Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 13.07.2001 Neufassung Lehrerarbeitszeit

Die Lehrerarbeitszeit ist in allen Bundesländern ein heiß diskutiertes Thema. Bereits Ende der 90er Jahre hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalens ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die berufsbedingte Arbeitszeit der Lehrkräfte zu erfassen. Auf objektiver, empirischer Basis sollten Aufgaben und Stunden der Lehrerinnen und Lehrer erhoben werden. Das durchführende Institut Mummert und Partner hat darüber hinaus Vorschläge für eine differenziertere und effektivere Arbeitszeitregelung erarbeitet. Durchgeführt wurde das Projekt von Juli 1997 bis November 1999. In Nordrhein-Westfalen werden derzeit die Vorschläge umgesetzt .

Auch unsere Landesregierung will das Gutachten in seiner Planung berücksichtigen. Die Fachkommission zur Neustrukturierung der Lehrerarbeitszeit hat sich damit beschäftigt, ohne bis jetzt aber einen abschließenden, schriftlichen Bericht vorzulegen. Auf den Abschlußbericht sind wir alle gespannt, weil die Standpunkte bekanntermaßen auseinanderliegen: die einen wollen weniger Stunden, die anderen das genaue Gegenteil.

Das nordrhein-westfälische Gutachten legt erst einmal harte Fakten vor. Es listet den gesamten Arbeitsaufwand der über 6.000 befragten Lehrer auf. Die Auswertung zeigte, dass Lehrkräfte viele Stunden mit der Unterrichtsvorbereitung verbringen, aber auch mit Elterngesprächen, dem Engagement in Arbeitsgemeinschaften oder Konferenzen. Diese Stunden tauchen im Stundendebutat gar nicht auf. Kurz gesagt: die Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen arbeiten länger als auch die schärfsten Kritiker vermuteten. Die erfassten durchschnittlichen Jahresarbeitszeiten liegen je nach Schulform zwischen 1.750 und 1.976 Stunden. Dabei hat die Analyse gezeigt, dass innerhalb einer Schulform als auch schulformübergreifend für gleiche Aufgaben unterschiedlich hoher zeitlicher Aufwand anfällt. Das hängt damit zusammen, dass die einzelnen Schulen viele Aufgaben ganz unterschiedlich regeln.
Mummert und Partner schlagen verschiedene Auswege aus dieser Belastung vor. Unter anderem wurden Normalaufwände entwickelt, die aus den Ist-Werten abgeleitet wurden. Für Aufgabenbereiche wie Korrekturen, Konferenzen, Klassenfahrten usw. werden Stunden angerechnet. Dabei soll die einzelne Schule mit einem Stundenbudget arbeiten können, damit die Einzigartigkeit der Schulen nicht verloren geht.

Letztlich laufen alle Vorschläge auf eine Entlastung der Lehrkräfte hinaus. Mummert und Partner haben ausgerechnet, dass mit ihrem Modell die gewichtete jährliche Jahresarbeitszeit über alle Schulformen bei 1.718 Stunden liegen würde. Damit wäre die durchschnittliche Arbeitszeit im öffentlichen Dienst erreicht. Der SSW teilt dieses Ziel, denn es ist nicht einzusehen, warum Lehrkräfte länger als beispielsweise Müllwerker oder Finanzbeamte arbeiten sollen.

Den Schlussfolgerungen der Gutachter will sich die Landesregierung nur bedingt anschließen. Sie möchte zunächst - wie wir gehört haben - im Rahmen der Aufgabenanalyse und Aufgabenkritik in einigen Schulen neue Arbeitszeitmodelle testen. Bevor aber die Versuche starten, müssen die Lehrkräfte ihren Stundenaufwand dokumentieren. Für mich ist es wenig überraschend, dass die Lehrkräfte nicht bereit sind, diesen Mehraufwand auf sich zu nehmen. Denn in Schleswig-Holstein haben wir andere Vorzeichen als in Nordrhein-Westfalen. Es geht um Stundenerhöhung und nicht um Stundenentlastung, wie wir seit der Haushaltsklausur wissen. Ich möchte noch einmal sagen, dass ich die einseitige Sicht der Lehrerstunden als Haushaltsproblem für sehr unglücklich halte. Die Schulen sind in diesem Klima misstrauisch gegen Vorstöße der Landesregierung geworden. Das mag man bedauern, aber es bleibt eine Tatsache.

Ich schlage der Landesregierung vor, neue Arbeitszeitmodelle nicht nur modellhaft an einzelnen Schulen zu testen. Wie wir aus dem Gutachten wissen, können auch Schulen gleicher Schulart sehr unterschiedliche Strukturen haben, die zu sehr unterschiedlichen Belastungen der einzelnen Lehrkräfte führen. Die Situation kann sich nur verbessern, wenn wir genau wissen, wo der Schuh drückt. Wo liegen die regionalen, schulartspezifische und fachlichen Engpässe in Schleswig-Holstein? Wieviele Stunden engagieren sich die Lehrer tatsächlich? Diese Fragen müssen erst genau geklärt werden, bevor über neue Maßnahmen gesprochen wird.

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