Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 22.03.2018 Chance leider nicht im vollen Umfang genutzt

Flemming Meyer zu TOP 2 - Erstes Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes

„Umfassende Teilhabe zu landesweit einheitlichen Standards sicherstellen“

Wir haben dieses Thema ja schon mehrfach diskutiert. Und doch wiederhole ich mich in einem Punkt gerne: Mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes haben wir als Land eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Denn hiermit werden alle Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderung neu gestaltet. Damit sind fast all ihre Lebensbereiche betroffen. Es geht um den Anspruch auf Hilfen im Alltag. Es geht um ihre finanzielle Unterstützung. Und es geht damit auch ganz konkret um ihre Lebensqualität. Nicht etwa für eine kleine Randgruppe, sondern für über eine halbe Million Menschen mit Behinderung, die bei uns in Schleswig-Holstein leben. All das ist aus Sicht des SSW Grund genug, um bei aller gebotenen Eile trotzdem gründlich und vor allem verantwortungsbewusst zu handeln. 

Gründlichkeit ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der mündlichen Anhörung sehr wichtig. Ich vermute nämlich, dass hier nicht nur der SSW die Befürchtung hatte, dass die weit reichende Kritik nicht im verdienten Umfang berücksichtig wird. Denn vereinfacht gesagt, war mit dem Gesetzentwurf zum Beispiel klar, dass das Land in Sachen Eingliederungshilfe Koordinierungsaufgaben übernimmt. Aber welche konkrete Rolle es spielen will, sollte weitgehend offen bleiben. Das hält der SSW schon deshalb für falsch, weil das Land für gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Schleswig-Holstein sorgen muss. Dass die Leistungen weiterhin nach Wohnort variieren könnten, ist aus unserer Sicht auf keinen Fall hinnehmbar. 

Ein anderer wichtiger Punkt, den fast alle Anzuhörenden deutlich gemacht haben, ist die Befürchtung, dass die Menschen mit Behinderung offenbar nicht ausreichend beteiligt werden. Zwar gibt das Bundesteilhabegesetz die umfassende Beteiligung vor. Aber auch in diesem Punkt gab und gibt es große Unklarheit bei der Frage nach Art und Umfang. Auch das kann aus Sicht des SSW nicht angehen. Wir wollen, dass die Menschen mit Behinderung und ihre Verbände möglichst umfassend eingebunden werden. Egal ob auf Landesebene oder in den Kreisen und Gemeinden: Der Anspruch muss doch sein, die Betroffenen zu informieren und sie vor allem auch zu beteiligen, wenn es um ihre Belange geht. Niemand soll ohne sie über ihre Rechte und Ansprüche entscheiden. Das geht nur mit ihnen gemeinsam!

Ich kann für den SSW klar sagen, dass wir die Bedenken der Anzuhörenden sehr ernst nehmen. Wir haben deshalb gemeinsam mit der SPD versucht, entsprechende Änderungen ins Verfahren einzubringen. Auch die Koalitionsfraktionen haben dann bekanntlich doch noch Änderungsbedarf gesehen und sich bewegt. Das will ich nicht unterschlagen und gerne auch begrüßen. Wenn ich aber die Betroffenen und ihre Vertretungen frage, dann gehen auch die aktuellen Änderungen von CDU, Grünen und FDP nicht weit genug. Statt konkret gesetzlich vorzugeben, welche Teilhabeleistungen es zu welchen Standards geben muss, gibt das Land weiterhin nur Empfehlungen an die Kreise. Vor diesem Hintergrund teile ich die Kritik der Betroffenen, nach der dieses Gesetz mutlos ist, weil der Gestaltungswille fehlt. Und ich teile die Befürchtung, dass wir so leider nicht zu einem modernen Teilhaberecht im Sinne der UN-Konvention und zu besseren Leistungen für Menschen mit Behinderung kommen. 

Ich habe in der letzten Debatte zum Teilhabestärkungsgesetz betont, dass wir hier eine wirklich große Chance haben. Denn Menschen mit Behinderung werden noch viel zu oft benachteiligt. Das gilt für unser Bildungswesen, für unsere Arbeitswelt, für Freizeitaktivitäten und für viele andere gesellschaftliche Bereiche auch. Mit dem Bundesteilhabegesetz und mit unserem Ausführungsgesetz können wir die Rechte behinderter Menschen spürbar stärken und ihre Lebensbedingungen verbessern. Doch so wie es aussieht, wird diese Chance nicht im vollen Umfang genutzt. Dieser Gesetzentwurf bleibt deutlich hinter den Erwartungen vieler Betroffener zurück. Und vor allem für sie selbst ist das mehr als bedauerlich. 

Hinweis: Diese Rede kann hier ab dem folgenden Tag als Video abgerufen werden:

www.landtag.ltsh.de/aktuell/mediathek/index.html

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