Rede · 26.09.1996 Reform der Sozialhilfe

In einem Ziel sind wir uns einig: Die Hilfe für unfreiwillig arbeitslos gewordene Bürgerinnen und Bürger kann nicht darin bestehen, sie mit Transfereinkommen zu versorgen und in Passivität zu belassen. Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger sollen aktiv an dem Erwerbsleben teilnehmen, falls sie es können.

Hiernach hört aber auch der Konsens auf. Denn im Gegensatz zu manchen Kolleginnen und Kollegen bin ich der Ansicht, daß der weit überwiegende Teil der Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Sozialhilfe beziehen auch aktiv sein und arbeiten wollen. Deshalb müssen wir diesen Menschen durch eine aktive Politik der Wiedereingliederung in die Erwerbstätigkeit helfen, und sie nicht durch unsinnige Arbeitsdienste weiter in ihrer Würde kränken. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik kann diesen Menschen durch gemeinnützige, sozialversicherungspflichtige Jobs dazu zu verhelfen, im ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen.

Ganz falsch ist es allerdings, den Betroffenen mit aller Gewalt jedwede Tätigkeit aufbürden zu wollen, und ihnen einzureden, wenn sie die Arbeit ablehnten, seien sie Schmarotzer. Gerade das scheint mir aber der Grundtenor der neuen Sozialhilfegesetzgebung zu sein.
In einer Welt, in der der gesellschaftliche Status und das Selbstbild der Menschen wesentlich durch ihre Arbeit bestimmt wird, wäre es unmenschlich, ihnen eine anfor-derungslose Tätigkeit aufzubürden, die ihnen den letzten Rest an Selbstrespekt raubt. Es kann auch kein Arbeitgeber an potentiellen Arbeitnehmern interessiert sein, deren ohnehin durch die Arbeitslosigkeit angeschlagenes Selbstbewußtsein durch Zwangsarbeit zusätzlich gebrochen worden ist.

Das heißt nicht, daß wir auf Maßnahmen verzichten müssen, die Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern sinnvolle Tätigkeiten vermitteln. Nur so kann man ihre schlechten Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. Eine solche Arbeit muß aber einen ordentlichen Lohn bieten und zumindest sozialversicherungspflichtig sein, damit wir das Elend dieser Menschen nicht bis ins Rentenalter verlängern. Eingliederung, nicht die Verhinderung von vermeintlichen Schmarotzerinnen und Schmarotzern, muß der Stern sein, unter dem unsere Arbeit steht.

Die Sozialhilfe ist kein Almosen, sondern ein Minimum - ein zu geringes Minimum - das den schwachen und unfreiwilligen Verlierern unserer Gesellschaft ein menschenwürdiges Leben sichern soll. Wir können daher nicht den Antrag der CDU unterstützen. Dem SPD-Antrag hingegen werden wir zustimmen. Er setzt die richtigen Zeichen für einen menschlichen Umgang mit den sozialpolitischen Rasenmäherexzessen der Bundesregierung.

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