Rede · 26.01.2000 Informationsfreiheitsgesetz

Unsere parlamentarische Demokratie hat es schwer in diesem Tagen. Das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger ist auf einem Tiefpunkt angelangt. Dieses Vertrauen mühevoll zurückzugewinnen liegt eigentlich in den Händen anderer. Wir können aber einen Beitrag dazu leisten, zu zeigen, dass die Demokratie noch lebt. Wir haben gerade dafür gesorgt daß die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf Schutz ihrer informationellen Selbstbestimmung auf die Höhe der Zeit gebracht wurde. Gleich werden wir hoffentlich beschließen, dass die Bürgerinnen und Bürger das neue, zeitgemäße Recht erhalten, Zugang zu jenen Informationen zu bekommen, die Grundlage für die Ausführung politischer Beschlüsse sind - und daraus folgend für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft.

Das Recht auf freien Zugang zu Informationen ist ein positives Signal des Staates an die Bürger, denn es trägt dazu bei 1.) Transparenz und Vertrauen zwischen Verwaltungen und Bürgern zu stärken, 2.) außerparlamentarische bürgerschaftliche Beteiligung zu fördern und 3.) eine moderne bürgerfreundliche Verwaltung zu ermöglichen. Wir wollen den Abstand zwischen der Bevölkerung und der öffentlichen Hand verkleinern. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger Einblick in das bekommen, was die Verwaltungen auf welcher Grundlage tun. Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger sich in die politische Meinungsbildung aktiv einmischen. Wir wollen eine moderne, effiziente, effektive und bürgerfreundliche Verwaltung. Das ist das positive Signal, das heute vom Landtag ausgehen soll.

Andererseits kann man heute auch von daher von einem Triumph der Demokratie sprechen, dass wir in der äußerst seltenen Situation sind, dass das Parlament ein - sogar vollkommen neues - Gesetz verabschiedet, dass nicht aus der Regierung oder von den regierungstragenden Fraktionen kommt. Das ist bestimmt keine Alltagskost. Häufig erleben wir, dass Initiativen abgelehnt werden, nur weil sie nicht aus dem Kreis der Regierung kommt. Ich möchte den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich meinen Lob dafür aussprechen, dass sie nicht der Versuchung erlegen sind, grundlegende Änderungen zu erzwingen oder dem Gesetz anderweitig ihr Stempel aufzuzwingen, nur weil es nicht von dort kam. Das zeigt, dass die parlamentarische Demokratie in Schleswig-Holstein gesund ist. In aller Bescheidenheit verstehe ich diesen Verlauf auch so, dass der SSW einen soliden Entwurf vorgelegt hat.

Es freut mich ganz besonders, dass es gelungen ist, eine Mehrheit für ein selbständiges Gesetz zu bekommen. Das Recht auf Zugang zu öffentlichen Informationen ist ein so fundamentales Recht, das es unserer Ansicht nach nicht in Verwaltungsgesetzen versteckt werden muss, sondern einer eigenständigen Kodifizierung bedarf. Darüber hinaus haben Bürgerinnen und Bürger, die dieses Recht in Anspruch nehmen wollen, mit dem eigenständigen Gesetz eine leichter zugängliche Grundlage - auch wenn sich so manche komplizierte juristische Formulierung nicht vermeiden ließ. Auch das scheint uns wesentlich zu sein.

Ein zweiter wichtiger Punkt unseres Entwurfes war die Einsetzung eines Informationsbeauftragten. Wir hatten vorgeschlagen, dass auf diese Weise eine Art Ombudsmannsinstitution für den Informationsbereich geschaffen wird, die als Klageinstanz zwischengeschaltet wird, damit Streitfälle nicht gleich vor den Gerichten enden. Auch hier freuen wir uns sehr, dass diese Regelung beibehalten worden ist, obwohl sie seitens der Regierung nicht nur auf hemmungslose Gegenliebe stieß. Mit dem Datenschutzbeauftragten wird diese Funktion von einer Instanz übernommen werden, von der wir wissen, dass sie ihre Aufgaben qualitativ hochwertig erledigt und die das volle Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger genießt.

