Rede · Sybilla Nitsch · 22.09.2023 Der Minister liefert wenig Substantielles

„Wir müssen sicherstellen, dass wir die bei uns ansässigen Unternehmen erhalten und weiter stärken. Wir müssen an die Ansiedlungspolitik ran, an die Ausweisung von Gewerbeflächen, an die Bürokratie, an die Energiepreise und an die Gewinnung und Ausbildung von Arbeitskräften. Dafür braucht es endlich pragmatische und vor allem konkrete Maßnahmen. Da sehen wir noch deutlich Luft nach oben!“

Sybilla Nitsch TOP  28 + 52 - Unsere Wirtschaft unterstützen - Wachstumschancen stärken Bericht zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Drs. 20/1366, Drs. 20/1138)

Der deutschen Wirtschaft ging es schon besser. Insofern ist es gut und richtig, dass die Bundesregierung einen Entwurf für ein Gesetz zur Entlastung der Unternehmen, das Wachstumschancengesetz, vorgelegt hat. Wachstum für unsere Wirtschaft, steuerliche Vereinfachungen und eine bessere Steuergerechtigkeit, das ist es, was dieses Gesetz beinhalten soll. Und die Ziele sind ohne Frage richtig und wichtig! Ich habe mir den Entwurf angesehen und fiel über Folgendes: Anhebung der GwG-Grenze nach § 6 Abs. 2 EStG von 850 Euro auf 1.000 Euro. Außerdem eine Erhöhung der Zuwendungen anlässlich von Betriebsveranstaltungen von 110 Euro auf 150 Euro. 
Da stehe ich ein wenig ratlos und frage mich: sieht so die umfassende Steuervereinfachung aus, die unsere Unternehmen benötigen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben? 
Weitere Details aus dem fast 300 Seiten umfassenden Entwurf erspare ich Ihnen und mir an dieser Stelle. Und ich sehe auch, dass das Gesetz gute Punkte enthält. 
Aber ich glaube, das bringt eines unserer großen Probleme auf den Punkt: wir verlieren uns in Deutschland viel zu oft in Details. Wir verlieren den Blick für das große Ganze. Und dann stehen wir da und stellen fest: viele unserer europäischen Nachbarn machen es irgendwie besser. 
Zudem müssen Entlastungen auch finanziert werden. Entlasten wir die Unternehmen, was in der Sache richtig ist, fehlen die Einnahmen eben an anderer Stelle. Und sie fehlen nicht nur in Berlin, nein, sie fehlen vor allem in den Landeshaushalten und in den kommunalen Kassen. Den Kommunen gehen durch das Gesetz deutschlandweit geschätzt jedes Jahr 7 Milliarden Euro an Einnahmen verloren. 
Das gehen wir nicht mit: wenn die Bundesregierung ein Gesetz beschließt, muss der Bund auch die Kosten tragen. Wir unterstützen daher den Antrag von CDU und Grünen: es muss eine Gegenfinanzierung für die Einnahmeausfälle geben und die Entbürokratisierung muss konsequent vorangetrieben werden.  
Auch der Bericht der Landesregierung zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen widmet sich der Frage, wie wir attraktive Bedingungen für Unternehmen schaffen können. 
Wir können festhalten: man kann den Bericht flüssig lesen und bekommt auch diverse Schlagworte aufgelistet. Aber viel Substantielles, vor allem zu proaktiven Maßnahmen der Landesregierung, ist da nicht drin. 
Ich möchte hierzu gern zwei für den SSW ganz besonders wichtige Punkte kommentieren: zum einen „die Grenzregion“, zum anderen „die Hafenwirtschaft“.
Zur Grenzregion: Der unentbehrliche Pflichtsatz ist schnell im Bericht gefunden: „Die Zusammenarbeit mit Skandinavien und insbesondere mit Dänemark soll weiter verstärkt werden“. 
Das finden wir selbstredend sehr gut – auch, dass dieser Anspruch mit entsprechenden Geldern hinterlegt werden soll und dass der dänische Markt „bearbeitet“ werden soll, um Ansiedlungsprojekte an Land zu ziehen. Aber wie genau? Dazu gibt es leider keine näheren Angaben. Überhaupt ist der Informationsgehalt in Hinblick auf die Weiterentwicklung unserer Grenzregion sowie unseres nördlichen Landesteils insgesamt doch dünn. 
Das ist sehr schade – zumal wir eigentlich schon vielversprechende Fahrpläne hierzu vorliegen haben. Ich denke beispielsweise an die „nordwärts“-Konferenz im November letzten Jahres, auf der wir über die Entwicklungsperspektiven für Industrieproduktion in der deutsch-dänischen Grenzregion diskutiert hatten. Die dort vorgestellte Projektstudie und identifizierten Handlungsfelder hätten gut in einen solchen Bericht integriert werden können. 
Der zweite Punkt, der mir etwas aufgestoßen ist, betrifft die Hafenwirtschaft und die entsprechenden Kapitel im Bericht: Als SSW setzen wir uns schon lange dafür ein, dass wir die Investitionsgelder in unsere landeseigenen Häfen nicht nur aufstocken, sondern das Notwendige mit dem Praktischen verbinden: warum investieren wir nicht die „Schlickgelder“ aus der entsprechenden Vereinbarung mit Hamburg in die Zukunftsfähigkeit unserer Häfen? 
Und hier erwarten wir, dass sich das Land endlich auch mal seiner Nordseehäfen – sprich Husum und Büsum – annimmt! 
Am Ende steht ja die Frage: Was braucht unsere Wirtschaft wirklich und wie kann die Politik konkret unterstützen? Wir müssen sicherstellen, dass wir die bei uns ansässigen Unternehmen erhalten und weiter stärken. Wir müssen an die Ansiedlungspolitik ran, an die Ausweisung von Gewerbeflächen, an die Bürokratie, an die Energiepreise und an die Gewinnung und Ausbildung von Arbeitskräften. Dafür braucht es endlich pragmatische und vor allem konkrete Maßnahmen. Da sehen wir noch deutlich Luft nach oben!

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