Rede · 13.12.2002 Nachtragshaushalt 2002
Anfang November gab es wahrlich ein paar schwarze Tage für die Bundesrepublik Deutschland. - Nicht nur erhielt der Bundesfinanzminister wegen der Überschreitung der sogenannten Maastricht-Kriterien einen blauen Brief aus Brüssel. Hinzu kam die Stellungnahme der fünf Wirtschaftsweisen zur aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung und als Höhepunkt die neuesten Daten der Steuerschätzung, die Steuerausfälle in Mia. Höhe für Bund, Länder und Kommunen sowohl für 2002 als auch für 2003 voraussagten.
Vor dem Hintergrund der gleichzeitigen Haushaltslöcher in den Sozialversicherungen kommt die öffentliche Debatte seitdem verständlicherweise überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Ich will jetzt nicht der Diskussion über den Haushalt 2003 in der nächsten Woche vorgreifen. Heute nur soviel dazu: Natürlich befindet sich die Bundesrepublik in einer schweren Krise. Aber diese Krise ist nicht wegen der faktischen Lage so dramatisch oder weil wir uns jetzt nur noch im freien Fall abwärts bewegen.
Aus meiner Sicht ist es eine sehr ernst zu nehmende Krise weil die verantwortlichen gesellschaftlichen Kreise dieses Landes nicht dazu imstande sind, gemeinsame Lösungswege zu erarbeiten und durchzusetzen. Symptomatisch dafür ist das Schauspiel, das uns derzeit die Bundesregierung und die Opposition in Berlin vorführen.
Nach den Hiobsbotschaften im November entschloss sich der Bundesfinanzminister - was den laufenden Haushalt angeht - zu einem Nachtragshaushalt. Auch für Schleswig-Holstein ergab sich aus Sicht des SSW keine andere Möglichkeit, als das große Haushaltsloch durch einen Nachtragshaushalt zu schließen.
Wie angeschlagen die bundesdeutsche Finanzordnung ist, ersieht man auch daran, dass über die Hälfte der Bundesländer in diesen Tagen wegen der massiven Steuerausfälle einen Nachtragshaushalt für das laufende Haushaltsjahr beschließen müssen.
Dabei ist es ein einmaliger Vorfall in der Geschichte des Landes Schleswig-Holstein, dass wir heute einen Nachtragshaushalt nur beschließen können, indem wir eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes feststellen, weil wir sonst nicht mehr die notwendigen Kredite aufnehmen könnten, um das aktuelle Haushaltsloch für 2002 zu decken.
Wer hätte sich eine solche dramatische Entwicklung vorstellen können, als wir vor genau einem Jahr den Haushalt für 2002 hier im Landtag beschlossen haben? Natürlich gab es auch damals schon einige Unsicherheiten darüber, wie der Haushaltsvollzug verlaufen würde. Insbesondere gab es unterschiedliche Auffassungen über die Höhe des Wirtschaftswachstums, die natürlich sehr entscheidend ist für die Einnahmesituation des Landes.
Dem Landeshaushalt 2002 lag ein erwartetes Wirtschaftswachstum von 1,25% zugrunde. Leider hat sich nun gezeigt, dass das Wirtschaftswachstum für 2002 sehr wahrscheinlich unter 0,5% fallen wird. Man kann natürlich sagen, dass diejenigen, die letztes Jahr vor zu optimistischen Prognosen gewarnt hatten, Recht behalten haben.
Aber der Einbruch des Wirtschaftswachstums als Folge der internationalen Konjunkturschwäche kann nicht allein die massiven Steuerausfälle von über 400 Mio. Euro erklären. Statt der veranschlagten 5.640,1 Mio. Euro werden die Steuereinnahmen voraussichtlich dieses Jahr nur 5.210,0 Mio. Euro betragen. Das Defizit von genau 430,1 Mio. Euro erklärt sich aber auch aus dem fast völligen Ausfall der Körperschaftssteuer. Im Haushaltsentwurf vom Dezember 2002 rechnete die Landesregierung noch für dieses Jahr mit Einnahmen in Höhe von über 400 Mio. Euro aus dieser Steuer. Nach der November-Steuerschätzung sind aber nur ca. 40 Mio. Euro zu erwarten.
