Rede · 22.11.2007 Bündnis gegen Essstörungen
Die Saison der Modenschauen in Mailand, Paris und New York läuft gerade. Da sieht man sie wieder: spindeldürre Modells, deren Anblick für tausende Jugendlicher in Deutschland zum Ideal geworden ist. Demzufolge hungern sie oder leiden unter Brech- und Fressattacken, die ihren Körper, sollten sie es überleben, lebenslang zeichnen werden. Essstörungen sind ein komplexes Suchtphänomen, auch in unserem Land. Schätzungsweise jeder 20. Magersüchtige verstirbt an der Krankheit. Beratung, Therapie und die Prävention sind in diesem Zusammenhang also durchaus kein Luxusproblem.
Die weitreichenden Konsequenzen dieses Suchtphänomens hat auch die Sozialministerin in ihrem Bericht zum Thema Essstörungen dargelegt. Sie weiß durchaus um die Sorgen und Nöte der Essgestörten und ihrer Familien, denen allerdings in Schleswig-Holstein eine regional unzureichende Beratungsstruktur gegenübersteht. Der Bericht der Ministerin vor dem Sozialausschuss endet mit dem Absatz, ich zitiere: „Ziel all dieser Bemühungen muss es sein, den Menschen mit Essstörungen im Lande ein qualitativ gutes und zeitnahes Angebot von Hilfen zu ermöglichen.“ Da eine ausreichende Versorgung, beispielsweise bezüglich der Beratungsstellen, die Essgestörte teilweise an Andere verweisen müssen, nicht gewährleistet ist, folgt meines Erachtens daraus zwingend, dass in absehbarer Zeit dezentral für mehr Beratung gesorgt werden muss
Doch wie so oft in der Politik, haben objektive Gefahrenlagen überhaupt nichts mit Problemlösungen zu tun. Der Handlungsdruck wird einerseits anerkannt, aber andererseits fehlt oft die konkrete Umsetzung. Und hier muss man gerade vor Ort handeln und Beratungsstellen, Ärzte und Informationsangebote von Krankenkassen miteinander verbinden. Dabei hat sich die Große Koalition selbst in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, als sie gelobte, ich zitiere: „Ziel ist ein landesweites Netz Regionen bezogener ambulanter Grundversorgung von suchtgefährdeten und abhängigen Menschen und ihren Bezugspersonen.“ (Koalitionsvertrag, Seite 40). Hier muss die Landesregierung dann auch sagen, wie sie die einzelnen Akteure in den Regionen, die durchaus sehr unterschiedlich strukturiert sind, unterstützen will.
Ein bisschen schlechtes Gewissen am Nichtstun und der Missachtung selbst gegebener Politikziele tritt dann deshalb doch zu Tage. Der Grund liegt auf der Hand: Allen Beteiligten ist klar, dass akuter Handlungsbedarf besteht, doch wie der finanziell zu unterfüttern ist, weiß keiner so recht. Und das ist die eigentliche Frage, die sich für uns stellt.
Dabei ist es völlig zweitrangig, ob jetzt ein so genanntes landesweites „Bündnis gegen Essstörungen“ errichtet wird oder es irgendwie anders heißt. Hier sehen wir eher die Chance, regionale Aktivitäten zu unterstützen, anstatt ein landesweites Konzept überzustülpen. Eine kompetente Beratung durch professionelle Berater muss aber überall im Land gewährleistet werden. Und wie steht es da beispielsweise um die Suchtberatungsstellen? Mündet die Essstörung in massive gesundheitliche Probleme, werden Therapie und Behandlung um ein Vielfaches teurer als eine flächendeckende Beratungsstruktur. Das sollte eigentlich die Schlussfolgerung unsererseits sein.
Darum müssen nun den Analysen Taten folgen und in allen Kreisen kompetente Institutionen unterstützt werden, um ein breites Beratungsangebot zu gewährleisten. Dort, wo es keines gibt, sollten schleunigst Qualifizierungsmaßnahmen eingeleitet werden, um eine wohnortnahe Beratungsstruktur auszubauen. Das ist bereits Standard bei anderen Suchtphänomenen und sollte es auch bezüglich der Essstörungen sein.