Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 01.07.2011 Fortschreibung des Psychiatrieplanes

Wer im Kreis Rendsburg-Eckernförde wohnt und sich informieren möchte über die hiesigen Unterstützungsangebote bei eigener psychischer Erkrankung oder die einer Freundes oder Familienmitgliedes, der ist erst einmal aufgeschmissen. Denn die Erstellung eines psychosozialen Wegweisers mit Adressen, Sprechstunden und Erreichbarkeit scheiterte an fehlenden Mitteln. Einen aktuellen psychosozialen Wegweiser gibt es in Rendsburg-Eckernförde nicht.
Diese Information ist den Unterlagen zu unternehmen, den den Sozialausschuss im Zusammenhang mit dem Novellierungsantrag zum Psychiatrieplan erreichten. Die Stellungnahmen waren insgesamt sehr aufschlussreich und zeigten durchgängig, dass eine Evaluierung der Regionalisierung im Bereich der Psychiatrie und eine Bestandaufnahme der Einrichtungen von allen Experten befürwortet wurde.
Die Aktualisierung des Psychiatrieplanes ist also objektiv gegeben; einmal ganz abgesehen von der Tatsache, dass die psychischen Erkrankungen zugenommen haben.
Die Regierungsfraktionen lehnen eine Bestandsaufnahme aber kategorisch ab und wollen stattdessen auf Grundlage veralteter Strukturen und Zahlen weiterwursteln lassen. Damit werfen sie Schleswig-Holstein genau dorthin, wo es vor dem aktuellen Psychiatrieplan 2000 schon einmal war: ans Ende der bundesdeutschen Psychiatrieentwicklung.
Das ist keine Frage des Prestiges, sondern eine Frage der patientengerechten Versorgung. Das zeigen bereits die langen Wartelisten für psychisch Kranke. Laut Bundestherapeutenkammer beträgt die Wartezeit auf ein Erstgespräch in Schleswig-Holstein über 14 Wochen – das ist der allerhöchste Wert in Westdeutschland. Ein trauriger Rekord. Die unabhängige Patientenberatung beklagt Wartezeiten von einer Dauer bis zu einem Jahr in Schleswig-Holstein.
Was tun, um diese enormen Wartezeiten zu überbrücken? Selbsthilfegruppen könnten hier effektive Unterstützung leisten, wenn sie in den letzten Monaten nicht kaputt gespart worden wären. Also: Griff in den Medikamentenschrank zu den Psychopharmaka. Die Techniker-Krankenkasse Schleswig-Holstein hat errechnet, dass bei ihren Patienten das Verordnungsvolumen von Antidepressiva in den Jahren 2006 bis 2009 um 48 Prozent von 5,1 auf 7,5 Tagesdosen je Erwerbsperson gestiegen sei. Geht das so weiter, wird sich das Verordnungsvolumen bereits im nächsten Jahr verdoppelt haben.
In Schleswig-Holstein macht man ohne aktuelle Fortschreibung einfach so weiter wie gehabt und ignoriert die sich rapide verändernden Rahmenbedingungen. Handlung ohne Plan und Wissen: das ist das krasse Gegenteil von geordneter Sozialplanung. Wir leisten uns einen sehr teuren Blindflug, weil wir nicht wissen, ob die eingesetzten Mittel sachgerecht eingesetzt werden. Psychopharmaka sind nämlich teuer und - die Verordnungsexplosion legt es zumindest nahe - eine vermeidbare Alternative. Gäbe es ausreichende Therapieangebote, könnte man sich diese Ausgaben sparen.
Die Regierungsfraktionen sind dagegen durchaus zufrieden mit Struktur, regionaler Verteilung, Regionalisierung der Angebote und deren Vernetzung. Wäre es nicht so, müssten sie sich den Oppositionsparteien anschließen und eine detaillierte Analyse der psychiatrischen Angebote fordern. Stattdessen geben die Regierungsfraktionen den Reiter über den Bodensee und ignorieren das brüchige Eis der Tatsachen. Bloß nicht wahrnehmen, welche Fehlentwicklungen sich im Land abzeichnen; und immer schön weiter reiten.
Übrigens, der Reiter in der Ballade von Gustav Schwab ist, nach seiner verwegenen Tat, tot vom Pferd gefallen.

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