Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 31.05.2001 Große Anfrage zum ÖPNV in Schleswig-Holstein

Insgesamt 94 ÖPNV-Unternehmen gibt es in Schleswig-Holstein. Bisher sind alle mehr oder weniger regional eingebunden. In Zukunft wird es so sein, dass diese Unternehmen auf einem geöffneten Markt konkurrieren werden. Und dieses nicht nur untereinander sondern auch auf europäischer Ebene. Zur Zeit gibt es nur wenige ausländische Betreiber und Investoren in diesem Bereich, aber es werden mit Sicherheit in Zukunft mehr werden. Wenn man die 94 hier tätigen Unternehmen in Relation zu den 5.644 Beschäftigten in diesem Bereich setzt, kommt man auf eine Durchschnittgröße der Unternehmen von rund 60 Beschäftigten pro Unternehmen.

Hierdurch wird deutlich, dass es sich bei unseren Unternehmen nicht um Großkonzerne sondern oftmals um kleine und mittelständische Unternehmen handelt. In der großen Ausschreibungswelle die über den ÖPNV-Sektor, und hier vor allem über den Busverkehr, hereinbrechen wird, werden möglicherweise viele dieser kleinen und mittleren Betriebe in ihrer Existenz gefährdet werden. Dies wird aus der Antwort auf die Große Anfrage der Grünen nicht so deutlich, wie ich es mir wünschen würde.

Natürlich zahlen alle Unternehmen nach einem bestimmten Lohntarif. Aber schon innerhalb Schleswig-Holsteins und innerhalb einzelner Regionen werden unterschiedliche Tarife von Unternehmen zu Unternehmen gezahlt. Denkt man nun an einen europaweiten Wettbewerb, so ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass noch weitere Lohntarife hinzukommen.

Schon jetzt ist, wie die Große Anfrage deutlich macht, mit einem erheblichen Preisdruck und damit auch mit einem erheblichen Druck auf die Lohntarife zu rechnen. Öffentliche Verkehrsbetriebe haben schon mit Lohnsenkungen reagiert, um wettbewerbsfähig zu bleiben und wie man auf Seite 21 lesen kann, schlägt das Land in seinen Ausschreibungsempfehlungen vor, den Tarifvertrag für das private Omnibusgewerbe als Untergrenze vorzusehen. Nebenbei bemerkt möchte ich allerdings darauf hinweisen, dass dieser Tarif nicht gerade als der fortschrittlichste in der Branche gilt. Man spürt also jetzt schon den Druck des Marktes.

Trotzdem zieht die Landesregierung die durchaus richtige Schlussfolgerung, das ein fester Lohn- und Manteltarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werden muss. Dies ist in der Praxis gegenwärtig leider noch nicht der Fall.

Die Lösung wäre, einen vor Ort gültigen Lohntarif festzuschreiben auf dessen Basis alle Bewerber konkurrieren. Dies würde nicht nur den sozialen Standard der Beschäftigten im ÖPNV vor Ort absichern, sondern auch den betroffenen Unternehmen und Verkehrsgemeinschaften die Möglichkeit eröffnen, zu gleichen Bedingungen am Markt zu konkurrieren. Somit hätten alle eine Chance und niemand würde schon im Vorwege unter die Räder geraten.

Dies ist auch die Zielrichtung, die wir mit unserem Gesetzentwurf für ein Landes-Vergabegesetz verfolgen, den wir ja noch heute Nachmittag behandeln werden. Insofern sind wir dankbar, dass die Große Anfrage noch einmal deutlich macht, wie wichtig und notwendig schnelle Maßnahmen in diesem Bereich sind.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass sowohl die Gewerkschaften als auch die Verbände der Verkehrsunternehmen fordern, die Vergabe von Aufträgen im Rahmen von Ausschreibungen an die Tariftreue und andere Ziele zu koppeln. Auch der Vorschlag der EU-Kommission zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungen im Personenverkehr, auf den ausführlich in der Großen Anfrage eingegangen wird, basiert auf diesen Forderungen. Ob die Verordnung nun wortgleich in der aktuellen Fassung umgesetzt wird oder ob noch Änderungen vorgenommen werden, wie es der Bundesrat wünscht - der Tenor wird gleich bleiben: Es besteht das Ziel einen kontrollierten Wettbewerb zu erhalten, in dem die Tariftreue festgeschrieben und andere wirtschaftliche und soziale Standards abgesichert sind.

Genau das wollen wir mit unseren Gesetzentwurf erreichen. Mehr dazu aber heute Nachmittag.

Es geht ja in der Großen Anfrage nicht nur um die einzelnen Verkehrsunternehmen sondern auch - wenn auch nur recht kurz - um die für die Attraktivität des Öffentlichen Personennahverkehrs notwendigen Infrastrukturmaßnahmen. Straßenbaumaßnahmen bergen natürlich auch immer den Effekt, dass auch der Individualverkehr hiervon profitiert und so eine Stärkung des ÖPNV nicht so einfach nachweisbar ist. Aber trotzdem glaube ich, dass sich manch ein qualitativer Ausbau des Straßennetzes auch positiv auf den ÖPNV auswirken kann.

Deutlicher werden die Verbindungen zwischen ÖPNV und Infrastrukturmaßnahmen aber vor allem bei der Verbesserung der Schienenanbindung. Ich gehe davon aus, dass wir es wirklich schaffen in den nächsten Jahren, vielleicht schon 2002/2003, einen Integrierten Taktfahrplan für Schleswig-Holstein auf der Bahn einzuführen. Selbstverständlich werden dann auch die Busfahrpläne und somit der ÖPNV auf diesen Taktfahrplan ausgerichtet werden. Gerade dann kommt den Infrastrukturmaßnahmen bei der Bahn eine erhebliche Bedeutung zu. Nur wenn das Angebot der Bahn attraktiv genug ist, wird man auch den mit der Bahn verbundenen ÖPNV optimal nutzen können und wollen.

Deshalb sind Verbesserungen der Bahninfrastruktur dringend erforderlich. Ich nenne als Beispiele den Ausbau der Verbindung von Niebüll nach Tondern, aber auch die Beseitigung der derzeitigen Langsamfahrstrecken auf der Rendsburger Hochbrücke und auf der Hochdonner Hochbrücke. Hier muss schnell und vordringlich gehandelt werden.

Nun zu etwas völlig anderem. Unter Frage 18 wird auf die Finanzierung des Schülerverkehrs eingegangen. Es wird festgestellt dass die Schülerbeförderung laut Schulgesetz zu zwei Dritteln von den Kreisen und zu einem Drittel von den Schulträgern und damit von den Kommunen getragen wird. Was fehlt, ist eine Aussage zur Finanzierung des dänischen Schülerverkehrs im Landesteil Schleswig. De facto ist es so, dass die Kreise für den gesamten Schülerverkehr der dänischen Schüler nicht die vollen zwei Drittel zahlen und sich auch die Gemeinden zu einem erheblichen Teil nicht an den Kosten beteiligen, wie sie es ansonsten bei den öffentlichen Schulen über die Schulverbände tun.
Hier besteht immer noch Handlungsbedarf beim Landesgesetzgeber. Ich finde, es hätte der Landesregierung gut angestanden, kurz auf diese Finanzierungsproblematik im Rahmen der Großen Anfrage einzugehen. Zumal gerade der Dänische Schulverein sich in der Vergangenheit sehr darum bemüht hat, seine Schülerverkehre in den Linienverkehr zu integrieren und so den ÖPNV zu stärken, was bestimmt nicht immer leicht war.

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