Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 19.05.2010 Rundfunkgebührenstaatsvertrag

Üblicherweise wird das Parlament über die Rundfunkänderungsstaatsverträge erst so spät unterrichtet, dass von einer Einflussnahme nicht mehr die Rede sein kann. Aus diesem Grund hat der SSW den vorliegenden Antrag vor der Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz am 09. Juni gestellt. Es ist uns wichtig, dass das Parlament Stellung zu einer Diskussion um ein neues Gebühren-Modell für Rundfunkgeräte bezieht, bevor sich das Land Schleswig-Holstein positioniert.

Die GEZ-Gebühr zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Hör- und Rundfunksender gibt es bereits seit 1976. Mit derzeit 5,76 Euro pro Monat für Radios oder neuartige Rundfunkgeräte und 17,98 Euro insgesamt für Empfangsgeräte leistet sich Deutschland das teuerste Rundfunksystem der Welt. Für den SSW möchte ich ganz klar sagen, dass uns die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unabhängig von Einschaltquoten und Geldgebern diese Gebühr wert ist. Dabei steht für uns mehr der Anspruch an Aufklärung, Demokratie und Bildung im Vordergrund, als der Anspruch Medienpolitik mit Wirtschaftsförderung gleichzusetzen.
Gleichzeitig muss die Gebühr für den Hör- und Rundfunk angemessen und fair sein und das ist sie aus unserer Sicht derzeit nicht. Die sinkende Akzeptanz der GEZ-Zahlung in den letzten Jahren macht deutlich, dass das GEZ-Modell zum einen der technischen Entwicklung nicht mehr standhält, also die Kopplung von Gebühr und Gerät nicht mehr praktikabel ist. Zum anderen sind immer weniger Nutzer bereit, sich von der GEZ als hinterhältige Schmarotzer abstempeln zu lassen und Gebühren für ein Programm zu zahlen, das sie überhaupt nicht anspricht. Und zudem sind aus unserer Sicht die Befreiungstatbestände nicht ausreichend, da es viele Menschen gibt, die unter dem Existenzminimum leben oder Wohngeld in Anspruch nehmen, aber nicht von der GEZ-Zahlung befreit werden können.

Der Berichterstattung der Medien ließ sich in den letzten Wochen entnehmen, dass derzeit vor allem die sogenannte Haushaltsabgabe als neues GEZ-Modell favorisiert wird. Demnach zahlen alle Haushalte unabhängig von Personen und Geräten einen Pauschalbetrag, Betriebe zahlen eine gestaffelte Gebühr und Sozialhilfeempfänger zahlen die volle Gebühr, bekommen sie aber über das Sozialamt wieder. Obwohl Herr Prof. Dr. Kirchhof in seinem Rechtsgutachten zu diesem Modell verfassungs- und europarechtliche Bedenken aus dem Weg geräumt hat, möchte ich für den SSW einige politische Anmerkungen machen.

Aus Sicht des SSW sind wir mit dem Modell der Haushaltsabgabe auf dem richtigen Weg. Zukünftig würde nicht nur die leidige Schnüffelei der GEZ wegfallen, auch die überflüssige Diskussion über Empfangsgeräte wäre hinfällig. Allerdings führt dieses Modell auch zu einem Paradigmenwechsel in der Argumentation für ein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem und damit auch zu neuen Problemen. Zukünftig zahlen nämlich nicht mehr nur diejenigen, die eine Leistung entgegennehmen, sondern alle, weil sie eine Leistung entgegen nehmen könnten. Von der bisherigen Legitimation der GEZ-Gebühren, dass man für das zahlt, was man nutzt, verabschiedet man sich also. Vielmehr wird eine Argumentation aufgebaut, nach der alle Menschen irgendwie vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk profitieren und daher auch einen Beitrag erbringen müssen. Ich habe aber Zweifel, dass diese Argumentation stand hält und das Modell wirklich schon zu Ende gedacht ist. Ein nötiger Kompromiss aus unserer Sicht wäre daher z.B., Menschen, die kein Empfangsgerät vorhalten, von der GEZ-Gebühr zu befreien.

Der Anspruch, ein Rundfunksystem zu haben, dass unabhängig von politischem und wirtschaftlichem Druck berichten kann, ist aus Sicht des SSW verständlich und gut. Allerdings möchte ich schon jetzt darauf hinweisen, dass es schwierig wird, innerhalb der Gesellschaft ausreichend Akzeptanz für eine Zahlungspflicht zu erreichen, die unabhängig von der Nutzung ist. Es muss also deutlich werden, dass wir es hier mit einem solidarischen Rundfunk-Modell zu tun haben, das von der Mitwirkung aller lebt. Ja und dann fragt man sich natürlich, warum man nicht auf ein Steuermodell umstellt.

Für den SSW fasse ich zusammen, dass das unabhängige öffentlich-rechtliche Rundfunksystem erhalten bleiben muss. Die Haushaltsabgabe ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es müssen aber die Menschen mitgenommen werden, die sich bewusst gegen Radio oder Fernseher entschieden haben. Bezüglich des vorgelegten Änderungsantrages ist es erfreulich, dass die Grünen hier bereits einen Schritt weiter sind. Die jetzt bestehenden Befreiungstatbestände zu zementieren, bedeutet aber, dass Menschen, die gerade nicht Hartz IV beziehen, aber auch nicht mehr haben, keine Befreiung erhalten können. Dies kann nicht sein! Aus Sicht des SSW müssen die Befreiungstatbestände sozial ausgewogener gestaltet werden.

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