Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 12.10.2006 Konsequenzen einer festen Querung des Fehmarnbelt

Die Geschichte um eine feste Fehmarnbeltquerung reicht weit zurück und wird uns auch noch in naher Zukunft beschäftigen. Insbesondere durch die mit einem Bau in dieser Größenordnung verbundenen Chancen und Risiken, werden wir uns als Landtag weiter ausführlich mit den finanz-, wirtschafts- und infrastrukturpolitischen Konsequenzen beschäftigen müssen.

Aus der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage geht hervor, dass es mittlerweile eine Fülle von Studien, Konzepten, Dokumentationen etc. gibt. Insgesamt beziffert die Landesregierung die Ausgaben für Untersuchungen und Veranstaltungen auf rund 20 Mio. €, inklusive TEN-Zuschüsse. Was hätte mit diesem Geld anstelle alles gemacht werden können? Aber angesichts der enormen Dimension, die eine feste Querung über den Fehmarnbelt in allen Bereichen mit sich zieht, ist es natürlich richtig, dass entsprechende Untersuchungen durchgeführt werden.

Nach den jüngsten Berechnungen werden die Kosten für die feste Fehmarnbeltquerung für Bau, Planung und Reserven sowie Versicherung auf über 4 Mrd. € geschätzt. Für die Hinterlandanbindung werden Kosten in Höhe von 1,25 Mrd. € angegeben. Mit einem Gesamtvolumen von über 5,2 Mrd. € für das Projekt ist es natürlich richtig, dass eine Entscheidung für oder wider eine feste Querung mit einer entsprechenden Hinterlandanbindung nur auf der Basis von verlässlichen Daten getroffen werden kann.

Für den SSW möchte ich deutlich machen, dass insbesondere die Finanzierung einer festen Querung auf einer soliden Grundlage stehen muss und hier kommen wir nun zum Kern. Es ist derzeit nicht abschließend geklärt, wie dieses Großprojekt und die notwendige Hinterlandanbindung letztendlich finanziert werden soll. Der Antwort der Landesregierung ist zu entnehmen, dass Ende 2006 eine Entscheidung über die Realisierung erfolgen soll. Dies soll nach Auskunft der Landesregierung nach einer Konferenz mit Vertretern von Bank- und Bauunternehmen geschehen. Dort soll ausgelotet werden, inwieweit der private Sektor bereit ist, sich an der Finanzierung einer festen Fehmarnbeltquerung im Rahmen einer Öffentlichen Privaten Partnerschaft zu beteiligen.

Die Landesregierung macht deutlich, dass ihre Überlegungen für die Finanzierung derzeit zum Staatsgarantiemodell tendieren. Das heißt, die Regierung – also der Steuerzahler – übernimmt weitgehend die Verantwortung für das Projekt einschließlich des Einnahmerisikos.
Es ist vorgesehen, dass die Privatwirtschaft das Baurisiko, sowie im Falle einer Beteiligung an der Interstate Company, möglicherweise auch einen Teil des Betriebsrisikos tragen soll. In welcher Höhe das Risiko für die Privatwirtschaft liegt, geht leider nicht aus der Antwort hervor. Letztendlich bleibt aber festzustellen, dass der überwiegende Teil des Betriebskostenrisikos durch die Staatsgarantien gedeckt werden muss. Unterm Strich heißt dies, wenn alles gut geht und die Prognosen stimmen, hat die private Wirtschaft ihre Vorteile. Sollte es aber nicht so laufen, dann bleibt der Schwarze Peter bei den öffentlichen Kassen hängen. So stelle ich mir eine Partnerschaft nicht vor. Es ist nicht staatliche Aufgabe, privaten Investoren die Risiken von der Hand zu halten.

Wenn wir uns auf der einen Seite Gedanken machen, inwieweit die private Wirtschaft in dieses Projekt mit eingebunden werden soll, müssen wir uns natürlich erst fragen, wo die öffentlichen Kassen sonst noch belastet werden.
Fangen wir also mal mit dem Bundesverkehrswegeplan an. Hierzu macht die Landesregierung deutlich, dass die Hinterlandanbindung als Straße im geltenden Bedarfsplan verankert ist und gleiches gilt für den Ausbau im Bereich Schiene. Diese finden sich aber neben vielen anderen Verkehrsprojekten wieder. Ich glaube am deutlichsten hat es Bundeskanzlerin Merkel gemacht, als sie im September auf die konkurrierenden Verkehrsprojekte im Norden der Republik hingewiesen hat. Sie machte deutlich, dass die Bundesregierung nicht alle Verkehrsprojekte finanzieren könne und dass sich die norddeutschen Länder entscheiden müssen, welche Verkehrsprojekte Vorrang haben. Diese Aussage steht für sich und macht deutlich, dass die Bundesregierung hier andere Prioritäten setzt.

