Rede · Lars Harms · 15.06.2023 In Zukunft müssen alle Bürger über Steuern zum Sozialwesen beitragen

„Allein die für 2024 angekündigte Beitragserhöhung in der GKV ist in diesen Zeiten ein schwieriges Signal“

Lars Harms zu TOP 19 - Keine zusätzliche finanzielle Belastung der Versicherten (Drs. 20/1030 (neu))

Laut Bundesgesundheitsminister Lauterbach bleibt das Versprechen der gesetzlichen Krankenversicherung auch in Krisenzeiten erhalten. Mit dem jüngst verabschiedeten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sollen trotz des historisch großen Defizits Leistungskürzungen verhindert und ein nur moderater Anstieg der Zusatzbeiträge erreicht werden. Doch das, was als eine Art Beruhigungspille verkauft wurde, gibt nicht nur viel Anlass zu Kritik, sondern auch zur Sorge. Denn es deutet sich längst an, dass die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung eben doch über Gebühr belastet werden. Und damit zeigt sich leider auch, dass die dringend nötige Reform der Finanzierungsstrukturen und eine wirklich nachhaltige Finanzierung in der GKV auf die lange Bank geschoben wurde. 
Es ist bekannt, dass schon für das kommende Jahr wieder ein Defizit in der Finanzierung erwartet wird. Laut GKV-Spitzenverband liegt die Lücke zwischen 3,5 und 7 Milliarden Euro. Wenn nicht etwa noch anderweitig gegengesteuert wird, zahlen allein die Beitragszahler die Rechnung. Entsprechendes hat der Bundesgesundheitsminister ja gerade auch verkünden müssen. Eine Erhöhung des Steuerzuschusses wird es mit dem FDP-Finanzminister offenbar nicht geben. Und so wird der durchschnittliche Zusatzbeitrag schon bald zwischen 0,2 und 0,4 Prozentpunkten steigen. Und dass in einer Zeit, in der viele Menschen nicht einmal wissen, wie sie die Dinge des täglichen Bedarfs bezahlen sollen. Wir sind uns sicher darüber einig, dass es keine Kürzungen irgendwelcher medizinischer Leistungen geben soll. Aber aus Sicht des SSW ist allein diese anstehende Erhöhung der Versichertenbeiträge zur Krankenversicherung ein wirklich schwieriges Signal. 
Vor diesem Hintergrund sollte eigentlich völlig selbstverständlich sein, dass es keine zusätzliche finanzielle Belastung der Versicherten geben darf. Vorschläge wie erhöhte Eigenbeteiligungen bei Krankenhausaufenthalten oder Medikamenten oder sogar die Wiedereinführung der Praxisgebühr sind aus unserer Sicht wirklich fehl am Platz. In Zeiten multipler Krisen und großer Unsicherheit ist es der völlig falsche Weg, Barrieren für den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu schaffen. Denn damit verstärkt man im Zweifel nur die sozial bedingten Ungleichheiten von Gesundheitschancen. Es ist doch kein Geheimnis, dass gerade diejenigen, die Arm oder von Armut bedroht sind, häufiger unter Übergewicht leiden, häufiger rauchen und weniger Sport treiben und damit eben auch öfter erkranken. Und gerade diese Menschen werden dann im Zweifel dazu gezwungen, an ihrer Gesundheit zu sparen. Das wäre eine absolut verfehlte Politik und geht aus Sicht des SSW gar nicht. 
Gleichzeitig dürfen wir natürlich nicht die Augen davor verschließen, dass die Gesundheitskosten stetig steigen. Diese Entwicklung ist auch ohne die vielen Ungerechtigkeiten und Fehlanreize im Gesundheitswesen logisch. Unsere Gesellschaft wird nun mal immer älter und demenzielle Erkrankungen oder Diabetes werden uns schon sehr bald viele zusätzliche Milliarden jährlich kosten. Umso wichtiger ist es, dass alle gleichermaßen an der Finanzierung des medizinischen Fortschritts beteiligt werden. Und umso wichtiger ist auch, dass wir zu einer wirklich solidarischen und eben dauerhaft tragfähigen Finanzierung der Gesundheitsversorgung kommen. Und deshalb führt für uns langfristig kein Weg an der Bürgerversicherung vorbei. Die stärksten Schultern müssen endlich auch die größten Lasten tragen. In Zukunft müssen alle Bürger über Steuern zum Sozialwesen beitragen. Nach meiner Auffassung ist und bleibt es eine Kernaufgabe des Staates, auch an all die Menschen zu denken, die keine starke Lobby haben und unsere Unterstützung brauchen.

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