Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 23.01.2014 Kulturelle Bildung – ein Begriff hat Hochkonjunktur

Bildung und Kultur sind zwei Seiten einer Medaille. Sie müssen daher gemeinsam gedacht und getragen werden. Kultusministerin Anke Spoorendonk hat zusammen mit ihren Kolleginnen Wara Wende und Kristin Alheit für 2014 das Jahr der kulturellen Bildung eingeläutet. Ein Begriff, der in diesen Tagen Hochkonjunktur hat, nicht nur in Schleswig-Holstein. Auch auf Bundesebene hat man ein Pendant zu dem Vorhaben unserer drei Ministerinnen auf die Beine gestellt. Vielerorts werden Enquete-Kommissionen, Projekte, Initiativen und Gutachten zu diesem Thema präsentiert. Doch worum geht es in der kulturellen Bildung eigentlich? Es geht dabei vor allem um die Förderung zur kulturellen Teilhabe. Die Kulturpolitik hat in diesem Zusammenhang einen klaren Auftrag, nämlich dafür zu sorgen, dass so viele Menschen wie möglich, einen Zugang zum Kultursektor bekommen können. Und je früher man damit beginnt, umso größer sind die Erfolgsaussichten. Das Angebot zur kulturellen Bildung ist nicht für alle Kinder und Jugendliche im gleichen Umfang zugänglich. Der schulische Rahmen, sollte daher allen eine Chance bieten, Kultur in vielfältiger Weise auch nutzen und gestalten zu können. Hier müssen Brücken gebaut werden, zwischen den schulischen und außerschulischen Akteuren. Es geht dabei nicht nur um künstlerische Fähigkeiten, sondern auch um interkulturelle Kompetenzen, die Stärkung der politischen und gesellschaftlichen Partizipation oder auch um ganz persönliche Erfahrungen, Interessen und Entwicklungen. Kulturkonsum, Kulturhobbys, Anwendung
von Kulturtechniken und künstlerische Schulfächer, all das sind die Utensilien, mit dem das Jahr der kulturellen Bildung beschritten werden soll.

In den meisten Schulen spielen Fächer wie etwa Musik oder Kunst nur eine Randrolle. Zum einen, zumal der ökonomische Nutzen nicht unmittelbar erkennbar ist, und zum anderen, weil diese Fächer nicht nur in Zeiten der PISA-Ergebnisse in einer starken Konkurrenz zu den MINT-Fächern stehen. Auf der anderen Seite wiederum, scheinen die Musiker und andere Künstler in Deutschland nur so mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft zu werden. Sie genießen ein hohes öffentliches Ansehen. Ihnen gilt der Ruhm. Natürlich sind Projekte und Investitionen im Kulturbereich mit anderen Sektoren, wie etwa im Bereich der Verkehrspolitik, nur schwer zu vergleichen. Jedoch erwirtschaftete die Branche im Jahr 2011 einen bundesweiten Umsatz von mehr als 143 Milliarden Euro. Ungefähr eine Million Arbeitnehmer arbeiten hauptamtlich im Kulturbereich; Tendenz steigend. Es ist sicher keine Überraschung, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft weit hinter den Umsatzzahlen der Automobilindustrie liegt. Jedoch schneidet die Kulturwirtschaft im Bruttowertschöpfungsvergleich besser ab, als etwa die Energieversorgung oder die Chemieindustrie. Im Jahr 2012 machte der Kulturbereich in Schleswig-Holstein 5,7 % der Gesamtwirtschaft aus. Es handelt sich also durchaus um ein Arbeitsbereich, in dem viele Schülerinnen und Schüler ihren Beruf ausüben werden. Die Kultur- und Kreativwirtschaft fungiert mit ihren Dienstleistungen als ein wichtiger Querschnittsbereich für andere Bereiche in der Wirtschaft. Die Kulturwirtschaft bildet eine wichtige Basis für wirtschaftliche und gesellschaftliche Neuerungen. Denn die Kulturwirtschaft versprüht eine Menge an Kreativität, ohne die es keine Innovationen gäbe. Und ohne Innovationen gibt es keinen wirtschaftlichen Fortschritt. Das ist natürlich ein wenig überspitzt formuliert. Aber worin wir uns glaube ich alle einig sind ist, dass der Kulturbereich von der Schul- und Berufsbildung nicht ausgeschlossen werden darf. Kreativität ist eben doch keine Selbstverständlichkeit.

