erhöht haben und die des Landes nur um 2,4% kann nicht unwidersprochen bleiben. Nach Angaben der kommunalen Spitzenverbände sind diese Zahlen verkehrt. Denn die tatsächlichen Einnahmesteigerungen der letzten 10 Jahre sind 5,05% für das Land und 5,1% für die Kommunen. Dazu verschweigt die Landesregierung, dass die Kommunale Finanzausgleichsmasse im Jahr 2001 nur 926,1 Millionen Euro beträgt. Dies ist die schlechteste Einnahmesituation der Kommunen in Schleswig-Holstein seit 11 Jahren.

Die Landesregierung kann im Bericht überhaupt nicht belegen, welche politischen Ereignisse seit dem letzten Jahr sie dazu gebracht hat, den Koalitionsvertrag zu brechen. Die schlechtere finanzielle Situation des Landes kann es ja eigentlich nicht sein. Denn diese hat sich doch seit dem letzten Jahr um einiges verbessert – auch wenn die finanzielle Handlungsfähigkeit des Landes natürlich immer noch äußerst angeschlagen ist. Aufgrund der Steuerrechtsänderungen auf Bundesebene und aufgrund der Mai-Steuerschätzung kann das Land mit Mehreinnahmen für die Jahre 2006 bis 2009 von 829 Millionen Euro rechnen. – Vor diesem Hintergrund stellt sich schon die Frage, warum das Land ausgerechnet 120 Mio. € pro Jahr bei den Kommunen sparen will. Aus unserer Sicht gibt es dafür gweder eine sachliche noch eine politische Begründung.

Nach eigenen Aussagen des Landes haben die Kommunen ihre Aufgaben fachlich korrekt und zufrieden stellend gelöst.  Durch den Eingriff des Landes werden aber die Tüchtigen, die ihre Aufgaben im Rahmen ihrer Finanzen bewältigt haben, bestraft und das Land, das seine Aufgaben und Strukturprobleme nur durch verfassungswidrige Schuldenaufnahme bewältigen kann, wird belohnt. - Nicht volks- und finanzwirtschaftlicher Sachverstand, sondern das Prinzip „oben sticht unten“ führt hier Regie.

Die Aussage „ die Kassenkredite pro Einwohner der Kommunen in Schleswig-Holstein sind deutlich geringer als die der Flächenländer“ ist ebenfalls zu relativieren. Denn der Anstieg der Kassekredite der schleswig-holsteinischen Kommunen in der zugrunde gelegten Periode betrug über 900 %, also das 9fache, während sich die Kassenkredite der Kommunen der Flächenländer „nur“ verdoppelten.

Es rächt sich, dass das Land bisher keine Funktionalreform durchgeführt hat. So sind viele Aufgaben noch in Landeshand, statt als Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung kostengünstig durch die Kommunen und Kreise wahrgenommen zu werden. Die Berichte der Landesregierung lassen befürchten, dass eine richtige Funktionalreform noch lange auf sich warten lässt.

Das Land bedient sich also finanziell bei den Kommunen und vertröstet auf die Wunderwerke der schlie’schen Arbeitsgruppe. - Dies hat was von Durchhalteparole an sich, auf jeden Fall sind es ungedeckte Schecks. Aus Sicht des SSW ist es jedenfalls äußerst problematisch, den Kommunen mit dem Versprechen in die Taschen zu greifen, das Land wird durch weise und kluge Entscheidungen im Laufe des Jahres die Auswirkungen mildern. Wenn das Vertrauen in die klugen Entscheidungen so groß wäre, dann müsste die Milderung doch auch für den Landeshaushalt gelten. Es sind jedoch keine Struktur verändernden Reformen in Sicht, die den Landeshaushalt entlasten und die die kommunale Selbstverwaltung  wirklich stärken. Die Landesregierung glaubt selbst nicht daran. -  Der Vorschlag, die Standards in den Kindergärten abzuschaffen ist  zum Glück erst einmal von Tisch und hätte finanziell auch nicht die Kommunen wirklich entlastet.

Auch in Bezug auf den Schleswig-Holstein-Fond wird sehr deutlich, dass konzeptlos ein Loch durch das Aufreißen eines neuen gestopft wird. Und immer mit dem Effekt des Verlustes an Planungs- und Investitionssicherheit für die Kommunen und damit zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger vor Ort.

Insgesamt kann man den Eingriff in die kommunalen Finanzen und die im Bericht angeführten Gründe nur als Taschenspielertricks und leere Versprechungen bezeichnen - nach der  Devise: die große Koalition wird den Eingriff schon durch den Landtag boxen.  Der SSW fordert daher die regierungstragenden Fraktionen auf, im Zuge der Haushaltsberatungen den Eingriff in die kommunalen Finanzen zu überdenken zu machen. Trotz der großen finanziellen Probleme des Landes können wir nicht auf Kosten anderer unseren Haushalt sanieren. Dass müssen wir schon selbst in Angriff nehmen. Dazu würde zum Beispiel eine wirkliche Kommunal- und Verwaltungsstrukturreform gehören und eine Überprüfung Einnahmeseite des Landes.

Letztendlich ist es aber auch so, dass eine echte Sanierung des Landeshaushaltes in weiter Ferne liegt. Nur wenn wir die Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen enormen Kosten in den Griff kriegen, können wir auch den Landeshaushalt sanieren. Hier brauchen wir gemeinsame Anstrengungen aller gesellschaftlichen Gruppen. Aber die Vorschläge, die die Landesregierung zur Haushaltssanierung gemacht hat, z.B. auf Kosten der Kommunen,  können wir nicht unterstützen.

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