Damit fehlen allein aus der Körperschaftssteuer für dieses Jahr über 360 Mio. Euro. Das Haushaltsloch für Schleswig-Holstein lässt sich also fast ausschließlich durch die Fehlentwicklung bei den Einnahmen für die Körperschaftssteuer erklären.
Mit anderen Worten: Welch eine katastrophale Fehleinschätzung der rot-grünen Bundesregierung, die durch die Unternehmenssteuerreform die neuen Regelungen für die Körperschaftssteuer eingeführt hat. Nicht nur die Länder haben die Folgen zu spüren bekommen, sondern auch die Kommunen müssen mit starken Einnahmeverlusten bei ihrem Anteil der Körperschaftssteuer rechnen. Deshalb ist die schleswig-holsteinische Landesregierung nicht unschuldig an dieser Entwicklung. Schließlich hat sie dieser Reform im Bundesrat zugestimmt. Wobei wir natürlich begrüßen, dass sich die Landesregierung und ihr Finanzminister schon seit Anfang des Jahres eines Besseren besonnen und eine Änderung in diesem Bereich gefordert haben.
Diese Änderung der Körperschaftssteuer muss nun aber schnellstens umgesetzt werden. Es kann nicht weiter angehen, dass die Länder und Kommunen vor der Pleite stehen, während viele große Konzerne sogar Geld von der Steuer zurückbekommen. Zumal diese massiven Steuersenkungen für die Wirtschaft, wie wir jetzt ja wissen, leider keine positiven Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung gehabt hat. Darüber hinaus muss man immer noch die Ungleichheit in der steuerlichen Behandlung von Personengesellschaften und Aktiengesellschaften beklagen, die durch diese Unternehmenssteuerreform entstanden ist.
Wir erwarten deshalb auch, dass die unionsgeführten Länder einen entsprechenden Vorstoß der Bundesregierung im Bundesrat unterstützen. Schließlich hat ja der damalige Kanzlerkandidat der Union, Ministerpräsident Stoiber, im Wahlkampf diese Forderung erhoben. Auch in dieser Frage muss endlich Schluss sein mit der klassischen Blockadehaltung einer Opposition im Bundesrat. Es geht hier schließlich um das Wohl des Gemeinwesens, insbesondere auch um das der Kommunen.
Sieht man sich in Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt noch mal die Entwicklung der Steuereinnahmen für Schleswig-Holstein an und zwar einschließlich des Länderfinanzausgleiches und der Bundesergänzungszuweisungen, denn diese Gelder kommen ja letztlich bei uns an so muss man feststellen, dass die geschätzten Steuereinnahmen für 2002 mit 5.210,0 Mio. Euro die niedrigsten Steuereinnahmen seit 1997 sind. Diese Zahlen machen deutlich, vor welchen Problemen wir stehen, denn die Ausgaben sind ja leider nicht dementsprechend gesunken. - Trotz vielerlei Anstrengungen der Landesregierung, die Ausgabenentwicklung in den Griff zu bekommen.
Ein Beispiel dafür, wie schwierig es ist, konsequent die Ausgaben im Landeshaushalt zu senken, ist die Beihilfe für Landesbedienstete. Schon 1999 hatte der Landtag durch eine Gesetzesänderung versucht, die stark ansteigenden Beihilfekosten zu reduzieren. Dieses Gesetz, das natürlich Leistungsansprüche reduzierte, griff nur ein paar Jahre. Denn mit dem Nachtragshaushalt müssen wir feststellen, dass die Beihilfekosten in diesem Jahr 8 Mio. Euro über den erwarteten Kosten liegen. Eine der Hauptursachen ist auch darin zu suchen, dass wir jetzt wieder mehr verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer verzeichnen können, die natürlich auch Beihilfeansprüche haben.
Damit zeigt sich wieder einmal, dass Maßnahmen, die kurzfristig im Landeshaushalt zu finanziellen Entlastungen führen nämlich die Verbeamtung der Lehrerinnen und Lehrer - längerfristig dennoch wieder neue zusätzliche Ausgaben verursachen.
