Rede · 27.09.2024 Psychosoziale Versorgung schneller und niedrigschwelliger machen!

„Die Ausgangslage ist zwar allgemein bekannt, aber deshalb nicht weniger besorgniserregend: Die psychosozialen Belastungen bei Schülerinnen und Schülern sind groß - und das Hilfesystem ist längst überfordert.“

Christian Dirschauer zu TOP 14 - Psychosoziale Versorgung der Schüler*innen langfristig sicherstellen (Drs. 20/2460)

Die Ausgangslage zu diesem Tagesordnungspunkt ist zwar allgemein bekannt, aber deshalb nicht weniger besorgniserregend: Die psychosozialen Belastungen bei Schülerinnen und Schülern sind groß - und das Hilfesystem für sie ist längst überfordert. Leider gilt das sowohl im therapeutischen Bereich als auch in der psychosozialen Jugendhilfe. Klimakrise, Pandemie und Kriege sorgen auch und gerade bei jungen Menschen für große Verunsicherung und Angst. Und spätestens seit Corona zeichnen daher immer mehr Studien zur Situation von Kindern und Jugendlichen ein düsteres Bild: Psychische Erkrankungen wie Angst- und Anpassungsstörungen und sogar Suizidversuche haben in den Pandemiejahren signifikant zugenommen. Aber auch heute, im Jahr 2024, muss man leider feststellen, dass die Rückkehr zur Normalität zwar für den Schulbetrieb gilt. Aber das Ausmaß der psychosozialen Belastungen bei Schülerinnen und Schülern ist alles andere als auf Normalniveau.

Allein die Tatsache, dass sich schon vor der Corona-Pandemie jeder fünfte Jugendliche psychisch belastet gefühlt hat, ist alarmierend genug. Mittlerweile ist es fast schon jeder dritte. Aus meiner Sicht müssen wir diese Zahlen noch viel ernster nehmen. Und zwar nicht zuletzt, weil sich im gleichen Zeitraum die Wartezeiten auf ein Erstgespräch oder Therapieplatz verdoppelt haben. Noch dazu kommt eine solche Unterversorgung in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein besonders schwer zum Tragen. Vor diesem Hintergrund kann ich nur begrüßen, dass die SPD die psychische Gesundheit an Schulen beziehungsweise die psychosoziale Versorgung der Schülerinnen und Schüler hier als Thema platziert. Und es kann wohl auch kaum überraschen, dass der SSW die im Antrag enthaltenen Forderungen teilt.

Wenn wir uns ehrlich machen und das Problem in seinem Ausmaß zumindest mal anerkennen, dann enthält der SPD-Antrag eigentlich auch nur das absolute Minimum des Nötigen. Und leider greift auch der Alternativantrag mit seinen Prüfaufträgen deutlich zu kurz. Wir brauchen hier viel, viel mehr als die sprichwörtliche Feuerwehr. Wir müssen deutlich stärker auf Prävention setzen und psychosoziale Versorgung so organisieren, dass sie Kinder und Jugendliche frühzeitig erreicht. Denn psychische Belastungen, die im Kindes- und Jugendalter entstehen, wirken sich negativ in nahezu alle Entwicklungsbereiche aus. Unbehandelt führen sie zu weiteren psychischen Störungen, zu Problemen in der sozialen Teilhabe, zu schlechteren Schulleistungen und damit zu schlechteren Bildungsabschlüssen. Noch dazu wird das Störungsbild immer komplexer und der Leidensdruck immer größer, je länger es besteht. Es ist längst erwiesen, dass zwei Drittel aller psychischen Erkrankungen bei Erwachsenen bereits im Kindesalter beginnen. Und auch deshalb muss für uns Prävention langfristig Vorrang vor reiner Symptombekämpfung haben.

In der letzten Debatte zum Thema hat meine Kollegin Sybilla Nitsch darauf hingewiesen, dass Schulen mehr sind als Orte, an denen Kinder und Jugendliche fachliche Inhalte lernen. Das ist und bleibt natürlich völlig richtig. Schulen haben auch den klaren Auftrag, Schülerinnen und Schülern den Ausbau ihrer sozialen und emotionalen Kompetenzen und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit zu ermöglichen. Daraus folgt, dass wir nicht nur das Hilfesystem außerhalb, sondern vor allem auch die entsprechenden Ressourcen in den Schulen stärken müssen. Es ist also nur folgerichtig, dass wir neben der Schulpsychologie das gesamte multiprofessionelle Team in den Blick nehmen und alle Professionen stärken müssen. Denn alle hier Tätigen leisten einen Beitrag zur Unterstützung psychosozial belasteter oder kranker Kinder und Jugendlicher. Und sie haben nicht zuletzt auch oft eine wichtige Lotsenfunktion und können dafür sorgen, dass die Betroffenen schneller und niedrigschwelliger in eine psychotherapeutische Versorgung vermittelt werden. Und auch das sollte in unser aller Interesse sein.

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