Rede · Lars Harms · 16.05.2019 Die Bürgerbeteiligung darf nicht still beerdigt werden
Legen wir die Bürgerbeteiligung ins Regal, wo sie verstaubt, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn uns bei Bürgergesprächen Abwehr und Enttäuschung entgegenschlägt.
Lars Harms zu TOP 36 - Landesentwicklungsstrategie 2030 voranbringen (Drs. 19/1457)
Die Menschen in Schleswig-Holstein spüren, wie sich ihr Land verändert. Die Wege zur Schule werden länger, Nachbarschaften lösen sich auf und die Mobilitätsprobleme wachsen. Das alles wird sehr genau registriert. Manchmal ergibt sich eine Lösung vor Ort: der Bürgerbus in Ladelund ist ein gutes Beispiel dafür. Ganz häufig aber muss der Staat steuernd eingreifen.
Damit sich in diesen Fällen nicht die Perspektive des grünen Tischs in Kiel durchsetzt, sondern die Dinge partnerschaftlich vorangebracht werden können, wurde die Landesentwicklungsstrategie ins Leben gerufen. Mit einem großen Kongress wurde der Aufschlag gemacht. Dem schlossen sich Regionalkonferenzen, Workshops und viele tausend Gespräche an. Viele Frauen und Männer haben sich auch jenseits der Funktionärsebene Gedanken gemacht, wie Schleswig-Holstein sich entwickeln soll. Sie haben sich zu Wort gemeldet in dem Glauben, dass ihr Wort Gewicht hat. Darüber hinaus begleiteten die einzelnen Ressorts der Landesregierung das Projekt und brachten viele eigene Ideen ein. Auf diese Weise sind im Laufe der Zeit über 120 Stellungnahmen zusammengekommen.
Ich selbst war im NCC in Husum auf einer Veranstaltung mit mehr als 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Das war eine beeindruckende Kulisse. Der gemeinsame Wille, etwas zum Geschick unseres Landes beizutragen, war mit Händen zu greifen. Die Menschen haben in Husum einen Teil ihrer Freizeit investiert, um die Landesentwicklungsstrategie voranzubringen; das taten sie in dem Vertrauen, dass ihr Beitrag auch gewürdigt wird.
Eine gute Bilanz: Direkte und barrierefreie Bürgerbeteiligung. Viele Menschen haben sich beteiligt, damit sich etwas bewegt.
Das Herzblut, das in die Strategie gesteckt wurde, sollten wir achten.
Tatsächlich ist es sehr ruhig geworden um die Strategie. Statt dessen reden wir wieder über den technokratisch gefassten Landesentwicklungsplan, der – ich beziehe mich auf entsprechende Veröffentlichungen des Innenministeriums - wichtige Voraussetzungen für mehr Wirtschaftswachstum, den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und die Sicherung der Daseinsvorsorge in Schleswig-Holstein regeln soll. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger geschieht beim angehängten Beteiligungsverfahren entweder über Veranstaltungen oder per Brief bzw. Online-Eingabe.
Ein Dialog ist das nicht gerade, was da vonstatten geht; damit hat die derzeitige Landesregierung also kein Äquivalent zur Landesentwicklungsstrategie geschaffen. Es bleibt eine Leerstelle.
Diese Kritik betrifft allerdings ausdrücklich nicht den Landesplanungsrat. Ich selbst gehöre zu diesem Gremium und kann die Kritik an einem respektlosen Umgang nachvollziehen. Richtig ist, dass er viel zu wenig tagt, und das zeigt auch, dass Jamaika hier eben nicht auf Beteiligung setzt – weder auf den Dialog mit den Bürgern noch auf Dialog im Landesplanungsrat!
Zurück zur Landesentwicklungsstrategie bzw. die entsprechenden Vorarbeiten. Ich denke, dass es an der Zeit ist, diese zur Hand nehmen und zum Abschluss zu bringen. Ich bin davon überzeugt, dass die guten Ideen und Vorschläge in eine Strategie einfließen könnten, die Bestand über mehrere Wahlperioden hat.
Anderenfalls, wenn diese Art stiller Beerdigung weiter geführt wird, nährt das die Politikverdrossenheit, die in diesem Haus ansonsten mit vielen Sonntagsreden beklagt wird. Die Menschen damals in Husum und vielen anderen Orten haben sich Zeit genommen, und möchten eine Würdigung ihres Einsatzes erfahren. Sie haben das unabhängig von Parteipolitik gemacht, sondern in der Hoffnung, die Geschicke des Lande mit bestimmen zu können.
Legen wir die Bürgerbeteiligung ins Regal, wo sie verstaubt, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn uns bei Bürgergesprächen Abwehr und Enttäuschung entgegenschlägt.