Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 27.01.2012 Mobilität und soziale Teilhabe sind Grundrechte – Ein landesweites Sozialticket ist eine Notwendigkeit

Vorab möchte ich eins klarstellen: Der SSW will Empfängern von Arbeitslosengeld II und Menschen mit ähnlich geringem Einkommen ganz sicher nicht das Recht auf soziale Teilhabe und Mobilität streitig machen. Für uns ist es eine absolute Selbstverständlichkeit, dass jedes Mitglied unserer Gemeinschaft einen faktischen Zugang zu Mobilität und gesellschaftlicher Teilhabe haben muss - wie es die Linken fordern. Nur setzt der vorliegende Antrag, der ja in identischer Form bereits in anderen Bundesländern eingebracht wurde, auf der falschen Ebene an.

In der Debatte um die Erhöhung der Regelsätze wurde von verschiedenen Seiten auch der viel zu geringe Regelleistungssatz für den Nahverkehr kritisiert. Jeder hier weiß, dass dieser die Kosten für eine Monatskarte bei weitem nicht deckt. Hieraus muss - wie in anderen Bereichen auch - die Konsequenz folgen, dass diese Leistung erhöht wird. Diese Forderung haben wir nicht nur damals gestellt, sondern wir halten sie natürlich auch nach der Minimalerhöhung zum vergangenen Jahr aufrecht. Der SSW hält es für dringend notwendig, über dieses Thema eine intensive politische Diskussion zu führen. Und wir hoffen, dass dabei am Ende eine spürbare Verbesserung der Situation von Arbeitslosengeld II-Empfängern herauskommt.

Die Vorgaben sind eindeutig: Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2010 müssen auch Bildungs- und Teilhabebestandteile in die Berechnung der Regelsätze einfließen. Der enttäuschende Kompromiss, mit dem die Hartz IV-Empfänger und ihre Kinder heute leben müssen, wird dieser Vorgabe nicht gerecht. So sind zum Beispiel die im Bildungs- und Teilhabepaket für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben vorgesehenen 10 Euro pro Monat und Kind schlicht und einfach viel zu wenig.

An diesem Problem muss sich ohne Zweifel etwas grundlegendes Ändern. Doch hier ist nicht das Land sondern in erster Linie der Bund in der Pflicht. Auch wenn die Linken im vorliegenden Antrag zu Recht darauf hinweisen, dass letztlich das Land eine Verantwortung für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse trägt, schlagen sie hier den falschen Weg ein. Denn wir müssen die Grundstruktur ändern und nicht an den Symptomen rumdoktern. Mit dem landesweiten Sozialticket würde aber nur eine Sonderregelung geschaffen, anstatt die Ursache des Problems zu bekämpfen. Damit hier keine Missverständnisse aufkommen möchte ich noch einmal betonen: Auch wir halten die zu geringen Regelsätze für ein massives Problem. Aber dies zu ändern ist eine Aufgabe, die so schnell wie möglich in Berlin gelöst werden muss.

Abgesehen davon, dass der Antrag auf der falschen Ebene ansetzt fällt es auch schwer, sich die konkrete Umsetzung einer solchen Regelung vorzustellen. Da ist zum einen die Frage, wie dieses landesweite Sozialticket genau finanziert werden soll? Weil Vorschläge hierzu fehlen, kommt bei uns der Eindruck auf, dass es sich um einen reinen "Symbolantrag" handelt. Und damit ist den Menschen die im Leistungsbezug stehen und denen, die ein Einkommen unterhalb der Armutsgrenze haben, nun wirklich nicht geholfen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie der kostenfreie Zugang zu kulturellen, sportlichen und sozialen Angeboten in der Praxis geregelt werden soll? Wir befürchten, dass hier ein enormer Verwaltungsaufwand nötig wird, der - ähnlich wie im Fall des Bildungs- und Teilhabepakets - viel Geld verschlingt, das bei den Bedürftigen selbst viel besser angelegt ist.

Der SSW fordert eine spürbare Verbesserung der Situation von Menschen, die Transferleistungen beziehen oder ein ähnlich geringes Einkommen haben. Wir wollen eine Gesellschaft, die so eingerichtet ist, dass Ausnahmeregelungen und Zusatzlösungen wie das landesweite Sozialticket überflüssig sind. Selbstverständlich müssen den Leistungsberechtigten in dieser Gesellschaft umfangreiche soziale und kulturelle Teilhabemöglichkeiten eingeräumt werden. Und natürlich haben alle Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht auf uneingeschränkte Mobilität und Zugang zu kulturellen, sportlichen und sozialen Angeboten. Doch mit diesem Antrag werden aus unserer Sicht die falschen Prioritäten gesetzt. Die drängendsten Probleme um das System Hartz IV werden so nicht gelöst.

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