Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 23.02.2006 Schleswig-Holstein soll Vorreiter in der palliativmedizinischen Versorgung werden

Auch ich möchte mich natürlich für die gute Zusammenarbeit und für den Bericht der Landesregierung bedanken. Der Bericht gibt eine gute Grundlage, um gemeinsam auf diesem Feld weiterarbeiten zu können. Die Reden meiner Vorredner haben deutlich gemacht, dass das Thema nicht für eine harte politische Auseinandersetzung taugt und dass die Unterschiede in den Vorstellungen aller Parteien nicht so groß sind, als dass sie unüberwindbar erscheinen müssen. Ich glaube, wir haben hier ein Projekt für das Land Schleswig-Holstein, das gemeinsam umgesetzt werden muss und bei dem wir deutlich machen können, dass Politik durchaus in der Lage ist, gemeinsame Zielsetzungen zu erarbeiten.

Der Bericht selber macht deutlich, dass wir im Land Schleswig-Holstein, was die Palliativmedizin und Hospizversorgung angeht, nicht schlecht dastehen, wenn wir uns mit den anderen Bundesländern vergleichen. Das soll uns zwar nicht zufrieden stellen, aber auch deutlich machen, dass durchaus in den vergangenen Jahren etwas geschehen ist, auf das wir nun aufbauen können. Wir haben ja nun vor kurzem unser erstes Gespräch zwischen den sozialpolitischen Sprechern der Fraktionen und der Sozialministerin und deren Mitarbeitern gehabt und uns auf einen konkreten Weg geeinigt, wie wir uns zukünftigen Lösungsansätzen nähern wollen. Ich glaube, dass die Einbeziehung der Verbände und das regelmäßige Zusammentreffen von Ministerium und Abgeordneten genau der richtige Weg ist, um auch zu schnellen Lösungen zu kommen.

Es sei mir aber trotzdem gestattet, dass ich auch als regionaler Abgeordneter der Westküste auf einen Punkt aufmerksam mache, der schon jetzt durch den Bericht deutlich geworden ist. Im palliativmedizinischen Bereich gibt es einen noch nicht gedeckten Bedarf an der Westküste. Dies hat man auch am Klinikum Nordfriesland festgestellt und sieht auch dort die Notwendigkeit, diese Versorgungslücke zu schließen, zumal man sich dort auch gerade einen Schwerpunkt in der Geriatrie eingerichtet hat. Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, diesen Schwerpunkt mit der Palliativmedizin zu kombinieren – auch wenn ich natürlich weiß, dass die ältere Generation nur ein Teil der zu betrachtenden Gruppen ist. Trotzdem glaube ich, dass so auch ein niedrigschwelliges Angebot für eine größere Gruppe von Betroffenen geschaffen werden kann.

Betrachtet man die derzeitig vorhandene Konstellation am Klinikum in Husum, so kann man feststellen, dass dort im Bereich der Onkologie und Schmerztherapie schon Strukturen vorhanden sind, die die Erweiterung auf einen Schwerpunkt Palliativmedizin möglich machen. Auch die psychologisch-medizinische Betreuung kann dort bereitgestellt werden, wenn ein solcher Schwerpunkt eingerichtet werden sollte. Wichtig ist aber, dass ein entsprechendes Konzept erstellt wird, wie und auf welcher Basis ein Schwerpunkt Palliativmedizin dort in Husum eingerichtet werden soll. Hier müssen, nach meiner Auffassung, weitere Gespräche zwischen Landesregierung und Klinikträger dazu führen, dass möglichst schnell ein solches Angebot am Klinikum Nordfriesland eingerichtet werden kann. Einen großen Vorteil haben wir im Übrigen dabei. Man plant in Nordfriesland an einer umfassenden Umstrukturierung der Kliniken – nicht nur inhaltlicher, sondern auch baulicher Art. Das führt natürlich automatisch dazu, dass man gerade dort noch alle Optionen offen hat, ein besonders attraktives Angebot zu schaffen. Deshalb sollte man gerade in Husum die Gespräche sehr intensiv führen.

Ich möchte aber deutlich machen, dass mir nicht daran gelegen ist, nun das gesamte palliativmedizinische Angebot direkt im Krankenhaus zu konzentrieren. Vielmehr kann man dort nur die unterstützenden Strukturen schaffen. Im Regelfall sollte man aber versuchen, dass eigentliche stationäre Angebot eben gerade nicht im Sinne einer Krankenstation zu führen, sondern man muss daran denken, dass es sich hier um ein besonderes Angebot handelt, bei dem auch er äußere Rahmen eine wichtige Rolle spielt. Und auch dabei erscheint mir der Standort Husum mit seinem äußeren Rahmen rund um das Krankenhaus sehr gut geeignet.

