Rede · Jette Waldinger-Thiering · 25.03.2021 Künstliche Intelligenz ist ohne gute digitale Strukturen nur ein buntes Nice-to-have

„Selbstverständlich muss auch bei KI-Projekten eine fundierte Evaluation erfolgen. Das kann man nicht den Nerds überlassen. Öffentliche Mittel müssen so eingesetzt werden, dass sie Bürgerfreundlichkeit und Anwendernutzen verbessern.“

Jette Waldinger-Thiering zu TOP 42 - Mündlicher Bericht zur KI-Handlungsrahmen (Drs. 19/2282)

Künstliche Intelligenz unterstützt die Menschen, um unter anderen bei riesigen Datenmengen nicht den Überblick zu verlieren oder um bei komplizierten Operationen eine sichere Methode zu garantieren.  
In Deutschland wurde gerade im letzten Jahr in der universitären Forschung und Lehre von KI, auch in Schleswig-Holstein, durchaus nennenswerte Investitionen getätigt. Ich bin davon überzeugt, dass wir Kompetenz an unseren Hochschulen sowie ein KI-Netzwerk aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft bündeln sollten.  Wie diese Kompetenzen bestmöglich gestärkt und weiterentwickelt werden können, soll am besten vor Ort mit konkreten Ziel- und Leistungsvereinbarungen festgelegt werden.  Die Universität Lübeck ist da ein gutes Beispiel. Dort wächst gerade mit mehreren - zu meinem Bedauern allerdings nur männlichen - Professuren ein Leuchtturm im Bereich Robotik und e-Health heran. Das Land tut gut daran, auf eine zukunftsträchtige Technik zu setzen, die gerade in der Medizin in den nächsten Jahren immer bedeutender wird. 
Aber.
Der Ministerpräsident hatte vor zwei Jahren die zentrale Rolle der künstlichen Intelligenz hervorgehoben. In der damaligen Debatte über den Handlungsrahmen war die Rede davon, dass KI der maßgebliche Treiber für den digitalen Wandel und der Schlüssel zur digitalisierten Gesellschaft in allen Lebensbereichen sein wird. 
Die Landesregierung hat nur einige wenige, wenn auch durchaus interessante Projekte vorzuweisen. Den Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Auswertung historischer Luftbilder im Zusammenhang mit Kampfmittelbeseitigung halte ich beispielwiese für wegweisend. Das Aufspüren und Verorten von Blindgängern, bevor Bauarbeiten beginnen, ist ein echtes und notwendiges Hilfsmittel. Wir leben nämlich in einem Land, in dem immer noch tausende Tonnen gefährlicher Weltkriegsschrott vermutet werden. Bei diesen Datenmengen kommen menschliche Augen kaum hinterher. Auch die Erschließung von Archiven und musealen Beständen ist ein wichtiger Anwendungsbereich für den Einsatz Künstlicher Intelligenz, zum Beispiel über eine intelligente Suche oder Sprachsteuerung.
Ich beziehe mich hierbei in Ermangelung eines schriftlichen Berichts vorwiegend auf Presseberichte. Die regierungstragenden Fraktionen haben zwar schon im Juni, so zumindest das Datum der Drucksache, von der Landesregierung einen mündlichen Bericht zur Künstlichen Intelligenz erbeten, doch die Landesregierung hat die letzten Monate nicht genutzt, einen schriftlichen Bericht oder zumindest eine Statistik mit handfesten Zahlen vorzulegen, wie der Handlungsrahmen umgesetzt wurde. Selbstverständlich muss auch bei KI-Projekten eine fundierte Evaluation erfolgen. Das kann man nicht den Nerds überlassen. Öffentliche Mittel müssen so eingesetzt werden, dass sie Bürgerfreundlichkeit und Anwendernutzen verbessern. Alles andere wäre nur reiner Selbstzweck, um bunte Broschüren zu füllen. Darum hätte ich mir eine schriftliche Grundlage für unsere Debatte gewünscht.
Abgesehen vom vielen Einsatzbereichen für KI, die ich mir beim Lernen vorstellen kann, ist KI auch eine Möglichkeit, Behördengänge zu vereinfachen. Norderstedt hat mit einem interessanten Vorhaben auf sich aufmerksam gemacht, das Bürgeranfragen durch Künstliche Intelligenz zum richtigen Ansprechpartner bzw. Ansprechpartnerin lotst. Gerade in diesem Bereich zeigen sich die Stärken einer gut programmierten und lernenden Einheit. Routineaufgaben werden durch einen Bot ersetzt und entlasten damit die Fachleute vor Ort.
Hier zeigt sich aber auch, dass KI ohne Anbindung an eine digitale Struktur nicht viel bringt. Dass es mit den Meldungen der Gesundheitsverwaltung zu Corona nicht klappt, liegt auch an der völlig veralteten Struktur in den Gesundheitsämtern. Hier kann man KI gar nicht einsetzen, weil es gar keine Andockstellen gibt. 
KI ist also erst dann eine echte Hilfe und kein buntes Nice-to-have, wenn auch die digitalen Strukturen besser ausgebaut sind.

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