Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 17.07.2008 Sicherstellung der stationären Versorgung in Schleswig-Holstein


Die Fernsehzuschauer wissen aus Erfahrung, was bei einem Gesundheitspolitik-Gipfel herauskommt: sie, die Beitragszahler, müssen zukünftig tiefer in die Tasche greifen. Das wird letztendlich auch die Konsequenz sein, die das Treffen in Plön haben wird. Die Kassenpatienten werden mit steigenden Beiträgen die Tarif- und Kostensteigerungen der Krankenhäuser bezahlen.

So weit, so erwartet. Doch ich möchte an dieser Stelle noch einmal – und ich habe es bereits mehrmals getan - vor dem Schlechtreden von Behandlung und Pflege in unseren Krankenhäusern warnen. Die stationäre Versorgung in Schleswig-Holstein ist sichergestellt! Wer selbst in jüngster Zeit im Krankenhaus war oder Angehörige besucht hat, weiß, dass Pflege und Behandlung hervorragend sind. Wer bei uns in Schleswig-Holstein erkrankt, kommt in der Regel ohne Umwege ins Krankenhaus, wo ihm oder ihr kompetente und engagierte Fachkräfte zur Seite stehen. Die Wartezeiten für kalkulierbare Operationen, zum Beispiel dem Einsetzen eines neuen Kniegelenks, halten sich in Grenzen.

Viele Standesvertreter und Lobbyisten versuchen den Eindruck zu erwecken, als ob die Zustände in den Krankenhäusern katastrophal wären oder diese kurz vor dem Kollaps ständen. Diese Katastrophen-Prosa verdeckt strukturelle Probleme. Das ist auch der Grund, warum kein Aufschrei durchs Land ging, als sich Kassen und reiche Bundesländer gegen eine gerechtere Finanzierung stemmten. Sie wollen nicht, dass eine Blinddarmoperation in Berlin genauso viel kostet wie in Konstanz, München oder Kiel. Das ist ein himmelschreiender Skandal, der mit medizinischen Erfordernissen überhaupt nichts zu tun hat. Ich hoffe sehr, dass sich unsere kostenbewusst arbeitenden Kliniken ab 2015 endlich nicht mehr länger im Nachteil gegenüber anderen Ländern befinden werden. Tatsächlich ist die Einführung des bundeseinheitlichen Basisfallwertes erst in sieben Jahren ein Menetekel für eine Politik der Großen Koalitionen, die immer wieder gewohnheitsmäßig vor Strukturveränderungen zurückschreckt.

Die hiesigen Kliniken werden für ihre gute Arbeit bestraft und auf 2015 vertröstet. Dabei würde das UKSH schwarze Zahlen schreiben, würde es nach dem durchschnittlichen Fallwert Deutschland abrechnen können. Stattdessen wird das Krankenhaus für seine wirtschaftliche Arbeitsweise bestraft, während sich die Krankenhäuser anderer Bundesländer ins Fäustchen lachen.

Die Einführung eines bundeseinheitlichen Basisfallwertes ist im Übrigen zwar beschlossene Sache, dennoch weiß niemand, wie genau das Verfahren einmal aussehen soll. Zurzeit ist das Ganze so unausgegoren, wie es der so genannte Sanierungsbeitrag gewesen ist. Der wurde den Krankenhäusern aufgebürdet, um dann nach wenigen Monaten wieder einkassiert zu werden. Diese Maßnahme bildet nur die Spitze des Eisberges einer undurchdachten Stellschrauben-Politik im Gesundheitssektor.

Der SSW empfiehlt, sich den Grundlagen unseres Gesundheitssystems anzunehmen, anstatt immer neue Modell-Varianten zu üben und den Kassen immer mehr Kosten zuzumuten. Steigende Krankenkassenbeiträge belasten den Faktor Arbeit und schwächen damit den Wirtschaftsstandort Deutschland. Dieser Zusammenhang wird zwar immer wieder beschworen, dennoch sind es schließlich immer die Beitragszahler, die als einzige nicht organisierte Gruppe im Gesundheitswesen schließlich die Zeche zahlen müssen. Die Tarifsteigerungen beim Krankenhauspersonal haben gefälligst die Kassen zu begleichen, hat man in Plön entschieden. Für mich heißt das ganz eindeutig, dass Beitragssteigerungen unvermeidlich sind.

Die zentralen Probleme der stationären Versorgung bleiben dagegen in der Großen Berliner Koalition weiterhin unbearbeitet. Die Probleme liegen in der Subventionierung der privilegierten Privatpatienten und die Verschwendung der Ressourcen in einem Doppelsystem der ambulanten und stationären fachärztlichen Versorgung.

Wir haben in Deutschland die meisten niedergelassenen Fachärzte im europäischen Vergleich. Wer nun denkt, dass Deutschland dementsprechend die kürzeste Verweildauer im Krankenhaus aufweist, weil die ambulanten Ärzte ihren Kollegen im Krankenhaus viel Arbeit abnehmen, irrt gewaltig – wir haben die längste. Lange Wartezeiten vor einem Facharzttermin bei gleichzeitig überdurchschnittlich langer Verweildauer im Krankenhaus weisen überdeutlich auf massive Probleme im Gesundheitssektor hin.

Der SSW begrüßt es ausdrücklich, dass die Folgen der Plöner Beschlüsse für die hiesigen Krankenhäuser hier im Landtag genau benannt werden. Die Patienten im Land wollen wissen, woran sie sind. Der Verlauf der Verhandlungen hat allerdings auch noch einmal die Unfähigkeit der Gesundheitspolitiker in Berlin gezeigt, eine gerechte Gesundheitsversorgung einzuführen. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Privatpatienten ist die höchste in Europa, dagegen liegt die Lebenserwartung der Durchschnittsbevölkerung am untersten Ende der europäischen Skala.

Nachzulesen ist das beim Gesundheitsexperten Karl Lauterbach, der als einer der wenigen Experten auf Seite der Kassenpatienten steht. Die Kassenpatienten bezahlen die Krankenhäuser, finanzieren deren Ausstattung und berappen die Personalkosten – profitieren aber nicht davon. Lauterbach hat es so formuliert, dass die Kassenpatienten einen Mercedes bezahlen, aber einen Golf fahren, damit einige wenige, nämlich die Privatpatienten, im Rolls Royce kutschiert werden können.

Die Gesundheitspolitik ist nicht nur ungerecht, sondern auch in hohem Maße intransparent. Ein Wettbewerb der Krankenhäuser gilt als ehrenrührig; Zahlen zu erfolgreichen Operationsverfahren findet man in Deutschland kaum. Die Lobbyisten verstehen es ausgezeichnet, ihre Interessen hinter scheinbaren medizinischen Begründungen zu verschleiern. Selbst viele Gesundheitspolitiker drohen den Überblick über die unterschiedlichen Finanz- und Kostenströme zu verlieren.

Ich hatte nicht erwartet, dass in Plön grundsätzlich eine andere Richtung eingeschlagen wird. Doch genau das wäre dringend nötig gewesen.

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