Landesweit haben wir aber auch noch weitere Baustellen zu beackern. So kann ich mir beispielsweise sehr gut vorstellen, dass man versucht, Synergieeffekte zwischen Angeboten der Palliativmedizin und der allgemeinen Schmerztherapie zu schaffen. Beides sind Bereiche, die sich in der Weiterentwicklung befinden und in denen es Überschneidungen gibt. Da bietet es sich möglicherweise in Einzelfällen an, Fachwissen und Infrastruktur gemeinsam zu nutzen und einen doppelten Schwerpunkt an einzelnen Standorten zu setzen. Das sind allerdings Fragen, die in der konkreten Umsetzung eine Rolle spielen und die sicherlich heute nicht zu Ende diskutiert oder gar allgemeingültig beantwortet werden können. Hier wird es Entscheidungen von Fall zu Fall geben.

Wir sind uns aber auch, glaube ich, darüber einig, dass die ambulante Versorgung der Betroffenen einer stationären Versorgung vorzuziehen ist. Deshalb muss man zwar dezentral stationäre und medizinisch-psychologische Angebote vorhalten, aber noch viel wichtiger ist die flexible ambulante Versorgungsmöglichkeit. Deshalb kommt den palliativmedizinischen Care-Teams eine wichtige Bedeutung zu. Wenn wir es schaffen, hier ein dichtes Netz solcher Teams aufzubauen, wird man in Schleswig-Holstein in der Lage sein, so lange wie möglich in seiner gewünschten Umgebung zu bleiben. Gerade bei der Einrichtung von neuen Care-Teams wird es darauf ankommen, die Ehrenamtlichkeit mit einzubinden und für einen ständigen Austausch zu sorgen. Dieser Austausch findet natürlich auch schon jetzt statt und es gibt natürlich auch schon sehr viele ähnliche Maßnahmen, die jetzt schon durchgeführt werden. Aber bei jeder neuen organisatorischen Veränderung muss man auch immer wieder daran denken, dass man diejenigen, die ehrenamtlich im Hospizwesen tätig sind, mit einplant und mit einbindet.

Ein zweites Thema, neben der Veränderung der ambulanten und stationären Struktur, wäre noch: Ausbildung und Forschung. Wer einmal betrachtet, was das Thema Palliativmedizin und Hospizversorgung alles ausmacht, wird sehr schnell feststellen, dass es sich hier um ein sehr breites Feld handelt. Es geht um Schmerztherapie, um die Linderung von bestehenden Leiden und Krankheiten bei den Patienten, um die besonders wichtige psychosoziale Betreuung von Patienten und deren Angehörigen und es geht beispielsweise auch um Beherbergungseinrichtungen und Wohnmöglichkeiten für die Betroffenen und ihre Angehörigen oder Freunde. Das heißt, hier greift ein ganzheitlicher und interdisziplinärer Ansatz, der sich auch in der Ausbildung von Ärzten und Pflegekräften und in der Forschung an den Hochschulen wieder finden muss. Ein Bereich, der immer noch sehr neu ist und der sicherlich auch hier im Land Schleswig-Holstein weiter fortentwickelt werden muss.

Dabei gibt es zwei Ansätze: Einerseits, die Ausbildung der Ärzte entsprechend zu ergänzen und andererseits eine eigene Studiendisziplin zu etablieren. Was die Ausbildung der Ärzte angeht, wird schon einiges getan, aber wir können feststellen, dass immer noch viele Möglichkeiten bestehen, die Ausbildung zu ergänzen. Das ist nicht einfach und viele andere Bundesländer haben in der Hochschulausbildung ihrer Ärzte die gleichen Probleme wie wir. Trotzdem bleibt es eine Aufgabe für die Zukunft und auch hier erhoffe ich mir für die nächsten Jahre einen Schub durch die Diskussionen, die wir jetzt gerade führen. Ich verstehe den Antrag der FDP so, dass man auch gerade hier ansetzen will, aber noch einen Schritt weitergehen möchte.

Neben der medizinischen Ausbildung ergänzt durch palliativmedizinische Angebote, muss es auch einen regelrechten eigenen Schwerpunkt für die Palliativmedizin geben. Das heißt, Elemente der Palliativmedizin, die nicht nur von Krankenpflege und Schmerzlinderung handeln, müssen in Schleswig-Holstein etabliert werden. In Flensburg hat man hier eine gute Basis. An der Uni Flensburg, am dortigen Institut für Psychologie, wird Gesundheitspsychologie und Gesundheitsbildung gelehrt. Dabei geht es unter anderem gerade darum, aufzuzeigen, wie man die Gesundheit und das Wohlbefinden durch vielschichtige Maßnahmen – nicht medizinischer Art – positiv beeinflussen kann. Diese Forschung in Flensburg hat gerade auf die palliativmedizinische Versorgung und deren Erfolge einen hohen Einfluss gehabt. Daher wäre es sinnvoll, gerade diesen Studiengang in Flensburg besonders ins Auge zu nehmen, wenn es darum geht, besonders für die Palliativmedizin relevante Studiengänge zu stärken oder auch zu ergänzen.

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