Damit das Programm zur kulturellen Bildung auch Erfolg haben kann, darf an den bisherigen gedanklichen Grenzen des Kulturssektors nicht halt gemacht werden. Je größer wir dieses Rahmenprogramm stricken, umso besser. Je größer die Vielfalt, umso größer ist der Bildungseffekt und umso weiter wird das Netzwerk, welches etabliert werden soll. Die drei Ministerinnen haben dies aufgegriffen und passender Weise das Jahr der kulturellen Bildung in Zusammenarbeit angerichtet. Gemeinsam sollen vier Regionalkonferenzen im ganzen Land abgehalten werden, in denen die Teilnehmer gemeinsame Projekte und Vorhaben entwickeln können. Im Kulturministerium soll eine Koordinierungsstelle ihre Arbeit aufnehmen, um den Kontakt zwischen Künstlern, Institutionen und Schulen herzustellen. Auch eine Datenbank soll im Verlauf des Programms erstellt und genutzt werden. Zudem werden die drei Ministerien fünf so-genannter Kulturschulen in Schleswig-Holstein auszeichnen. Des Weiteren wird es einen Wettbewerb um den Titel KulturKita 2014, für Kindertagesstätten geben. Ein Preisgeld gibt es dazu noch obendrauf.
Zum Schwerpunkt gehört auch der Bereich der Fort- und Weiterbildung. So sollen Menschen in pädagogischen Berufen verstärkt für das Thema der ästhetisch kulturellen Bildung sensibilisiert werden. Auf der anderen Seite sollen Kunstschaffende von ihren pädagogischen Wissen und Fähigkeiten lernen. Dies sind wieder zwei Seiten einer Medaille. Eine solche umfassende inter-ministeriale Kooperation kommt nicht allzu oft vor, von daher ist das schon mal ein Applaus wert.

Die Akteure und Kulturschaffenden müssen im Rahmen des Jahres der kulturellen Bildung nicht neu erfunden werden, die gibt es ja bereits. Sie wohnen um die Ecke, im Haus von gegenüber oder sogar im selben Haus. Denn wir können alle an diesem Programm teilnehmen. In Bezug auf die Akteure haben wir es mit einer äußerst heterogenen Gruppe zu tun. Sie umfasst etwa Schüler, Lehrer, Kinder, Erwachsene, Schauspieler, Musiker und Grafikdesigner – um nur einige von ihnen zu nennen. Kooperationspartner sind genügend vorhanden. Es muss lediglich ein fundiertes Netzwerk geschaffen werden, von dem die Kinder und Jugendlichen dann auch einen Gewinn erzielen können. Die Verbindungen müssen also nur noch geknüpft werden. Das Jahr der kulturellen Bildung bietet dazu die richtige Gelegenheit. Dabei geht es ganz konkret um die Frage: Wer macht was? Und wie können wir voneinander lernen und profitieren? Wir vom SSW im Landtag setzen darauf, dass diese Plattform dann auch über die nächsten 12 Monate hinaus genutzt werden kann. In den kommenden Monaten sollte rund um das Jahr der kulturellen Bildung nicht nur kreativ gearbeitet werden. Sondern wir sollten uns auch kritisch mit diesem Thema auseinander setzen. Was ist eigentlich Qualität? Und welche Qualität wollen wir erreichen? Welche Werte vermittelt kulturelle Bildung? Was können wir im Umgang mit Medien lernen? Und welche Rolle spielt eigentlich das Kulturerbe? Auch diese Fragen gilt es in diesem Zusammenhang zu diskutieren.

An dieser Stelle kann ich jedenfalls alle interessierten nur dazu auffordern, sich am Jahr der kulturellen Bildung tatkräftig zu beteiligen. Vor allem fordere ich die Vertreter der autochthonen Minderheiten sich ebenfalls zu bewerben, damit die Vielfalt in unserem Land auch angemessen repräsentiert ist. Denn wo lernt man eine fremde – oder auch die eigene – Kultur schneller und besser kennen, als etwa beim Musizieren oder Theater spielen? Abschließend möchte ich noch ein Zitat mit auf den Weg bringen. Ein Zitat, welches das Jahr der kulturellen Bildung gut umrahmt. So sagte der deutsch-friesisch-dänische Maler Emil Nolde einmal: ,, Die Kunst kommt vom Menschen und ist für den Menschen gemacht - nicht für die Experten. Ihre Formen bilden sich aus der lebendigen Liebe zum Leben. Sie verbindet die Menschen und gibt ein positives Lebensgefühl.“


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