Rede · 19.06.2003 Gemeindefinanzreform

Nichts zuletzt die letzte Steuerschätzung Anfang Mai hat erneut die katastrophale Finanznot der Kommunen deutlich gemacht. Laut den deutschen Städtetag befinden sich die Kommunen in der schwersten Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik. Betroffen sind mittlerweile bundesweit nicht nur strukturschwache, sondern auch viele andere Städte – mit sichtbaren Folgen für die Bürgerinnen und Bürger. Obwohl sie ihre Ausgaben mit einem strikten Sparkurs seit Jahren in Schach halten, rutschen immer mehr Kommunen angesichts sinkender Einnahmen und steigender Ausgaben in einem chronischen Defizit hinein.

Der Landesrechnungshof hat bei der Vorstellung seines Kommunalberichts 2003 deutlich gemacht wie ernst die Lage auch für die schleswig-holsteinischen Kommunen bereits ist. Nach einer leichten Erholung in den Jahren 1999 und 2000 hat sich die finanzielle Situation der Kommunen in Schleswig-Holstein nach Ansicht des Landesrechnungshofes in den letzten zwei Jahren wieder deutlich verschlechtert.

Als Folge dieser Entwicklung ist neben rückläufigen Investitionsausgaben eine Zunahme der Kreditfinanzierungen und damit ein weiterer Anstieg der Verschuldung festzustellen. Immer weniger kreisfreien Städte und Kreise haben überhaupt noch einen freien Finanzspielraum. Von den anderen Gebietskörperschaften konnten vielen ihren Haushalt nur über Rücknahmeentnahmen oder außerordentlichen Veräußerungen ausgleichen.
Hauptursache der finanziellen Probleme ist der dramatischen Ausfall der Steuereinnahmen in den letzten Jahren bei gleichzeitig steigenden Kosten insbesondere der Sozialausgaben. Die Ursache ist nicht nur in der schwachen Konjunktur, sondern auch in der verfehlten Unternehmenssteuerreform aus dem Jahre 1999 und den Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes 2001 zu suchen.

Sowohl die Körperschaftsteuer- und die Gewerbesteuererträge der Kommunen brachen danach massiv ein. Wesentliche Ursache sind also auch die Verschiebebahnhöfe, über die Bund und Länder Ausgaben auf die Kommunen abwälzen und die Steuern zu deren Lasten umverteilen. Der Anteil der Kommunen an den gesamten Steuereinnahmen ist von 14,0% im Jahre 1980 auf 11,9 % im Jahr 2002 gesunken und wird 2003 weiter zurückgehen. Das hat auch die Bundesregierung erkennen müssen und zur Zeit berät eine Arbeitgruppe in Berlin über eine Gemeindefinanzreform, die zum 1.1.2004 in Kraft treten soll.

Dabei stehen sich in dieser Arbeitsgruppe grundsätzlich zwei verschiedenen Fraktionen mit unterschiedlichen Lösungsansätze gegenüber. Zum einen die kommunalen Spitzenverbände, die eine Modernisierung der Gewerbesteuer und eine Zusammenlegung der Sozial- und Arbeitshilfe befürworten. Zum anderen die Wirtschaftsverbände, die die Gewerbesteuer am liebsten ganz abschaffen würden und mit einer Erhöhung des kommunalen Anteils an der Einkommenssteuer ersetzen wollen.

Die Landesregierung und auch die regierungstragenden Fraktionen unterstützen in dieser Frage eindeutig die Forderung der kommunalen Spitzenverbände nach einer Modernisierung der Gewerbesteuer. Das geht aus dem vorliegenden Antrag hervor, denn auch der SSW unterstützen kann, weil wir jetzt einfach kurzfristig schnelle finanzielle Hilfe für die Kommunen brauchen.

Der Kernpunkt der vorgeschlagenen Modernisierung ist zum einen eine Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen durch die Einbeziehung aller Selbstständigen in die Gewerbesteuer. Wichtig ist dabei allerdings, dass das kleine Betriebe, Existenzgründer und Freiberufler durch Freibeträge und Teilanrechnungen der Gewerbesteuer auf die Einkommenssteuer nicht über Gebühr belastet werden sollen. Das ist natürlich ein entscheidender Punkt, denn wir brauchen ja gerade diese Unternehmer um neue Arbeitsplätze und neues Wachstum zu schaffen.