Auch in anderen Bereichen sind die Kosten mehr als budgetiert gestiegen. Das gilt zum Beispiel für die Lehrerpersonalkosten, die 13,9 Mio. über dem Soll liegen. Auch hier sind einige der Ursachen interessant. Denn Land auf Land ab fordern Eltern und Öffentlichkeit zu Recht, dass das Problem mit der fehlenden Unterrichtsversorgung gelöst wird. Diesem Ansinnen ist das Bildungsministerium zum Beispiel durch den verstärkten Einsatz von Lehrkräften nachgekommen. Aber natürlich kostet dieses alles zusätzliches Geld. Hier gibt es also einen Konflikt zwischen dem Ziel der besseren Unterrichtsversorgung und dem Ziel, die Personalbudgets nicht ansteigen zu lassen.
Leider hat es auch in einem anderen Einnahmebereich Probleme gegeben, auf die das Land wenig Einfluss gehabt hat, dessen finanzielle Folgen wir aber dennoch tragen müssen. Denn die Einnahmen der Gerichtskosten sind ca. 8 Mio. Euro hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Hier hat sich u.a. das bundesgesetzlich geregelte Insolvenzrecht negativ auf die Finanzen des Landes ausgewirkt. Alle diese Beispiele zeigen, dass sich trotz guten Willens zur Konsolidierung des Landeshaushaltes nicht immer alles so umsetzen lässt, wie es sich die Öffentlichkeit vorstellt.
Finanzminister Möller hat die Tatsache, dass beim Nachtragshaushalt sowieso eine Nettoneukreditaufnahme über dem verfassungskonformen Niveau der Investitionen hinaus getätigt werden musste, dazu benutzt, um noch andere Haushaltsprobleme zu lösen. Neben der Bürgschaft für die Flender-Werft denke ich hier natürlich insbesondere an den geplanten Verkauf der 5% Landesanteile der Landesbank, der ja im Haushalt mit 100 Mio. Euro Einnahmen angesetzt war.
Ich habe das bereits bei der Debatte um das Sparkassengesetz gesagt: Der SSW unterstützt die Landesregierung in ihrem Bestreben, diesen Verkauf erst einmal zu verschieben. Die aktuelle Situation ist nicht so, dass man einen Käufer bekommen konnte, der diesen Preis bezahlen würde. Von daher wenden wir Schaden vom Land ab, wenn wir für den Verkauf einen günstigeren Zeitpunkt abwarten. So weit ich mich erinnern kann, hat der geschätzte Kollege Kubicki auch immer vor einem zu billigen Verkauf der Anteile an der Landesbank gewarnt. Allerdings will er jetzt in seinen Haushaltsanträgen die gesamte Landesbank verkaufen. Das hängt nun - wie so vieles bei der FDP - gar nicht zusammen.
Als Folge dieser ganzen Entwicklung muss das Land jetzt im Nachtragshaushalt seine Nettoneukreditaufnahme verdoppeln und sich um insgesamt über eine Mia. Euro verschulden. Wie schon gesagt ist dieses eine Entwicklung, die in dieser Größe noch nie da gewesen ist. So eine Neuverschuldung ist nach Artikel 53 Landesverfassung nur möglich zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes, die der Landtag jetzt feststellen muss.
Nun können wir ja gern in eine theoretische Diskussion darüber eintreten, ob eine solche Störung vorliegt oder nicht. Natürlich kann man sagen, dass bei einem positiven Wirtschaftswachstum - wie wir es ja immer noch haben objektiv gesehen keine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes vorliegt. Allerdings frage ich mich dann wenn wir überhaupt keine Probleme haben - warum seit Wochen in diesem Land vonseiten der Presse, von den Wirtschaftsverbänden oder von anderen Interessenorganisationen so laut herumgejammert wird, als stünde das Ende des Abendlandes bevor?
Der SSW sieht dies alles pragmatischer. Wenn wir jetzt den Nachtragshaushalt nicht beschließen und somit keine Nettoneuverschuldung in dieser Höhe zulassen, dann müssen wir im nächsten Jahr massive Einsparungen vornehmen und damit meine ich wirklich schmerzliche und grausame Maßnahmen, die auch in Entlassung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landes münden würden. Keine verantwortlichen Politiker können dies ernsthaft wollen, und deshalb bleibt uns eigentlich nur noch übrig, dem Nachtragshaushalt 2002 zuzustimmen. Der SSW stimmt also dem Nachtragshaushalt zu, um Schlimmeres zu verhüten.