Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 10.05.2001 Erbschaftssteuer

Vor einigen Wochen legte die Bundesregierung erstmals einen Armutsbericht vor. Uns allen ist der Inhalt des Berichts bekannt: Trotz der eher positiven Konjunktur ist die Zahl der Armen - insbesondere, die der Kinder, die von Sozialhilfe leben müssen – weiter angestiegen. Gleichzeitig hat auch die Zahl der Millionäre stark zugenommen. Das heißt: Auch unter einer rot-grünen Bundesregierung wächst die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland. Diese Entwicklung ist sehr bedauerlich, aber wirklich überrascht hat das wohl keinen, denn die ökonomischen Gesetze folgen dieser Logik.

Umso wichtiger ist es aber, dass von staatlicher Seite entgegengesteuert wird. Neben einer aktiven Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ist die Steuerpolitik eine Möglichkeit, um für einen gerechten Ausgleich zwischen den Einkommensstarken und Einkommensschwachen in unserer Gesellschaft zu sorgen. Die alte Bundesregierung hatte 1996 die Vermögenssteuer abgeschafft, weil die Ausgestaltung der Steuer vom Bundesverfassungsgericht als nicht verfassungskonform angesehen wurde. Dadurch entgingen Bund, Ländern und Kommunen zwischen 3 bis 4 Mia. DM jährlich. Während also die Vermögenden entlastet worden sind, tragen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Lohnsteuer weiterhin den weitaus größten Teil der Steuerlast.

Obwohl die Parteien der jetzigen Bundesregierung noch im Wahlkampf die Wiedereinführung einer verfassungskonformen Vermögenssteuer forderten, haben sie es bisher unterlassen, ihre Wahlkampfversprechen einzulösen. Stattdessen haben jetzt fünf sozialdemokratisch geführte Landesregierungen mit Schleswig-Holstein an der Spitze über den Bundesrat versucht, eine Erhöhung der Erbschaftssteuer einzuführen. - Immerhin ein Versuch, über die Steuerpolitik einen - wenn auch kleinen - sozialen Ausgleich zu schaffen.

Der Gesetzentwurf zur Reform der Erbschaftssteuer sah vor, die Berechnungsgrundlage für Häuser und Firmengebäude so anzuheben, dass sie nach demselben Maßstab wie unbebaute Grundstücke bewertet werden. Bereits 1995 hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Bewertung von Grundbesitz mit Einheitswerten einerseits sowie des sonstigen Vermögens mit Verkehrswerten andererseits mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Durch großzügige Freibeträge sollte verhindert werden, dass das viel zitierte „Häuschen der alten Oma“ oder der kleine Unternehmer bei der Weitervererbung von dieser Steuererhöhung betroffen werden.

Der erste Vorschlag für die vorgesehenen höheren steuerlichen Wertansätze für bebaute Grundstücke hätte zu Steuermehreinnahmen der Bundesländer von ungefähr 640 Mio. DM ab 2003 geführt. Aber schon dieser Vorschlag war nicht so nach dem Geschmack weder der CDU noch der führenden Sozialdemokraten im Bund und in Nordrhein-Westfalen. Deshalb schlug Schleswig-Holstein eine Modifizierung des Steuertarifes vor, so dass die Steuersätze bei der Erbschaftssteuer um jeweils einen Prozentpunkt abgesenkt werden sollten. Letztlich hätte das die Steuermehreinnahmen bundesweit auf 500 Mio. DM reduziert. Für Schleswig-Holstein würden bei diesem Rechenbeispiel nur knapp 15 Mio. DM Mehreinnahmen übrigbleiben.

Aber auch dieser Vorschlag führte zu Kritik bei der Opposition und - wie man sieht - auch bei der Bundesregierung. Und nun also hat der Bundeskanzler beschlossen, die Erhöhung der Erbschaftssteuer auf zwei Jahre zu verschieben. Es ist auch sicherlich nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Erhöhung der Erbschaftssteuer - insbesondere bei der Vererbung von Betriebsvermögen einschließlich eines Betriebsgrundstückes - nicht unproblematisch ist. Der Freibetrag für Einfamilienhäuser ist für Schleswig-Holstein zwar sicherlich angemessen, aber in den südlichen Bundesländern, wo die Grundstücke viel höher bewertet werden, sieht es anders aus.
Für den SSW bleibt das Fazit: Statt einer komplizierten Erhöhung der Erbschaftsteuer, die vielleicht doch die Falschen trifft, sollte man lieber ernsthaft daran gehen, wieder eine verfassungskonforme Vermögenssteuer einzuführen. Wir meinen, dass die Bundesregierung in dieser Frage weiterhin eine Bringschuld hat und hoffen, dass dieses Thema zumindest im nächsten Bundeswahlkampf wieder eine Rolle spielen wird.

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