Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 27.01.2006 Gemeinsame Servicestellen gemäß SGB IX

Als die Gesetzgebung für Menschen mit Behinderungen vereinheitlicht und zusammengeführt wurde, war das die Geburtsstunde für die so genannten „gemeinsamen Servicestellen“. Statt von Pontius zu Pilatus wegen Leistungen, Anträgen oder Rentenansprüchen laufen zu müssen, sollten zukünftig die Servicestellen alles aus einer Hand erledigen. Soweit die Theorie der trägerunabhängigen Beratung an einem Ort. Doch die Praxis sieht anders aus: Dr. Ulrich Hase hat als Landesbehindertenbeauftragten in seinem jüngsten Bericht auf die unzureichende Reichweite der Gemeinsamen Servicestellen hingewiesen. Dankenswerterweise haben die Kollegen der Grünen Fraktion die Anmerkungen vom April jetzt noch einmal in Erinnerung gerufen.

Die bereits seit mehreren Jahren tätigen Servicestellen sind weitgehend unbekannt. Was man nicht kennt, kann man natürlich auch nicht um Unterstützung bitten. Die Servicestellen führen ein Schattendasein. Der SSW möchte diese Situation ändern!

Ich habe mir mal den Spaß gemacht und im Archiv des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages nachgeschaut, wie oft über die Arbeit der gemeinsamen Servicestellen berichtet worden ist: im letzten Jahr gerade einmal – und zwar über die Eröffnung der neuen Servicestelle in Bad Oldesloe. Tue Gutes und sprich darüber! Solange die Servicestellen nicht offensiv die Öffentlichkeit suchen, wird sich an ihrer Unbekanntheit kaum etwas ändern.

Ich würde es begrüßen, wenn zumindest die Öffnungszeiten im regelmäßigen Terminteil der Zeitung auftauchen würden. Das wäre zumindest ein Anfang. Aber es muss auch noch darüber hinaus mehr über diese Stellen informiert werden. Hier sind die Träger der Stellen in der Verantwortung – dann kommt die Kundschaft sicherlich auch, denn es gibt genügend Betroffene, die die dort angebotenen Hilfestellungen dringend benötigen. Vielerorts gibt es betroffene, die nicht wissen, an welche Träger oder Institutionen man sich wenden muss, um eine vernünftige Planung hinzubekommen, damit ihnen oder ihren Angehörigen besser geholfen werden kann. Und oft gibt es auch das Problem, dass man gar nicht weiß, welche rechte man hat oder wie man diese rechte einfordern kann. Es gibt also genügend Betätigungsfelder und genügend bedarf. Deshalb gehen wir im ersten Moment auch davon aus, dass der mangelnde Bekanntheitsgrad der Servicestellen eine Hauptursache für die schlechte Frequentierung ist. Mangel an Arbeitsfeldern gibt es jedenfalls nicht.

Die Landesregierung muss aber auch ihre Hausaufgaben machen. Zu allererst muss eine Evaluation geschehen: Warum wenden sich so wenig Menschen an die Servicestellen? Kennt man die genauen Gründe, kann man eventuell bestehende Probleme leicht aus dem Weg räumen. Könnte es sein, dass die Konkurrenz der Träger für Rehabilitation der Arbeit der Gemeinsamen Servicestellen nicht gerade gut tut? Wer weist schon gerne auf die Konkurrenz hin, wenn es um die allgemeine übergreifende Beratung geht? Da übernimmt man diese Funktion als Leistungserbringer möglicherweise doch lieber selbst – auch wenn damit keine Hilfe aus einem Gruß verbunden sein sollte. Solche Vermutungen kann man auf jeden Fall anstellen und deshalb sollte dies auch ernsthaft untersucht werden.

Bei der Anhörung im Bundestag vor nunmehr eineinhalb Jahren (13.10.2003) waren sich zwar alle einig, dass die Servicestellen zu selten genutzt werden, aber auch dort wurde über die Gründe nur spekuliert. Dabei liegen aus einigen Bundesländern sehr ermutigende Erfahrungen vor: In Brandenburg hat eine intensive Konsultation mit den Behindertenverbänden die Arbeit der Servicestellen nicht nur bekannter gemacht, sondern auch die Qualität der Beratung verbessert. Das könnte also auch ein Weg für uns sein.

Wir brauchen solide Antworten. Der SSW fordert daher die Landesregierung auf, noch in diesem Jahr die Arbeit der Servicestellen zu untersuchen und dann die Ergebnisse mit den Verbänden zu diskutieren. Nur so können zufrieden stellende Lösungen gefunden werden und die Nutzung der Servicestellen verbessert werden. Bis dahin fordere ich die Servicestellen bzw. die Rehabilitationsträger auf, die Öffentlichkeitsarbeit der Servicestellen zu intensivieren.

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