Zum anderen wird vorgeschlagen, dass die Bemessungsgrundlage durch konjunkturunabhängige Gewerbesteuereinnahmen verbreitert werden soll. Hier ist an einer Hinzurechnung sämtlicher Zinsen und Zinsanteile der Mieten, Pachten und Leasingraten auf dem Gewerbeertrag gedacht. Ich muss zugeben, dass wir diesen Teil des Modells in der SSW-Landtagsvertretung sehr intensiv diskutiert haben. Denn diese konjunkturunabhängigen Gewerbesteuerelemente dürfen auf keinen Fall dazu führen, dass kleinere und mittlere Unternehmen, die in einem Jahr wegen einer schlechteren Konjunktur weniger verdienen, zum Konkurs gebracht werden.

Aber auch in diesem Bereich sollen die kleineren Betriebe durch angemessenen Freibeträge – von 25.000,-€ Zinsen pro Jahr ist die Rede – geschützt werden. Wichtig ist auch, dass dieses Element eingeführt wird damit insbesondere Großunternehmen, die ihre Gewinne heute steuerlich klein rechnen können, in Zukunft realistischer besteuert werden. Es gibt leider zu viele Beispiele von angesehenen Konzerne, die an den Kommunen ihrer Hauptsitze trotzt guter Bilanzjahre keinen Pfennig Gewerbesteuer mehr bezahlen. Das kann nicht angehen und hat mit Steuergerechtigkeit wenig zu tun.

Obwohl die Bundesregierung im Prinzip das Modell der Kommunen unterstützt ist gerade die For-derung nach eine konjunkturunbhängigen Gewerbesteuer immer noch umstritten. Wirtschaftsminister Clement ist dagegen und es ist noch unsicher wie sich die Bundesregierung am Ende entscheiden wird. Von daher ist es schon wichtig, dass der schleswig-holsteinische Landtag mit seinen Entschließungsantrag, die Kommunen in dieser Frage unterstützt.

Auch die letzte wichtige Forderung, nämlich die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbsfähige um die Kommunen auch finanziell zu unterstützt, wird vom SSW befürwortet. Die Kosten der Sozialhilfe sind in den Kommunen in den letzten Jahren geradezu explodiert. Dabei ist es nicht einzusehen, dass die Städte, Kreisen und Gemeinden die Hauptlast dieser negativen Entwicklung tragen müssen. Eine finanzielle Entlastung der Kommunen in diesem Bereich ist also von Nöten.

Das andere Argument warum Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammengelegt werden sollten, ist natürlich, dass die Vermittlung und Qualifizierung dieser beiden Arbeitslosengruppen in eine Hand gelegt werden soll. Die Kehrseite der Medaille bleibt natürlich die Frage auf welchen Niveau dann die Leistungen nach der Zusammenlegung für diese Gruppen erfolgen soll.

Der SSW lehnt auf jeden Fall ein Modell ab, dass vorsieht die Höhe der Transferleistungen auf dem Niveau der heutigen Sozialhilfe abzusenken. Das ist für Menschen die jahrelang in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben einfach nicht tragbar. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

Wir können also die Zielrichtung dieses Antrages unterstützen, weil es wichtig ist kurzfristig den Kommunen zu helfen. Aber langfristig sollten man sich über weitere zukunftsfähige Modelle Gedanken machen. Denn auch durch diese neue Gemeindefinanzreform bleiben die Einnahmen der Kommunen zum überwiegenden Teil abhängig durch Entscheidungen auf der Bundesebene.

Der SSW hat vor einigen Wochen eine Veranstaltung durchgeführt, wo wir uns über ein solches Zukunftsmodell informiert haben. Die angesehene Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh hat einen Vorschlag zur Gemeindefinanzreform gemacht, dessen Kernstück die Einführung einer kommunalen Bürgersteuer ist - nicht als zusätzliche Steuer, sondern an Stelle des bisherigen kommunalen Anteils an der Einkommenssteuer. Dazu sollen eine modernisierte Gewerbesteuer und die Grundsteuer zur Finanzierung der kommunalen Aufgaben herangezogen werden.

Aus Sicht des SSW ist dieses natürlich auch ein interessanter Ansatz, weil er dem dänischen Modelle mit einem eigenen Einkommenssteuerhebesatz für die Kommunen sehr ähnelt. Der Vorteil einer solchen kommunalen Bürgersteuer liegt in einmal in der Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger, die genau sehen können wofür sie ihre Steuern zahlen und zum anderen in der Flexibilität, weil die kommunalen Steuersätze je nach Aufgabenstellung der jeweiligen Situation sich von den kommunalen Vertretern verschieden gestalten lassen. Ich kann Ihnen allen nur empfehlen sich mal den Vorschlag für eine Gemeindefinanzreform von der Bertelsmann-Stiftung anzusehen. Vielleicht werden wir uns in einigen Jahren damit wieder auseinandersetzen können.

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