Rede · Christian Dirschauer · 24.03.2023 Die Beschäftigten arbeiten an der Belastungsgrenze oder darüber hinaus

„Das, was uns die Regierung hier vorlegt, ist noch reichlich unausgegoren“

Christian Dirschauer zu TOP 11+12 - Gesetze zu Änderungen des Kindertagesförderungsgesetzes (Drs. 20/831 und 20/832)

Für uns vom SSW hat die frühkindliche Bildung traditionell einen sehr hohen Stellenwert. Auch wir fühlen uns daher selbstverständlich mitverantwortlich, wenn es darum geht, diesen elementaren Bereich unseres Bildungssystems zukunftsfest aufzustellen. Aus meiner Sicht sollte das für alle Parteien gelten. Denn schließlich legen wir in Kita und Tagespflege den Grundstein für den gesamten Bildungsweg. Wenn wir hier also nicht unsere Hausaufgaben machen, schwächen wir auch alle nachfolgenden Bildungsinstitutionen. Und weil wir uns das definitiv nicht leisten können, haben wir nicht nur immer Erhöhungen der Mittel für unsere Kitas, sondern auch die entsprechende Reform der Finanzierung mitgetragen. Diesen konstruktiven Weg wollen wir auch in dieser Wahlperiode gerne weitergehen. 

Wir stehen im Kitabereich vor den unterschiedlichsten Herausforderungen. In vielen Einrichtungen brennt buchstäblich die Luft. Pandemie und Ukrainekrieg haben den Druck im System enorm erhöht. Und dass in einer Situation, in der die Beschäftigten in den Einrichtungen oft ohnehin schon seit Jahren an der Belastungsgrenze oder darüber hinaus arbeiten. Es steht also völlig außer Frage, dass wir hier dringend für attraktivere Arbeitsbedingungen sorgen müssen. Und weil hierzu auch eine angemessene Bezahlung zählt, begrüßen wir die vorliegende Änderung, nach der der Tarifabschluss im Sozial- und Erziehungsdienst ins Standard-Qualitäts-Kosten-Modell aufgenommen werden soll. Dass dies allerdings auch für kommende Tarifabschlüsse gelten muss, ist folgerichtig und damit zwingend notwendig. Hier muss die Landesregierung zeitnah nachlegen und zu einer entsprechenden Lösung kommen. 

Wir diskutieren heute aber nicht nur über diese sinnvolle Änderung, sondern auch über eine Reihe weiterer, wie etwa zur Sprach Kita. Und das, was hierzu vorliegt, schien bisher weniger durchdacht. Wir begrüßen grundsätzlich, dass dieser sinnvolle Ansatz weitergeführt wird. Und wir sind erleichtert, dass die Koalition auf Verbände und Opposition gehört und die Mindestgröße von 40 Plätzen aus dem Entwurf entfernt hat. Denn hierdurch wären pauschal fast 40 Prozent aller Kitas als potenzielle Sprach-Kitas rausgefallen. Doch die Tatsache, dass wir hier offenbar aber auch noch auf eine erhebliche Finanzierungslücke zusteuern, erfordert dringend Nachbesserungen.

Auch bei den bisherigen Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung sehen wir klaren Nachbesserungsbedarf. Die Kritik der Wohlfahrtsverbände, nach der der von uns allen gewünschte Quereinstieg zum Beispiel auch mit entsprechenden Anleitungskapazitäten und zusätzlichen Ressourcen verbunden werden muss, ist einleuchtend. Dies gilt auch mit Blick auf die PiA-Ausbildung. Denn auch wenn mich die Aufstockung der PiA-Mittel von 400 auf 800 Euro freut, wird dieser Schritt allein das Fachkräfteproblem kaum lösen. Hier brauchen wir absehbar die komplette Übernahme der Kosten durch das Land. Und wir müssen dafür sorgen, dass die PiA-Schülerinnen und -schüler zukünftig nicht nur deutlich intensiver, sondern auch über den gesamten Ausbildungszeitraum angeleitet werden. Wie im Übrigen auch Freiwilligendienstleistende, helfende Hände oder junge Menschen im Praktikum.

Dass wir uns darüber hinaus auch dringend über den Paragraphen 35 des Kitagesetzes unterhalten müssen, steht für mich außer Frage. Kitaträger warnen nun schon eine ganze Weile vor den verheerenden Auswirkungen dieser Regelung. Hier brauchen wir dringend eine Abmilderung, die nicht in all den Fällen, in denen der Personalschlüssel aufgrund von Krankheit temporär unterlaufen wird, direkt der Rückforderungsbescheid in der Post liegt. Andernfalls nimmt unsere Kita-Landschaft und vor allem auch die Vielfalt erheblichen Schaden. Denn gerade kleine Träger geraten durch diese Regelung schnell an ihre Grenzen und müssen im Zweifel dicht machen. Und das kann doch nun wirklich niemand ernsthaft wollen. Auch vor dem Hintergrund des steigenden Betreuungsbedarfs will ich wirklich hoffen, dass wir hier schnell zu einer Lösung mit Augenmaß kommen.

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