Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 06.10.2011 Schleswig-Holsteinischer Integrationsplan für Roma

Die Europäische Kommission hat einen EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma beschlossen. In diesem Rahmenplan werden alle Mitgliedstaaten aufgefordert, ihre Integrationsstrategien auf die Ziele der EU abzustimmen und den Planungshorizont bis 2020 auszuweiten. Die Ziele der EU beziehen sich auf mehr Bildung und Beschäftigung für Roma, sowie verbesserten Zugang zum Gesundheitswesen und zu mehr Wohnraum.

Dass sich die EU um die Integration der Roma in Europa sorgt, ist nicht weiter verwunderlich. Der Spiegel schrieb am 28. September dieses Jahres (ich zitiere): „In Osteuropa herrscht ein moderner Bürgerkrieg. Die Regierungen von Tschechien bis Bulgarien spielen ihn seit Jahren herunter, die westliche Öffentlichkeit weiß wenig von ihm: Es ist ein Krieg gegen die Roma. Es gibt Aufmärsche gegen sie, selbsternannte Ordnungshüter schikanieren und bedrohen sie; um die Viertel, in denen sie wohnen, werden Mauern errichtet; ihre Häuser werden angezündet; sie werden von ihren Wohnorten vertrieben; manchmal brutal ermordet.“

Nun könnte man sagen, wir sind hier nicht in Osteuropa und auch nicht in Frankreich - wo in den letzten Jahren mehr als 8.000 Roma vertrieben wurden - wir sind in Schleswig-Holstein. Was kümmern uns also die Probleme der Roma in anderen Ländern? In Deutschland leben schätzungsweise 70.000 Roma mit deutscher Staatsbürgerschaft, dazu kommen etwa 50.000 Flüchtlinge, von denen 20.000 Kinder sind. Die geflüchteten Roma stammen zum überwiegenden Teil aus osteuropäischen Ländern, in denen sie zunehmend diskriminiert und verfolgt werden. Auf der Suche nach einem Leben in Sicherheit landen viele von ihnen auch in Schleswig-Holstein. Wir wissen nicht genau, wie viele es sind. Die meisten sind nicht rechtmäßig in Deutschland, nicht alle sind registriert, viele leben im Untergrund. Sie haben keinen Zugang zu Bildung, keine offizielle Beschäftigung, sie leben unter erbärmlichen Bedingungen und können nur in Notfällen auf Gesundheitsfürsorge zugreifen. Aber all dies ist immer noch besser, als die eskalierende Lage in ihren Herkunftsländern - die sie im schlimmsten Fall mitten in Europa mit ihrem Leben bezahlen.

Die Sinti und Roma sind ein vertriebenes Volk. Seit vielen Generationen versuchen diese Menschen ihre Kultur und ihre Traditionen zu leben und werden dafür von der Gesellschaft ausgegrenzt. Die Vorurteile gegen Zigeuner, die betteln und stehlen, sitzen tief. Nach dem Massenmord an den Sinti und Roma unter dem Nationalsozialismus trägt Deutschland aber eine historische Verantwortung für diese Minderheit. Und Schleswig-Holstein trägt eine ganz besondere Verantwortung, weil diese Minderheit hier nicht nur anerkannt ist, sondern die CDU ihnen auch seit Jahren die Aufnahme in den Minderheitenschutz der Landesverfassung verweigert. Auch hier sitzen die Vorurteile tief. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Roma in Schleswig-Holstein unter erbärmlichen Bedingungen leben und wir die Verantwortung dafür tragen, dass ihnen geholfen wird.

Der SSW fordert daher einen Integrationsplan für Roma in Schleswig-Holstein. Auch wenn die Reaktionen auf unsere Forderung sein mögen, warum denn für Roma und nicht für andere oder dass alle Angebote den Roma doch offen stehen, ist es aus unserer Sicht notwendig, konkrete Maßnahmen zu schaffen, die auf die Bedürfnisse der Roma zugeschnitten sind. Auch der Gleichbehandlungsrundsatz hindert uns nicht daran, den Roma zu helfen. Der SSW fordert daher einen Ausbau geeigneter Förderinstrumente und Integrationsmaßnahmen für Roma, damit diese die Negativspirale der Duldung durchbrechen können und hier im Land eine Perspektive erhalten. Außerdem muss den Roma-Kindern dringend geholfen werden. Sie und ihre Eltern brauchen Unterstützung und Beratung, damit die Kinder die Schulpflicht erfüllen und auch weiterführende Bildungsangebote in Anspruch nehmen. Zusammen mit spezifischen Alphabetisierungskursen für Erwachsene und Kinder muss die Benachteiligung durch fehlende Bildung reduziert werden. Arbeitsmaßnahmen und Wohnraum, der diskriminierungsfrei zur Verfügung steht, sind die weiteren Schritte, um Roma in Schleswig-Holstein ein Leben in Würde zu ermöglichen und sie in ihrer Kultur zu respektieren.

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