Rede · Christian Dirschauer · 24.03.2021 Pflege-Initiative des SSW: Psychische Gesundheit in der Pflege stärken

„Die Arbeitsbelastung in der Pflege bleibt hoch und die Wertschätzung gering – so kann es nicht weitergehen“

Christian Dirschauer zu TOP 31 - Psychische Gesundheit in der Pflege stärken (Drs. 19/2868)

Für mein Gefühl ist das Bild vom Brennglas Corona, das gesellschaftliche Missstände verdeutlicht, ziemlich überstrapaziert. Aber es gibt nun mal Themen, auf die dieses Bild exakt zutrifft. Und hierzu zählt für mich und meine Partei die Situation auf Intensivstationen aber auch in vielen Altenheimen und Krankenhäusern insgesamt. Aus unserer Sicht ist das, was die Menschen in Pflegejobs tagtäglich leisten, wirklich beeindruckend. Und dieser Einsatz verdient auch ohne erschwerte Bedingungen einer Pandemie unseren größten Respekt und Anerkennung. Für diese Arbeit möchte ich mich an dieser Stelle aufrichtig bedanken. 

Leider müssen wir spätestens jetzt, nach einem Jahr Corona-Krise, erkennen, dass ausgerechnet die Gruppe der Pflegenden besonders stark belastet ist. Noch dazu in mehrfacher Hinsicht. Denn Pflegefachkräfte infizieren sich nicht nur überproportional häufig mit dem Virus. Auch ihr Arbeitsalltag in Heimen und Kliniken hat sich durch die Pandemie gravierend verändert. Nicht nur auf den Intensivstationen nimmt die Arbeitsverdichtung zu. Bei vielen Pflegenden wächst die Zahl der Überstunden immer weiter. Nach dem, was ich an Rückmeldungen bekomme, ist die Arbeitsbelastung in vielen Einrichtungen mittlerweile wirklich mehr als grenzwertig.

Pflege ist ein echter Knochenjob. Und es ist kein Geheimnis, dass Pflegende viel zu oft auch psychisch sehr belastetet sind. Die Krankenstände sind deutlich höher als bei anderen Berufsgruppen. Und deshalb wurden die Rahmen- und Arbeitsbedingungen in der Pflege auch hier im Landtag immer wieder diskutiert. Doch geändert hat sich wenig. Die Arbeitsbelastung bleibt hoch; und die Wertschätzung gering. Aus unserer Sicht muss aber spätestens durch die Erfahrung des vergangenen Jahres allen klar sein, dass es so nicht weiter gehen kann. Wir können nicht nur darauf warten, dass der Bund endlich liefert und zum Beispiel für eine verbindlichere Personalbemessung sorgt. Wir müssen auch als Land mehr tun, um die Situation für unsere Pflegekräfte zu verbessern.

Mit unserem Antrag wollen wir hier einen Beitrag leisten und den Blick auf die psychische Gesundheit von Pflegekräften lenken. Unsere Vorschläge beziehen sich also auf einen sehr wichtigen Aspekt des Pflegeberufs, aber es ist natürlich nur ein Teilbereich. Und doch ist die Frage der psychischen Gesundheit von Pflegenden in diesen Zeiten wichtiger denn je. Denn viele sind seit Monaten in einer Extremsituation. Corona stellt sie längst nicht nur beruflich vor neue Herausforderungen. Neben dem ohnehin hohen Druck leben sie zusätzlich mit der Angst, nicht nur sich selbst, sondern auch Familie und Freunde anzustecken. Ich kann gut verstehen, dass diese Doppelbelastung für viele kaum noch zu ertragen ist. 

Daraus folgt für uns, dass wir möglichst viele pflegende Menschen besser vor psychischen Belastungen und Erkrankungen schützen müssen. Nicht nur, aber auch unter den verschärften Bedingungen einer Pandemie. Hierfür brauchen wir eine Art Früherkennungs- oder Frühwarnsystem, das stressbedingte Erkrankungen schon in einem frühen Stadium aufdeckt. Noch dazu müssen Pflege-, Assistenz- und Betreuungskräfte flächendeckend Zugang zu Schulungen und im Zweifel auch zu psychologischer Betreuung haben. Und wir hoffen, dass wir am Ende zu einer landeseigenen Strategie und einem Präventionsprogramm kommen, das die psychische Gesundheit unserer Pflegekräfte dauerhaft fördert.

Ich habe schon angedeutet, dass wir mit unserer Initiative längst nicht alle Probleme rund um das Thema Pflege in den Blick nehmen können. Es gibt auch andere große Herausforderungen. Wir dürfen zum Beispiel auch die Gruppe der pflegenden Angehörigen nicht vergessen. Denn sie versorgen fast zwei Drittel aller Pflegebedürftigen. Für sie gibt es zwar wertvolle Hilfe durch die Pflegestützpunkte oder Verbraucherzentrale, aber auch diese Gruppe steht immer stärker unter Druck. Laut einer aktuellen Umfrage des Bundesverbands pflegender Angehöriger hat sich der gesundheitliche Zustand und die Lebensqualität bei 52 Prozent der Befragten verschlechtert. Auch diese Entwicklung ist in meinen Augen alarmierend. Und auch hier müssen wir zeitnah versuchen, zu Entlastungen zu kommen. 

Der vorliegende Antrag fordert also nur einige von vielen wichtigen Maßnahmen. Und doch ist eine eigene Strategie des Landes zur Förderung der psychischen Gesundheit gerade jetzt ein wirklich wichtiger Schritt. Ich hoffe, dass wir hier möglichst schnell einen gemeinsamen Weg finden, um die Situation der Pflegenden zumindest ein Stück weit zu verbessern. 

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