Rede · Christian Dirschauer · 27.02.2025 Die Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

„Es kann nicht angehen, dass Menschen mit weniger Geld nicht mehr wissen, wie sie im Alter versorgt werden. Wir müssen sicherstellen, dass sich alle eine gute Pflege leisten können.“

Christian Dirschauer zu TOP 25 - Pflege muss bezahlbar sein (Drs. 20/2944)

Die Kosten für Pflegeleistungen und damit auch für die stationäre Pflege steigen seit Jahren deutlich. Diese Entwicklung ist also nicht neu und auch deshalb nicht überraschend, weil das Leben in nahezu allen Bereichen spürbar teurer wird. Doch auch wenn wir hier nicht das erste Mal über dieses Thema reden, sollten wir uns eins bewusst machen: In kaum einem anderen Bereich sind diese Kostensteigerungen für die Betroffenen so bedrohlich wie in der Pflege. Denn hier geht es um das sprichwörtliche Dach über dem Kopf und damit um etwas absolut Existenzielles. Es geht um einen Ort, an dem man sich wohl und gut versorgt fühlt. Aber es geht um mehr: Im Idealfall wissen Menschen im Pflegeheim und auch ihre Angehörigen, dass jemand zuhört und bei aller Hektik trotzdem auch ein wenig Zeit für Zuwendung hat, wenn diese nötig ist. All dies ist maßgeblich für einen würdevollen Lebensabend. Und all dies ist durch steigende Eigenanteile leider immer stärker gefährdet.

Dieses Problem ist längst akut. Wir vom SSW haben zum Beispiel vor über 2 Jahren einen ganz ähnlichen Antrag gestellt. Und auch auf Initiative anderer Parteien haben wir hier mehrfach über die dringend nötige Deckelung der Eigenanteile diskutiert. Streng genommen hätte der Antragstitel also „Pflege muss bezahlbar werden“ lauten müssen. Denn wenn wir näher hinschauen und Betroffenen genauer zuhören, dann ist Pflege für viel zu viele Bedürftige und Angehörige leider schon länger nicht mehr bezahlbar. Für das erste Jahr im Heim liegt der durchschnittliche Eigenanteil heute bei fast 2800 Euro monatlich. Und die Tendenz ist ganz klar weiter steigend. Das ist nun mal eine Größenordnung, die die finanziellen Möglichkeiten von immer mehr Menschen überschreitet.

Für den SSW steht damit außer Frage, dass wir mit Blick auf Pflegeheimkosten Entlastung brauchen. Und nein, liebe Regierenden: Der Verweis auf das Pflegewohngeld, dass das Land nur unter bestimmten Voraussetzungen und ohnehin nur für Sozialhilfebedürftige zahlt, greift zu kurz. Aus Betroffenensicht mag man es als gut bewerten, dass es eine solche Leistung gibt. Aber diese 2 oder 300 Euro monatlich für einen überschaubaren Personenkreis haben keinen nennenswerten Einfluss auf die Gesamtentwicklung. Wir wollen keine 2 oder noch-mehr-klassengesellschaft in der Pflege und finden, dass alle Menschen Anspruch auf genau die Pflege haben, die sie brauchen. Pflege muss menschenwürdig und bezahlbar sein. Und weil hierfür endlich größere Räder gedreht werden müssen, sind wir mit auf den vorliegenden Antrag gegangen. Denn mit der Deckelung der Eigenanteile, der Entlastung bei Ausbildungs- und Investitionskosten und mit der Forderung nach einem echten Systemwechsel in die Bürgerversicherung sind die notwendigen und mitunter auch sehr tiefgreifenden Maßnahmen benannt.

Damit wird natürlich deutlich, dass ein ganz wesentlicher Beitrag zur Entlastung Pflegebedürftiger und Angehöriger auf Bundesebene geleistet werden muss. Doch auch das Land kann hier über die Finanzierung der Investitionskosten erheblich beitragen. Zwar handelt es sich beim Paragrafen 9 des SGB 11 um eine Kann-Regelung. Angesichts der prekären Situation vieler Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sollte sich die Landesregierung aber dringend auf den Weg machen und die betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen der Pflegeeinrichtungen fördern. Ein solcher Schritt würde die Betroffenen schnell und unbürokratisch um über 500 Euro im Monat entlasten. Damit hätten gerade diejenigen, die mittlere Renten oder Einkommen haben, endlich wieder etwas Luft zum Atmen.

Gleichzeitig muss die Finanzierung der Pflege ohne Frage schnell aber vor allem grundlegend reformiert werden. Es kann nicht angehen, dass fast jeder fünfte Mensch in einer Einrichtung auf Hilfe vom Sozialamt angewiesen ist, weil er oder sie im bestehenden System eben leider nicht vollumfänglich abgesichert ist. Eine Pflegeversicherung als Teilkaskoversicherung funktioniert doch ganz offensichtlich nicht. Die Pflege selbst, aber auch wesentliche Grundpfeiler wie die Pflegeausbildung, müssen endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anerkannt und auch entsprechend finanziert werden. Die Leistungsfähigkeit der Pflegeversicherung ist durch den steigenden Bedarf längst überstrapaziert. Und deshalb ist die rein steuerfinanzierte Variante nicht nur die sauberste und kostendeckendste, sondern auch die einzig wirklich solidarische Lösung. So müssen Menschen, die viel besitzen auch entsprechend viel zu einer funktionierenden Pflegeinfrastruktur beitragen. Und so ist sichergestellt, dass Menschen mit einer kleinen oder mittleren Rente trotzdem menschenwürdig gepflegt werden, ohne dabei zu verarmen. Und genau das wollen wir. 
 

 

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