Rede · Jette Waldinger-Thiering · 18.02.2016 Differenzierte Förderung ist zielführender als differenzierte Abschlüsse

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 22 - Differenzierten Ersten Allgemeinbildenden Schulabschluss ermöglichen

Aus Sicht des SSW ist es gut und wichtig, dass die CDU dieses Thema auf die Tagesordnung setzt. Denn nach wie vor ist die Zahl der jungen Menschen, die ohne anerkannten Schulabschluss ins Leben gehen, viel zu hoch. Das ist leider nicht nur bei uns im Norden so, sondern bundesweit. Dabei dürfte jedem klar sein, wie wichtig der Faktor Bildung für die Biographie des Einzelnen ist. Die CDU erwähnt in ihrem Antrag die Stärkung des Selbstwertgefühls durch einen Schulabschluss. Aber Bildung ist natürlich auch der Schlüssel zu beruflichem Erfolg und damit zu einem selbstbestimmten Leben und zu mehr Zufriedenheit. Ich denke, übergeordnet gesehen gibt es deshalb kaum eine wichtigere Aufgabe, als allen Kindern und Heranwachsenden bestmögliche Bildungschancen zu geben. 

Natürlich ist der Übergang von Schule zu Beruf - beziehungsweise der Übergang in eine Ausbildung - ganz besonders wichtig. Hier haben SPD, Grüne und SSW nicht ohne Grund einen Schwerpunkt ihrer Bildungspolitik gelegt. Wir wollen, dass möglichst alle Schülerinnen und Schüler die Schulen mit einem Abschluss und einer echten Perspektive verlassen. Niemandem soll die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe und der Weg in die Berufswelt erschwert werden. Da sind wir uns mit den Antragsstellern völlig einig. 

Aber ich gebe zu bedenken, dass die Gründe, die zu einem Abbruch der Schullaufbahn führen, sehr unterschiedlich sind. Viele Schulabbrecher scheitern ja nicht, weil sie das Niveau der KMK-Standards unterlaufen. Viele verlassen die Schule ohne Abschluss, weil sie zum Beispiel gesundheitliche Schwierigkeiten oder schlicht Motivationsprobleme haben. Hier setzt das Ministerium vor allem auf präventive Maßnahmen. Das halte ich für diese Zielgruppe für deutlich zielführender, als ein Abschluss mit geringeren Standards. Vermutlich wäre ein solcher, einfacherer Abschluss sogar Gift für die Motivation vieler anderer Schüler. Sie müssten sich dann ja weniger anstrengen und würden hinter ihrem eigentlichen Potential zurückbleiben. Und ob die Wirtschaft diesen Absolventen dann eine Chance geben würde, ist völlig offen. Von dieser Seite wird ja schon länger über die mangelnde Ausbildungsreife geklagt.

Eine weitere Gruppe, die die Schule ohne den Ersten Allgemeinbildenden Abschluss verlässt, ist die der Schülerinnen und Schüler mit einem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf. Ein Teil  von ihnen wird unterhalb des Niveaus des Ersten Allgemeinbildenden Abschlusses beschult und verlässt die Schule mit einem Förderabschluss. Diese jungen Menschen haben wir ganz besonders im Blick. Und zwar unabhängig davon, ob sie inklusiv oder exklusiv beschult werden. Selbstverständlich sollen auch sie echte Perspektiven am Arbeitsmarkt haben. Falls die CDU mit ihrem Antrag auch auf diese Gruppe zielt, muss ich eins klar sagen: Mit einer Art vereinfachtem Hauptschulabschluss ist diesen Schülern kaum geholfen. Ihnen hilft ein differenzierter Unterricht, der sich an ihren Stärken und Schwächen orientiert und sie möglichst individuell fördert. 

Auch wenn ich dieser Idee insgesamt eher skeptisch gegenüber stehe, ist und bleibt das übergeordnete Thema Übergang-Schule-Beruf ungemein wichtig. Wir müssen uns dringend dafür einsetzen, dass junge Menschen nicht länger an dieser Schnittstelle verloren gehen und echte Chancen bekommen. Wir sollten also auch diesen Ansatz der CDU gründlich im Ausschuss diskutieren. Und dass diese Diskussion auf Grundlage der Ergebnisse der entsprechenden KMK-Arbeitsgruppe am meisten Sinn macht, dürfte allen klar sein.

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