Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 18.03.2010 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein. Gesetzentwurf der Volksinitiative „Kinderrechte stärken – Armut bekämpfen“

Kinder sind mit der Geburt Träger von Grundrechten. Trotzdem beschäftigen wir uns hier im Landtag aus gutem Grund wieder mit den Rechten der Kinder und Jugendlichen in unserer Gesellschaft und mit der Verankerung dieser Rechte in der Verfassung. Das dies ein sehr wichtiges Thema ist, ist sicher jedem hier klar: Denn die Praxis zeigt deutlich, dass Kinder und Jugendliche nicht effektiv gegen die Verletzung ihrer Rechte vorgehen und diese einklagen können. Die im vorliegenden Gesetzentwurf enthaltene bekräftigende Klarstellung, nach der Kinder und Jugendliche sehr wohl Grundrechtsträger sind, kann ich daher voll unterstützen. Kinder müssen effektiv vor Armut und Ausbeutung geschützt werden. Sofern die Eltern hierzu nicht in der Lage sind, muss selbstverständlich der Staat diese Aufgabe übernehmen. Doch auch wenn diese Initiative sehr wichtig ist, muss ich an diesem Punkt trotzdem die skeptische Haltung des SSW zur Aufnahme immer neuer Staatszielbestimmungen in die Landesverfassung betonen.

Eins ist klar: Eine Konkretisierung von Kinderrechten durch eine Änderung der Landesverfassung löst das Problem der Kinderarmut ganz sicher nicht. Die Tatsache, dass sich Gerichte in ihrer Rechtsprechung auf diese Rechte in der Verfassung berufen, wird kaum zu großen Veränderungen in der Praxis führen. Diese Initiative ist als ein Schritt in die richtige Richtung und als weitere Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention durchaus zu begrüßen und zu unterstützen. Sie dient im Idealfall als Fundament für weitere, konkretere Maßnahmen, indem sie den explizit genannten öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften einen Handlungsauftrag erteilt. Doch dieser Auftrag muss auch angenommen und das Problem der Kinderarmut in seinem vollen Umfang und als bedeutendes gesellschaftliches Problem behandelt werden.

Die aktuellen Zahlen zur Entwicklung der Kinderarmut sind erschreckend: Rund 2,4 Millionen Kinder in Deutschland sind armutsgefährdet. Ein Wert, der einfach nur beschämend ist. Mag es nun jedes 5. oder 6. Kind sein, das von einem Armutsrisiko betroffen ist. Es bedeutet ganz einfach, dass eine viel zu hohe Zahl von Kindern nicht die Möglichkeit hat, ein Leben zu führen und sich in dem Maße zu verwirklichen, wie sie es sich wünschen. Zur Bekämpfung dieses komplexen Problems reicht es ganz sicher nicht, geringfügige Erhöhungen des Kindergelds vorzunehmen um letztlich nicht viel mehr als das körperliche Überleben der Bedürftigen zu sichern. Mit finanziellen Mitteln allein bekommen wir dieses Problem nicht in den Griff. Nicht nur der Erhalt der physischen Existenz ist in diesem Zusammenhang maßgebend. Auch und vor allem das soziokulturelle Existenzminimum, eine der Würde des Menschen entsprechende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, muss abgesichert sein.

Wir müssen klare Ziele zur konkreten Umsetzung von Kinderrechten und zur Verminderung von Armutsrisiken formulieren und auch umsetzen. Dort wo es diese gibt, wie zum Beispiel im Bereich der kostenlosen gesundheitlichen Vorsorgeuntersuchungen für alle Kinder, gibt es ganz offensichtlich weiterhin Bedarf, diese Ziele auch mit Nachdruck zu verfolgen. Auch das Ziel einer echten Verbesserung im Bereich der Kinderbetreuungseinrichtungen will ich hier nennen. Denn insbesondere Alleinerziehende finden oftmals keine Existenz sichernde Beschäftigung, und ihre Kinder sind in der Folge einem überproportionalen Armutsrisiko ausgesetzt.

An dieser Stelle möchte ich die Kollegen von CDU und FDP gerne an ihre Wahlversprechen zu diesem Thema erinnern. Es muss allen klar sein, dass Kinderrechte nach wie vor mehr umfassen als den bloßen Schutz vor Armut, Gewalt und Vernachlässigung. Und gerade weil es bedauerlicherweise in vielen Fällen nicht einmal gelingt, diese grundlegendsten Rechte sicherzustellen, müssen dieser Initiative dringend Handlungen folgen. Die Teilhabe der Kleinsten in unserer Gesellschaft muss ein ebenso wesentliches Gebot sein, wie die stärkere Berücksichtigung des sozialen Existenzminimums. Sonst bleibt die Zustimmung zur vorliegenden Gesetzesänderung nur ein rein symbolischer Akt, ohne konkrete Verbesserungen für die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen in unserem Land.

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