Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 25.09.2003 Biometrische Daten in Ausweispapieren

Der FDP-Antrag ist so kurz und prägnant gefasst, dass ich versucht bin, ebenso knapp nur mit zwei Buchstaben zu antworten: JA. Da mir aber jetzt noch mehr Redezeit zur Verfügung steht möchte ich trotzdem noch näher ausführen, weshalb der SSW die Aufnahme biometrischer Daten in Ausweispapieren prinzipiell ablehnt.

Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 haben jene Law-and-order-Politiker Hochkonjunktur, die schon immer mal gern den lästigen Datenschutz loswerden wollten. Sie werden gestützt durch Menschen in den Sicherheitsbehörden, die den Schutz personenbezogener Daten als Hindernis empfinden, das ihnen den Weg zu Straftätern verstellt. Ihnen gegenüber stehen aber die Grundrechte, die aus gutem Grund eine ungehinderte Einsicht von Polizei und Geheimdiensten in das Privatleben der Bürgerinnen und Bürger garantieren. Die Freiheitsrechte sind geboren aus der Einsicht, dass wir nicht immer und nicht dauerhaft garantieren können, dass der Staat immer auf der „guten“ Seite steht und dass er keine Fehler macht.

Seit dem 11. September sind diese Grenzen wieder fließender geworden. Zu Recht wird gefragt, ob es nicht richtig ist, dass der Schutz von Menschenleben es rechtfertigt, dass staatlich kontrollierte Behörden etwas mehr Kontrolle ausüben. Diese Frage ist legitim - nur die meisten Antworten, die zu Markte getragen werden, leider nicht. Denn wenn man Bürgerrechte und Schutz vor Terror gegeneinander in die Waagschale wirft, dann muss man auch berücksichtigen, dass konkret existierende Bürgerrechte gegen potentielle Gefahren abgewogen werden müssen. Häufig ist noch nicht gesagt, dass die vorgeschlagenen Sicherheitsmaßnahmen wirklich Terroristen stoppen können. Dafür ist es sicher, dass die Grundrechte von bis zu 80 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner geschwächt werden.

Bei jeder einzelnen Maßnahme muss daher gefragt werden: was bringt sie und wie viel schadet sie? Eben dies haben unsere Experten in Schleswig-Holstein für genau diesen Bereich getan. Das Unabhängige Landeszentrum für den Datenschutz Schleswig-Holstein hat im Sommer ein Gutachten zu biometrischen Daten auf Ausweispapieren für das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag angefertigt.
Das Terrorismusbekämpfungsgesetz sieht vor, biometrische Daten auf Ausweispapieren von In- und Ausländern zu speichern. Das ULD kommt in seiner Prüfung zu dem Ergebnis, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen die biometrischen Daten ausschließlich auf dem Personalausweis und auf dem Reisepass, nicht aber in Registern oder Archiven gespeichert werden dürften. Bei der Speicherung dieser Daten auf Ausweispapieren kann es aber nur darum gehen, Pässe, Personalausweise oder Visa zweifelsfrei einer bestimmten Person zuzuordnen. So sieht es auch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vor. Eine darüber hinaus gehende Nutzung der Daten durch die Polizei oder andere Behörden würde gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoßen. Da die Sicherheit der Ausweise aber nicht davon abhängt, dass biometrischen Merkmale darauf gespeichert werden, wiegt der Datenschutz schwerer als eventuelle Vorteile. Bei den ausländerrechtlichen Ausweispapieren kommt noch erschwerend hinzu, dass sämtliche öffentlichen Behörden das Recht haben sollen, auf die Daten zurückzugreifen. Das ist völlig indiskutabel. Insgesamt lautet das Urteil unserer Datenschützer, dass die Speicherung biometrischer Daten bei Abwägung aller Vorteile, Nachteile und Begrenzungen keine sinnvolle Maßnahme darstellt. Diesem Votum können wir uns voll und ganz anschließen.

Es besteht aber für die Terrorismusbekämpfung wenig Sinn darin, die Daten ausschließlich auf den Ausweispapieren zu speichern. Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen sehe ich auch keine dauerhafte Gewähr dafür, dass die Daten in der Verfügungsgewalt des Einzelnen bleiben. Der 11. September hat uns schon gezeigt, wozu eine verunsicherte, unter öffentlichem Druck stehende Politik fähig ist. Mit der Erhebung biometrischer Daten überschreiten wir eine Grenze. Im Zuge des Terrorismus der 70er Jahre haben wir schon einmal erlebt, dass plötzlich Daten erhoben wurden, die vorher nicht gesammelt werden durften. Wir dürfen nicht das Risiko eingehen, dass verzweifelte Politiker in einigen Jahren sich doch dafür entscheiden, die Daten zu speichern und für andere Zwecke als die Identitätsfeststellung zu nutzen. Deshalb stimmen wir dem Antrag der FDP zu.

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