Rede · Christian Dirschauer · 26.03.2021 Kindheit und Jugend lassen sich nicht aufschieben

„Wenn es um den Schutz unserer Kinder und Jugendlichen vor den negativen Folgen der Pandemie geht, haben wir schon viel zu viel Zeit verloren.“

Christian Dirschauer zu TOP 29 - Kinder und Jugendliche in der Pandemie besser unterstützen (Drs. 19/2864)

Ich will gerne vorwegnehmen, dass wir die vorliegenden Anträge ohne Vorbehalte unterstützen. Uns allen wurde in der letzten Corona-Expertenanhörung deutlich vor Augen geführt, welche Konsequenzen diese Pandemie gerade auch für junge Menschen hat. Mittlerweile dürfte wohl allen klar sein, dass ihr Alltag längst nicht nur aufgrund geschlossener Kitas oder Schulen ein völlig anderer ist, als noch vor gut einem Jahr. Es geht um weit mehr als nur Betreuung oder Beschulung. Corona hat das Leben vieler Kinder und Jugendlicher buchstäblich auf den Kopf gestellt. Und deshalb ist es nur folgerichtig, wenn wir versuchen, sie in der Pandemie besser zu unterstützen. 

Man muss nicht besonders selbstkritisch sein, um zu erkennen, dass die Belange junger Menschen in dieser Pandemie bisher nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Das ist keine böse Absicht der Regierenden, sondern gilt für die Politik insgesamt. Natürlich müssen viele Dinge in einer solchen Krisensituation schnell entschieden werden. Doch nach über einem Jahr im Krisenmodus gibt es trotz allem so etwas wie bekannte Abläufe und Routinen. Und deshalb hat uns doch etwas verwundert, dass auch im Vorfeld der zweiten Corona-Anhörung niemand auf die Idee gekommen ist, Kinder und Jugendliche selbst anzuhören. 

Umso mehr haben wir uns darüber gefreut, dass alle unserem Vorschlag gefolgt sind, den Kreis der Expertinnen und Experten um die Vorsitzende des Jungen Rats Kiel zu erweitern. Damit konnte an prominenter Stelle nicht über, sondern mit einem jungen Menschen gesprochen werden. Diese direkte Beteiligung ist schon deshalb so wichtig, weil in Schleswig-Holstein rund eine halbe Million Menschen unter 18 Jahren leben. Und auch wenn Frau Döhler in diesem Rahmen natürlich nicht alle Probleme ansprechen konnte, waren ihre Worte aus Sicht des SSW sehr wertvoll. 
Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich viele Aspekte aus der Anhörung im vorliegenden Antrag der Koalition wiederfinden. Es ist zum Beispiel richtig und überfällig, den Kreis der Bezugs- oder Kontaktpersonen nicht auf die Familie zu begrenzen, sondern um Freunde zu erweitern. Gleichzeitig halten auch wir es für dringend nötig, jungen Menschen gerade in Pandemiezeiten für ihre Freizeit und zu ihrer Unterstützung Angebote zu machen und sie insgesamt stärker zu beteiligen. Hier sind wir uns sicher alle einig. Wichtig ist und bleibt aber, dass diesen Worten auch wirklich Taten folgen. Denn wenn es um den Schutz unserer Kinder und Jugendlichen vor den negativen Folgen der Pandemie geht, haben wir schon viel zu viel Zeit verloren. 

Es wurde zwar im Vorfeld thematisiert, aber mir ist der Hinweis trotzdem wichtig: Wir haben mittlerweile die traurige Gewissheit, dass jegliche Form von Gewalterfahrung innerhalb von Familien zunimmt. Damit steht fest, dass eine wachsende Zahl von Kindern und Jugendlichen Gewalt ausgesetzt ist. Ihre psychischen Belastungen steigen stetig weiter an. Deshalb müssen wir jetzt alles daransetzen, diese Angebote zu öffnen und dauerhaft offen zu halten. Und wir müssen sie so bald wie möglich ausbauen, auch wenn der Spardruck nach der Pandemie natürlich steigen wird. 
 
Wir müssen uns endlich bewusst machen, wie ernst die Lage für viele junge Menschen ist. So banal es auch klingt: Kindheit und Jugend lassen sich nicht aufschieben. Und doch haben derzeit viel zu viele Kinder und Jugendliche Zukunftsängste und leiden unter Einsamkeit. Vor allem die Gruppe der Kinder, die in armen oder belasteten Familien leben, drohen mit diesen Ängsten und Sorgen unterzugehen. Es ist kein Alarmismus, sondern beschreibt die bittere Realität, wenn der Kinderschutzbund zum Beispiel darauf hinweist, dass Kinder aus Flüchtlingsfamilien bei geschlossenen Kitas im Spracherwerb zurückfallen. Und es ist nur logisch, dass beispielsweise Fernunterricht für Kinder mit Lernbehinderungen unter Pandemiebedingungen kaum zu leisten ist. 

Nach unserer Auffassung brauchen wir nicht nur für diese, sondern auch für weitere Herausforderungen konkrete Antworten und im Zweifel auch mehr Mittel. Neben dem erwähnten Ausbau der Kinder- und Jugendhilfe müssen wir zum Beispiel Sommerschulen und erweiterten Unterricht für alle Kinder organisieren, die Lernstoff nachzuholen haben. Auch die Forderung nach einem Ausbildungspakt zwischen Arbeitgeberverbänden und Regierungen können wir nur unterstützen. Nach diesem besonderen Jahr sollte es unser Anspruch sein, möglichst allen jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zu garantieren. Es gibt also mehr als genug, was wir für Kinder und Jugendliche tun können, um sie in diesen schweren Zeiten besser zu unterstützen.

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