Es ist ein gutes Gesetz geworden, dass den persönlichen Datenschutz sehr ernst nimmt und gleichzeitig die Bedürfnisse der Verwaltungen nach Schutz bestimmter interner Prozesse berücksichtigt. Es ist trotzdem gelungen, die Beschneidung des Informationszugangsrechts einzuschränken, weil klaren Regelungen den Vorzug vor allzu flexiblen Generalklauseln gegeben wurde. Das unterscheidet uns auch wohltuend vom brandenburgischen Gesetz.

Nach dem Anhörungsverfahren im Ausschuss ist der ursprüngliche Entwurf des SSW noch weiter verbessert worden. Zum einen haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen verschiedene Änderungen im Ausschuss eingebracht, mit denen der SSW sehr gut leben kann. Zum anderen haben wir selbst Änderungen vorgeschlagen, die vom Ausschuss angenommen worden sind. Im Laufe des Anhörungsverfahrens ist vor allem von den kommunalen Spitzenverbänden starke Kritik an der Kostenregelung geäußert worden. Da wir nach wie vor der Ansicht sind, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht durch zu hohe Kosten von der Inanspruchnahme des Informationsrechts abgeschreckt werden dürfen, haben wir eine Kompromisslösung vorgeschlagen, die den Interessen der Verwaltungen weiter entgegen kommen, ohne den informationssuchenden Bürgerinnen und Bürgern zu große Hürden aufzubauen. Durch weitere Änderungen sind unter anderem Formulierungen präzisiert, die Lesbarkeit des Gesetzes verbessert und die Schutzbedürfnisse der Landesregierung in höherem Umfang gewährleistet worden. Der SSW hat nach den Ausschussberatungen noch eine letzte kleine Änderung nachgeschoben. Wir sind der Meinung, dass auch der Landesrechnungshof von der Regelungen des Gesetzes ausgenommen werden muss. Ich bitte um die Unterstützung dieses Antrages.
Ich danke für die konstruktive Arbeit aller Fraktionen bei der ersten Lesung und im Ausschuss, ohne die wir kaum in so kurzer Zeit vor der Wahl ein so wichtiges und komplexes Gesetz hätten durchbringen können. Ich möchte auch ausdrücklich anerkennen, dass die CDU bei der Beratung des Gesetzentwurfs Bewegung in Sachen Informationszugangsrechte gezeigt hat und dieses zuletzt auch mit einem Änderungsantrag dokumentiert.

Allerdings können wir dem CDU-Antrag nicht zustimmen. Die Union schlägt die wortgetreue Übernahme des Entwurfs den Innenministers vor, der nicht eingebracht wurde. Dieser weist im Vergleich zu unserem Entwurf eine Reihe von Mängeln auf - unter anderem die Eingliederungen ins Landesverwaltungsgesetz, den Verzicht auf einen Informationsbeauftragten, eine weniger ausgeglichene Kostenregelung und die großzügigere Verwendung von Generalklauseln, die das Zugangsrecht potentiell stärker beschneiden. Der CDU-Entwurf bleibt damit weit hinter dem SSW-Entwurf zurück, wie er vom Innen- und Rechtsausschuss beschlossenen wurde. Daher halten wir am Informationsfreiheitsgesetz fest.

Trotzdem hoffe ich, dass auch die Union und die F.D.P. konstruktiv mitwirken werden, wenn es darum geht, das Gesetz mit leben zu erfüllen und vielleicht eines Tages zu erweitern. Alle Kolleginnen und Kollegen können dazu beitragen, dieses neue Recht bei den Bürgerinnen und Bürgern bekannt zu machen.

Besonderer Dank sei schließlich auch jenen Mitarbeiterinnen der Verwaltung ausgesprochen, die ihres dafür getan haben, dass heute ein solider Gesetzentwurf vorliegt.

Wenn wir gleich diesen Gesetzentwurf verabschiedet haben, dann sind wir nicht das zweite Bundesland - wie ich noch in der ersten Lesung gesagt habe - sondern das dritte Land, das ein Informationszugangsrecht neu schafft. Mittlerweile hat nämlich auch Berlin erkannt, dass ein solches Gesetz notwendig ist. Mit dem Informationsfreiheitsgesetz haben wir für Schleswig-Holstein Maßstäbe gesetzt, die sowohl unter den Bundesländern als auch für ein Bundesgesetz wegweisend sind. Die Landesregierung hat damit eine gute Grundlage, um die Bundesregierung aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken und sich aktiv an der anstehende Gesetzgebung der Informationszugangsrechte auf Bundesebene zu beteiligen.

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