Rede · Christian Dirschauer · 10.05.2023 Jeden Tag reichert sich PFAS in Natur und Umwelt und im Menschen weiter an

„PFAS bleiben für Jahrzehnte oder Jahrhunderte in der Umwelt. Sie reichern sich dort an und gelangen in die Nahrungskette: ins Trinkwasser, Fisch, Fleisch und Eiern und damit auch in den menschlichen Körper, wo sich PFAS im Blut und im Gewebe weiter anreichern.“

Christian Dirschauer zu TOP 15 - Gesundheit schützen - nationaler Aktions- und Handlungsplan gegen PFAS (Drs. 20/803)

Was haben Friedrichstadt, Jübek oder aber unsere Elbe-Region mit der Antarktis oder dem tibetanischen Hochland gemeinsam? In allen Regionen können Wissenschaftler mittlerweile per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS, nachweisen.
PFAS sind eine Gruppe von mehr als 10.000 Chemikalien, die wasser-, fett-, und schmutzabweisend sind und uns im Alltag auch durch ihren Anti-Haft-Effekt begegnen; z. B. in Pfannen oder Backformen, Zahnseide und Regenjacken, Kabelummantelungen, Dichtungen, Imprägniermittel und vieles mehr. Auch in der Pharma- und Pestizid-Branche kommen PFAS zum Einsatz oder aber als Kältemittel in Wärmepumpen oder Kühltheken.
PFAS sind auf den ersten Blick also nützlich. Sie sind aber auch unverwüstlich – und giftig. PFAS werden auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet, weil sie zu den stabilsten chemischen Verbindungen überhaupt gehören; weder Sonnenlicht noch Mikroorganismen können den PFAS etwas anhaben. 
PFAS wirken in der Regel nicht akut giftig. Sie bleiben aber für Jahrzehnte oder Jahrhunderte in der Umwelt. Sie reichern sich dort an und gelangen in die Nahrungskette: ins Trinkwasser, Fisch, Fleisch und Eiern und damit auch in den menschlichen Körper, wo sich PFAS im Blut und im Gewebe weiter anreichern. Die Stoffe sind aber auch in der Luft und im Hausstaub enthalten. PFAS stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen, unfruchtbar zu machen, den Fettstoffwechsel zu stören, das Geburtsgewicht von Neugeborenen zu mindern und das Immunsystem zu schwächen. 
Im Rahmen des „Forever Pollution Projects“ wurde an mehr als 1.500 Orten in Deutschland PFAS nachgewiesen. Davon entfallen auf Schleswig-Holstein 58 Orte: in 4 Orten mit Belastungen auch des Grundwassers. Und vermutlich handelt es sich hierbei nur um die Spitze des Eisberges. Weitere Verdachtsfälle bestehen in nicht unerheblichem Umfang. Die Dunkelziffer ist groß. Das Problem ist also viel größer als bisher bekannt.
Deshalb begrüßen wir vom SSW ausdrücklich, dass sich der Bund zusammen mit den Ländern Dänemark, Schweden, Norwegen und den Niederlanden für ein entsprechendes PFAS-Verbot in der EU einsetzen und ein entsprechendes REACH-Beschränkungsverfahren eingeleitet haben. Hier sind sich SSW und regierungstragende Fraktionen offensichtlich einig. Aber für den Rest kann man den Alternativantrag der Koalition wohl nur als völlig ambitionslos bezeichnen.
Selbst wenn – und das hoffen wir eben gemeinsam – ein EU-weites Verbot frühestens 2025 in Kraft treten würde, gäbe es für einzelne Stoffgruppen bzw. Produkte noch Übergangsfristen bzw. Ausnahmen von teilweise mehr als 13 Jahren. Und ein Verbot ist eben auch noch lange nicht sicher: Lobbyverbände wie der Bundesverband der deutschen Industrie laufen Sturm gegen ein entsprechendes Verbot. Was nicht verwundert, befinden sich doch die meisten PFAS-Produzenten in Europa in Deutschland.
Und: mit einem Verbot ist eben auch noch nichts getan für die Sanierung der Altlasten. Unter anderem hier setzen wir mit unserem Vorschlag für einen nationalen Aktions- und Handlungsplan an. Übrigens ein Weg, den auch Dänemark geht.
Eine Sanierung ist teuer und hochkomplex, weil die Stoffe eben die Eigenschaften haben, die sie haben. Laut einer Studie des Nordischen Ministerrates betragen die Kosten für eine flächendeckende Sanierung dieser Verseuchung europaweit rund 16 Milliarden Euro.
Mit jedem Tag, den wir aber warten, reichert sich PFAS in Natur und Umwelt und im Menschen weiter an. Deshalb müssen wir jetzt anfangen, Altlastflächen und Verursacher systematisch zu identifizieren und zu erfassen sowie die Flächen entsprechend zu sanieren. Wir müssen Bürgerinnen und Bürger in belasteten Gebieten informieren und aufklären, aber eben auch PFAS-Produzenten und PFAS-verarbeitende Betriebe in der Forschung für Alternativen unterstützen und wir müssen prüfen, welche nationalen Verbote sinnvoll und machbar wären, sollte sich die EU nicht für ein Verbot entscheiden. 
Bei einigen Alltagsprodukten kann man schon heute schnell umsteigen, z. B. auf Eisen- oder Edelstahlpfannen. Ein Schutz durch eigenes Handeln ist im Übrigen für die Bürgerinnen und Bürger jedoch kaum möglich. Regelmäßig Lüften und feucht wischen – dass ist das, was Bürgerinnen und Bürger in belasteten Gebieten derzeit machen können. 
Es dabei zu belassen, kann und darf aber nicht der Anspruch einer Regierung sein!

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