Rede · Lars Harms · 24.09.2021 Ein Signal für mehr Steuergerechtigkeit

„Die Einigung über die Reform ist sicherlich ein richtiger und wichtiger Schritt in Richtung zu mehr Steuergerechtigkeit, aber es muss auch etwas in Deutschland hängen bleiben.“

Lars Harms  zu TOP 34 - Reform der internationalen Unternehmensbesteuerung weiter voranbringen (Drs. 19/3294(neu))

Knapp zwei Jahre ist unsere letzte Plenardebatte zu diesem Thema her. Und nun gibt es endlich ein politisches Signal, das in die richtige Richtung geht: Die OECD und die G20 – insgesamt über 130 Staaten – haben sich auf eine gemeinsame Erklärung über die Reform des internationalen Unternehmenssteuersystems geeinigt. Dass es auf internationaler Ebene mit so vielen Staaten überhaupt zu einer Einigung gekommen ist, ist durchaus bemerkenswert und schon ein Erfolg für sich. Wir hatten die entsprechende OECD-Initiative vor zwei Jahren ja als durchaus „ambitioniert und unterstützenswert“ bezeichnet, aber gleichzeitig auch dafür plädiert, im Zweifel eben auch eine zumindest EU-weite oder sogar eine nationale Lösung ins Auge zu fassen. Wenn nun also doch tatsächlich eine globale Lösung kommt, dann können wir dies als einen richtigen Schritt in Richtung zu mehr Steuergerechtigkeit anerkennen. Allerdings sollten wir diese Einigung auch nicht allzu euphorisch überbewerten, sondern pragmatisch schauen, was letztendlich final formuliert wird und wie sich das dann in der Realität auswirkt. 

Was sieht das vereinbarte Zwei-Säulen-Modell vor? Die „erste Säule“ sorgt dafür, dass die Steuereinnahmen gerechter zwischen den Staaten verteilt werden sollen, sprich: Unternehmen sollen künftig nicht nur in ihrem Heimatland Steuern zahlen, sondern auch da, wo sie gute Geschäfte machen. Betroffen sind hier Konzerne oder deren Geschäftsbereiche, die einen Mindestumsatz von 20 Milliarden Euro und einen Gewinn von zehn Prozent der Erlöse erzielen. Die „zweite Säule“ markiert die globale effektive Mindestbesteuerung, der zufolge jeder Großkonzern mit einem jährlichen Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro künftig einen Mindeststeuersatz auf seine Gewinne von 15 Prozent zahlen soll.

Mit dieser Reform sollen vor allem die ganz großen und hochprofitablen Konzerne dazu verpflichtet werden, endlich ihren gerechten Steueranteil zu zahlen. Dabei geht es insbesondere um die bekannten Tech-Riesen, allen voran Google, Apple, Facebook, Microsoft und Amazon. Diese setzen Milliarden um, zahlen aber fast keine Steuern. Schlupflöcher für digitale Geschäftsmodelle machen es möglich. Stand jetzt können Digitalunternehmen das Steuerrecht unterlaufen, indem sie ihre Steuerzahlungen durch geschickte Gewinnverlagerungen auf ein Minimum reduzieren. So weit, so bekannt, so schlecht. Dies soll künftig möglichst unterbunden werden, indem eben Regelungen gefunden und durchgesetzt werden, die für alle Geschäftsmodelle anwendbar sind – unabhängig davon, welchen Digitalisierungsgrad diese aufweisen.

Ob diese Reform aber nun tatsächlich „der große Wurf“ ist, wird sich erst noch zeigen. Denn die eigentliche Arbeit – die Festschreibung der Details – fängt ja jetzt erst an. Es gibt noch so einige Fragen zu klären. Ein paar Beispiele: Es gibt noch keine gemeinsame Definition des Begriffs „Gewinn“. Auf welcher Bemessungsgrundlage soll die Mindeststeuer erhoben werden? Wie bekommt man eine finale Regelung in den verschiedenen Steuersystemen – allein schon unter den EU-Staaten – durchgesetzt bzw. diese harmonisiert?  Und Ausnahmen – namentlich Staaten, die sich dieser Reform nicht anschließen – wird es ja wohl eh auch weiterhin geben.

In Hinblick auf das Säulenmodell haben sich auch schon einige kritische Stimmen zu Wort gemeldet. So ist unter Säule 1 unklar, ob beispielsweise ein Konzern wie Amazon die Rentabilitätsschwelle erreicht oder sich nicht doch irgendwie herausgerechnet bekommt. Ein Problem bei Säule 2: Wird in einem Land weniger als die vereinbarten 15 Prozent abgeführt, so kann das Land am Sitz des Unternehmens die Differenz nachversteuern. Großer Gewinner wären hierbei wenig überraschend die USA. Für Steuersätze in und für Deutschland ändert sich dagegen womöglich nicht allzu viel; allzu große Zusatzsummen sollte man also vorsichtshalber nicht wittern.

Grundsätzlich stehen wir aber natürlich hinter den Plänen, weil alles, was in diese Richtung überhaupt etwas bewegt, gut und richtig ist. Aber wir sollten realistisch an die Sache herangehen und nun die weiteren Details und Fortschritte abwarten, an denen ja nun bis Mitte Oktober weiter gefeilt werden soll und wir sollten erwarten, dass auch etwas in Deutschland wirklich hängen bleibt. Unser gemeinsamer Antrag sendet jedenfalls ein Signal für mehr Steuergerechtigkeit.

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