Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 14.11.2001 Sicherung der Pflegequalität

Ich hoffe, allen ist klar geworden, dass wir im Bereich der Pflege ein erhebliches Problem haben, und dass wir etwas tun müssen und wollen. Es ist wichtig, dass die betro­ffenen Menschen, ihre Angehörigen und alle anderen mitfühlenden Menschen wirklich sehen können, dass sich etwas bewegt. Deshalb habe ich Verständnis dafür, dass die Kolle­ginnen und Kollegen der CDU hier Ungeduld zeigen.

Allerdings müsste es auch der letzten Kollegin und dem letzten Kollegen hier im Hause langsam bewusst sein, dass es jetzt wichtig ist, verlorenes Vertrauen wieder­zu­gewinnen. Das tut man natürlich zuerst, in dem man die Pflegequalität verbessert. Aber das tut man auch, in dem man diesem Bereich jetzt auch mal die Chance, die Ruhe und das Vor­schuss­­vertrauen gibt, um sich zu bessern - statt jetzt alle 5 Minuten nachzufragen, wie es gerade steht und bekannte Mängel zu beklagen.

Gerade dieses tut die CDU aber durch diesen Berichtsantrag. Keine 2 Monate nachdem die Mini­sterin ihr Handlungskonzept zur Sicherung der Pflegequalität in den stationären Ein­rich­tungen vorgelegt hat und dieses hier im Hause debattiert wurde, möchte die CDU sich wieder als die wahre Hüterin der Pflege profilieren. Aber es ist zu einfach, jetzt jede Aussage der Ministerin über die Pflege heranzuziehen und sie persön­lich für die sofortige Umsetzung haftbar zu machen. Frau Kleiner hätte den kleinlichen Berichtsantrag lieber als Kleine Anfrage stellen sollen. Das hätte allemal gereicht. Denn wenn es nach der Antrag­stellerin geht, dann diskutieren wir heute eine Menge Fragen, für die wir gar keine Entscheidungskompetenzen haben, die einfach noch Zeit brauchen oder die gar keinen Sinn machen.

Der Bericht der Landesregierung sagt es denn auch dankenswerter Weise deutlich:

· Eine Zusammenarbeit in Arbeitsgemeinschaften auf Weisung ist weder notwendig noch gerechtfertigt.

· Die Fortbildung von Leitungskräften kann nicht auf ministerielle Weisung erfolgen.

· Das Multiplikatorenprogramm läuft.

· Ein so wichtiger neuer Bereich wie die Sterbebegleitung in Pflegeheimen lässt sich nicht hopplahopp flächendeckend einführen, sondern muss fachlich fundiert und gut erprobt sein.

· Die Rolle der Ärztinnen und Ärzte lässt sich nur in Zusammenarbeit mit diesen ver­ändern. Auch hier können wir nicht durchregieren, sondern müssen auf den Dialog und die Veränderungsbereitschaft der Beteiligten setzen.

· In Bezug auf die Überprüfung des Personals kann es nicht darum gehen, dass die Ministerin der Heimaufsicht vorschreibt, was sie zu tun und zu lassen hat.

· Was die Unterschiede in den Pflegesätzen angeht, sind Instrumente eingeführt worden, die ein besseres Funktionieren des „Marktes Pflege“ ermöglichen sollen. Auch in diesem Bereich muss Geduld geübt werden.

Pflege ist sehr wichtig. Und im Bereich der Pflege müssen wir uns wirklich sehr anstren­gen, um unseren eigenen Mindestanforderungen gerecht zu werden. Aber das Problem ist erkannt und Lösungen in die Wege geleitet. Deshalb bringt es nichts, nach wenigen Wochen wieder Anträge zu stellen. Wenn Politik neue Instru­mente einführt, dann muss sie diese erst einmal erproben und auswerten, bevor sie wieder neue Maßnahmen ergreift. Sonst wird die Fachpolitik zum Chaos, verschwendet Ressourcen und bringt nichts.

Die CDU trägt mit Anträgen wie dem Vorliegenden nicht dazu bei, die Politik für die Pflege qualitativ zu verbessern. Die Kollegin Kleiner hat im Sozial­ausschuss bereits ange­regt, die Heimaufsicht direkt durch das Sozial­ministerium durch­zuführen. Mit dem Berichtsantrag stößt sie ins selbe Horn. Die Landesregierung soll die Ver­ant­wortung für eine Menge Dinge übernehmen, für die sie keine Verantwortung trägt.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es sind teilweise wichtige Punkte, die im CDU-Antrag angesprochen werden. Aber die Probleme sind auch erkannt und Maßnahmen ergriffen worden, nur die Umsetzung müssen vielfach andere besorgen. Es kann wirklich nicht der Ernst der CDU sein, dass die Landesregierung per ordre de Mufti eine gute Pflege an­ordnen soll. Es gibt keine gute Pflege auf Weisung. Zum einen weil die Pflege ein kom­pli­zierter Prozess ist, bei dem viele Beteiligte mitarbeiten und zusammen­arbeiten müssen, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Zum anderen weil wir als Land nur begrenzte Kompetenzen haben, die noch einge­schränk­ter sind, wenn es um die Umset­zung geht. Hier als Land Kompetenzen an sich zu reißen wäre nicht nett gegenüber den Beteiligten, wäre weder rechtlich möglich noch würde es einen Sinn machen.

Die Strukturen im deutschen Sozial- und Gesundheitswesen sind nun einmal so komplex wie sie sind. Das kann man bedauern. Das macht der SSW ja auch häufig. Wir machen dann darauf aufmerksam, dass man in Skandinavien durch die Bündelung von Entschei­dungs­kompe­tenzen, Kostenträgerschaft und Umsetzung in einer Hand eine bessere Steu­e­r­ungs­­­fähigkeit erreicht hat. Nun glauben aber selbst wir nicht daran, dass die dezentralen, staatlich dominierten Strukturen der skandinavischen Wohl­fahrts­­staaten jetzt ohne wei­teres in Deutsch­­­land eingeführt werden können – auch wenn Dänemark im Moment bei deutschen Politikern modern ist. Noch weniger glaube ich, dass die CDU an den Grund­festen der bundesdeutschen Sozialstaatlichkeit rütteln möchte. Deshalb sollen wir also gelassen blei­ben und nüchtern erkennen, was in unserer Macht liegt, um die Rahmen­bedingungen für eine bessere Pflege zu schaffen.

Es ist auch an der Zeit, der Pflege wieder etwas Ruhe zu gönnen. Nicht um sich untätig auszuruhen, sondern damit die Beteiligten ohne Störung die vielen Dinge umsetzen können, die wir ihnen schon abverlangt haben.

Gerade weil so viele ungleiche Partner für das Gelingen verantwortlich sind, müssen wir zu aller erst darauf achten, dass alle an einem Strang ziehen. Die Aufgabe des Landtages besteht nicht zuletzt darin, darauf zu achten und dafür zu werben, dass alle Betei­ligten mitarbeiten. Deshalb ist es wichtig, dass wir in diesem Hause zusammen­stehen. Wir müssen den Beteiligten zeigen, dass sie nicht Spielball parteipolitischer Ziele für die nächste Wahl sind, sondern eine entschlossene und einige Politik zur Seite haben. Das ist der beste Beitrag des Landtages für eine humanere Pflege. Ich hoffe wirklich, dass in Zukunft alle ihre Verant­wortung erkennen und dazu stehen.

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