Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 30.06.2011 Mittelstandförderung und Tariftreue

Nicht überall, wo Tariftreue draufsteht ist auch Tariftreue drin. Betrachtet man das Gesetz zur Förderung des Mittelstandes der Landesregierung, so ist alleine dieser Gesetzentwurf schon ein Grund sich ein Wechsel der Landesregierung herbei zu wünschen. Denn dieser Gesetzentwurf reduziert sich in der Frage der Tariftreue auf die Regelungen, die im Arbeitnehmerentsendegesetz zusammengefasst sind. Das ist aber bei weitem nicht das Maximale, was sich herausholen ließe. Da ist zum einen, die Möglichkeit, Bereiche mit in das Gesetz aufzunehmen, die nicht vom seinerzeitigen Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum niedersächsischen Vergabegesetz umfasst waren. Stellvertretend seien hier der ÖPNV und der SPNV genannt. Wir könnten hier immer noch die Tariftreue bezogen auf den Tariflohn und nicht auf irgendeinen Mindestlohn anwenden. Das heißt, hier könnten wesentlich höhere Standards gelten.

Weiter wäre es auch möglich gewesen, regionale branchenspezifische Tariflöhne hier in Schleswig-Holstein für allgemeinverbindlich zu erklären und so die Tariftreue anwenden zu können. Aber die Landesregierung hat in ihrem Gesetzentwurf genau diese Möglichkeit verbaut und war auch nicht bereit, im Sinne der Beschäftigten und der Unternehmen, hier eine konzeptionelle Grundlage zu schaffen. In den meisten Branchen wäre es kein Problem gewesen, mit den Arbeitgebern und Gewerkschaften zu einer regionalen Lösung zu kommen. Das Engagement der Landesregierung war hierbei aber gleich Null.
Das ist umso schmerzlicher, weil schon im vergangenen Jahr durch uns eine Kompromisslösung aufbauend auf das damals bestehende Tariftreuegesetz in den Landtag eingebracht wurde und von der Mehrheit im Haus abgelehnt wurde.

Wir werden also für die nächsten Monate eine tariftreuelose Zeit haben, obwohl alle Oppositionsparteien sich aktiv an der Diskussion beteiligt haben und viele Anzuhörende in den verschiedenen Anhörungen zum Thema eindeutig die Auffassungen und Positionen der Opposition geteilt haben. Es gibt somit einen übergreifenden Konsens, dass Tariftreue wichtig und notwendig ist und es wird eine der dringendsten Aufgaben einer neuen Regierung sein, diesen tariftreuelosen Zustand in Schleswig-Holstein so schnell wie möglich zu beenden.

Neben vielen Einzelfragen zog sich vor allem die Frage nach der Notwendigkeit eines gesetzlich vorgeschriebenen Mindeslohns durch die Beratungen. Wir haben immer gesagt, dass wir es uns wünschen würden, dass der Mindestlohn durch die Tarifpartner ermittelt würde. Wir können uns auch branchenspezifische Mindestlöhne denken und bei einer bundesweiten Tariftreuelösung könnte der Mindestlohn sich sogar am vereinbarten Tariflohn orientieren. Dann wären wir ganz nah an den skandinavischen Lösungen.

Das was wir feststellen können ist, dass es keine einheitliche Meinung dazu gibt, ob man auf Landesebene – wie in einigen Bundesländern im Rahmen von Vergabegesetzen geschehen – Mindestlöhne festschreiben darf oder ob dies ausschließlich in der Kompetenz des Bundes liegt. Gefühlsmäßig würde ich sagen, dass der überwiegende Teil der Rechtsprechung eher zur Bundeslösung tendiert. Und wenn dies so ist, dann geht der Antrag der SPD natürlich in die richtige Richtung. Dann muss es auf Bundesebene eine wie auch immer geartete Mindestlohnlösung geben. Die Frage ist dann, darf es nur einen geben oder müsste es branchenspezifische Mindestlöhne geben. Und wer legt diese fest?

Dass eine unabhängige Kommission den oder die Mindestlöhne überprüft und in der Höhe anpasst ist ein vernünftiger Gedanke. Wir haben dieses ja auch schon in mehreren Debatten angeregt, weil dies eben die Chance bietet, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften in einer solchen Kommission ebenfalls vertreten sind und so die Tarifautonomie gewahrt bleiben kann.

Ob man allerdings dabei mit einem gesetzlichen Mindestlohn auskommt, ist immer noch unsicher. Ein einziger Mindestlohn kann auch in manchen Branchen, wo es derzeit noch gute Löhne gibt, zu einer Abwärtsspirale führen. Dieses sollten wir deshalb noch einmal im Ausschuss beraten.

Abschließend möchte ich aber noch einmal deutlich machen, dass wir mit dem vom SSW seinerzeit initiierten Tariftreuegesetz schon wesentlich weiter waren, als wir es mit dem Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz von CDU und FDP sein werden. Und Rückschritte sind bekanntermaßen etwas, was wir uns gar nicht leisten können und deshalb muss es in der neuen Wahlperiode wieder Fortschritt in unserem Land geben.

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