Was nun die Finanzierung einer festen Fehmarnbeltquerung aus europäischer Sicht angeht, sieht es ähnlich aus. Eine feste Fehmarnbeltquerung ist zwar als TEN-Projekt aufgeführt, aber auch hier konkurriert dieses Projekt mit einer ganzen Reihe – insgesamt 30 - anderer TEN-Projekte. Sie haben einen Gesamtwert von insgesamt 225 Mrd. €. Demgegenüber sieht die Finanzierung für den Zeitraum 2007 bis 2013 für TEN ein Mittelkontingent von rund 8 Mrd. € vor. Also ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Landesregierung erwartet die höchstmögliche Förderquote, da die feste Querung ein grenzüberschreitendes und vorrangiges Projekt ist. Jedoch lässt sich mit Erwartungen keine Brücke bauen. Solange es hier keine festen Zusagen gibt, können wir hier auch nicht mit Förderungen rechnen. Im Gegenteil: Eine Ausreichende Förderung durch die EU ist eher unwahrscheinlich.
Trotz all dieser finanziellen Unwägbarkeiten hält unser Wirtschaftsminister weiterhin an diesem Großprojekt eisern fest.

Wenn die Landesregierung von der festen Fehmarnbeltquerung spricht, dann hat dies immer den Anschein, dass es keine Alternativen zu diesem Projekt gibt. Aber es gibt sie. Wir haben eine funktionierende Fährverbindung von Puttgarden nach Rødby, die ohne Subventionen vom Land den Verkehr auf dieser Strecke aufrecht hält. Damit sind insgesamt 1.100 Mitarbeiter – davon 600 aus Deutschland – ganzjährig auf dieser Fährverbindung beschäftigt. Diese Zahlen sind nicht von der Hand zu weisen.

Was die potentiellen Arbeitsplätze angeht, die durch den Bau und später durch den Betrieb einer festen Querung entstehen, habe ich jedoch meine Bedenken. Ob die Bauphase wirklich die von der Landesregierung genannten Arbeitsplätze in der Region generieren wird, bezweifle ich. Da es sich beim Bau um ein europäisches Großprojekt handelt, muss auch entsprechend ausgeschrieben werden. Hier bezweifle ich, dass Unternehmen aus Schleswig-Holstein oder der Bundesrepublik den Zuschlag bekommen werden. Was die Arbeitsplätze nach Aufnahme des Betriebes angeht, bezweifle ich die von der Landesregierung genannten Zahlen. Andere Gutachten sprechen eine andere Sprache.
Daher kann ich die Skepsis, die in der Region vorherrscht, durchaus nachvollziehen. Für die Region Fehmarn ist der Spatz im Hafen wichtiger als die Taube, auf einem Brückenseil.
Die Landesregierung weist darauf hin, dass das Hinterland am Großen Belt ähnlich ist wie am Fehmarnbelt. Es handelt sich jeweils um ökonomisch relativ schwache Regionen, die von starken Nachbarregionen abhängig und vom Tourismus geprägt sind. Und am Großen Belt haben sich trotz hohen Verkehrsaufkommens bisher keine signifikanten Effekte auf die Ansiedlung von Unternehmen im Bereich Transport und Logistik ergeben. Daher besteht für Fehmarn die Gefahr, dass man auch dort zu einer reinen Transitregion verkommt. Daher muss das Land die Entscheidung der Stadt Fehmarn akzeptieren, die den Bau der festen Querung ablehnen.

Für den SSW möchte ich klar stellen, wenn wir neue Infrastrukturprojekte ins Leben rufen, dann haben wir eine andere Prioritätenliste als die Landesregierung. Für uns steht an vorderster Stelle, dass wir endlich eine westliche Elbquerung mit Anbindung an die Westküste bekommen müssen. Darüber hinaus benötigen einen Ausbau des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs und eine schnelle Umsetzung der Zweigleisigkeit an der Westküste. Von den vielen anderen kleineren Infrastrukturprojekten im Land ganz zu schweigen. Der Bau einer festen Fehmarnbeltquerung wird über Jahre hinweg verhindern, dass wichtige Verkehrsprojekte im Land vorangebracht werden. Sie würde die Infrastrukturmaßnahmen in Schleswig-Holstein um Jahre zurückwerfen. Von diesem Schaden für das Land schweigt sich die Landesregierung leider aus. Wer sagt er will die Fehmarnbeltquerung, muss auch sagen, wo das Geld herkommen soll und auf welche Projekte gegebenenfalls verzichtet werden soll. Alles andere wäre unredlich.
Wir meinen weiterhin, die Querung ist ein Luftschloss und wir sollten uns lieber auf die wichtigen und realistischen Verkehrsprojekte konzentrieren.

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