Rede · Christian Dirschauer · 13.12.2023 Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte entlasten

„Wir brauchen dringend auch für Poolärzte eine gesetzlich verankerte Befreiung von der Sozialversicherungspflicht“

Christian Dirschauer zu TOP 25 - Sozialversicherungspflicht im Bereitschaftsdienst aufheben (Drs. 20/1688)

Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht mag die Entscheidung der KVSH, den rund 450 Poolärzten im Land zum Jahresende zu kündigen, sinnvoll sein. Denn die in Rede stehenden Beiträge zur Rentenversicherung von drei bis fünf Millionen Euro jährlich sind keine Peanuts. Wären noch Rückforderungen fällig geworden, hätte sich die finanzielle Mehrbelastung für die KVSH sogar auf fast 15 Millionen Euro summiert. Dass man nicht sehenden Auges in eine solche Situation laufen will, kann ich gut nachvollziehen. Aber aus gesundheitspolitischer Sicht und mit Blick auf die Patientenversorgung ist diese Entscheidung - oder vielmehr das hierfür ursächliche Urteil des Bundessozialgerichts - natürlich katastrophal. Denn die Poolärzte übernehmen bis zu 30 Prozent der insgesamt anfallenden Dienste und sind damit eine wichtige Säule der Versorgung im Bereitschaftsdienst. Noch dazu steht zu befürchten, dass das, was bisher von ihnen auf Honorarbasis geleistet wurde, in Zukunft durch niedergelassene Ärzte übernommen werden muss. Dabei wissen wir alle, dass diese Berufsgruppe strukturell überlastet ist und häufig am absoluten Limit arbeitet.

Es ist also völlig richtig und vor allem dringend notwendig, was im vorliegenden Antrag gefordert wird: Wir brauchen schnellstmöglich eine gesetzliche Lösung, um die Poolärzte analog den Notdienstärzten im Rettungsdienst von der zusätzlichen Sozialversicherungspflicht auszunehmen. Leider können wir das nicht einfach hier auf Landesebene regeln. Die entsprechende Anpassung muss im SGB IV und damit durch den Bund erfolgen. Und dieses Thema wurde ja auch in der Gesundheitsministerkonferenz und im Bundesrat bewegt. Doch passiert ist bisher leider nichts. Offensichtlich ist man sich noch immer nicht der Tragweite und der Dringlichkeit des Problems bewusst. Aus Sicht des SSW sind wir daher alle gut beraten, unsere Kontakte nach Berlin zu nutzen und den Druck zu erhöhen. Denn die angekündigten Gespräche auf Fachebene allein, werden wohl kaum zur schnellen Lösung des Problems führen. Aber genau die brauchen wir. 

Die Einschränkungen, die im ärztlichen Bereitschaftsdienst schon ab dem 1. Januar drohen, sind mittlerweile genau benannt: Laut KVSH müssen die allgemeinen Anlaufpraxen an neun von 32 Standorten montags, dienstags und donnerstags geschlossen werden. Betroffen sind neben Eckernförde, Bad Oldesloe, Oldenburg, Preetz und Westerland auch Büsum, Ratzeburg, Kappeln und Neustadt. So sehr mich freut, dass insbesondere alle zwölf kinderärztlichen Anlaufpraxen ihren Dienst in vollem Umfang aufrechterhalten können, so sehr besorgt mich dieser Einschnitt in die Versorgung insgesamt. Denn auch wenn die KVSH ihrem Versorgungsauftrag nachkommt und den ärztlichen Bereitschaftsdienst im Land weiterhin sicherstellt, werden die Wege weiter und die Barrieren höher. Es liegt auf der Hand, dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte das bisherige Versorgungsniveau nicht aufrechterhalten können. Denn sie haben parallel ja auch die anspruchsvolle Aufgabe, die Regelversorgung in ihren Praxen sicherzustellen. 

Wir sind uns sicher einig: Das, was sich hier als vermeintliche Lösung abzeichnet, ist inakzeptabel. Und zwar nicht nur, weil sich die Versorgungssituation für die Patientinnen und Patienten im Land verschlechtert. Sondern auch, weil eine solche Notlösung langfristig erhebliche negative Auswirkungen für die Ärzteschaft selbst hätte. Denn anhaltend hohe zusätzliche Dienstbelastungen sind genau das, was wir hier nicht brauchen. Statt der dringend nötigen Flexibilität und der Möglichkeit, auch mal weniger als 50 oder 60 Stunden in der Woche zu arbeiten, würde die Niederlassung nur noch unattraktiver werden. In der Folge gäbe es dann noch weniger Nachfolgerinnen und Nachfolger für die Praxen im Land. Und der Druck auf die bestehenden würde zusätzlich steigen. Das kann wohl niemand ernsthaft wollen. Deshalb brauchen wir hier schnell eine Lösung, die dauerhaft trägt und nicht zuletzt die Ärztinnen und Ärzte entlastet. 

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