Pressemitteilung · 12.05.2006 SSW-Gesetzentwurf: Direktwahl wieder abschaffen
Der SSW hat heute einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Direktwahl von Landräten und hauptamtlichen Bürgermeistern eingebracht. Die Direktwahl von leitenden Verwaltungsbeamten in Kreisen und Städten war nicht nur inhaltlich falsch, sie ist auch noch ein Flop geworden. Angesichts von Wahlbeteiligungen zwischen 10 und 35 % bei Landratswahlen kann wohl kaum von mehr Demokratie gesprochen werden, sagt die Vorsitzende des SSW im Landtag, Anke Spoorendonk.
Wenn sich zehn Jahre nach Einführung der Direktwahl immer noch weniger als jede vierte Bürgerin und jeder vierte Bürger an einer Wahl beteiligen, dann muss man sich auch mal fragen, ob diese Entscheidung richtig war. Dies gilt umso mehr, als die Direktwahl auch handfeste Nachteile hat. Die Landrats- und Bürgermeisterwahlen werden nicht nur von den meisten Wählerinnen und Wählern ignoriert, sie schwächen auch den Einfluss der gewählten Kommunalpolitiker zugunsten der Verwaltungschefs. Auch deshalb war die Einführung der Direktwahl kein demokratischer Gewinn, sondern ein demokratischer Irrweg, denn wir wieder verlassen müssen.
Unter diesen Umständen ist es besser, die Verwaltungsleitungen wieder von den Kreistagen und Ratsversammlungen wählen zu lassen, die von einem deutlich größeren Teil der Bevölkerung gewählt worden sind. Die Äußerungen von CDU- und SPD-Abgeordneten nach der Landratswahl in Schleswig-Flensburg am vergangenen Sonntag lassen hoffen, dass es für diesen Schritt auch endlich eine Mehrheit im Landtag geben könnte.
Das Argument einiger Direktwahl-Befürworter, die Europawahlen würden trotz niedriger Wahlbeteiligung auch nicht abgeschafft, lasse ich nicht gelten. Dieser Vergleich hinkt, denn bei Europawahlen geht es um ein Parlament, bei den Landratswahlen hingegen aber nur um einen Verwaltungschef. Dies ist ein deutlicher qualitativer Unterschied, den einige offensichtlich nicht verstanden haben.
Angesichts der wachsenden Bedeutung der Landräte und Oberbürgermeister, die zukünftig ja auch entscheidenden Einfluss auf die geplanten kommunalen Verwaltungsregionen haben werden, müssen diese Ämter wieder auf einer breiteren Legitimation durch die Bevölkerung fußen. Dieses können wir nur erreichen, indem die Direktwahl aufgegeben und die Verwaltungschefs wieder durch die kommunalen Parlamente gewählt werden.
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12.05.2006
Gesetzentwurf der Abgeordneten des SSW
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung und der Kreisordnung - Abschaffung der Direktwahl von hauptamtlichen Bürgermeistern und Landräten
Der Landtag wolle beschließen:
Artikel I. Änderung der Gemeindeordnung
Die Gemeindeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.02.2003 (GVOBl. Schl.-H. 2003 S. 57) zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.3.2006 (GVOBl. Schl.-H. 2006 S. 28) wird wie folgt geändert:
1. § 57 GO erhält die folgende Fassung:
(1) Die Gemeindevertretung wählt die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister .Die Wahlzeit beträgt mindestens 6 und höchstens 8 Jahre. Die Wahlzeit bestimmt die Hauptsatzung.
(2) Die Wahl bedarf der Mehrheit von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Gemeindevertreterinnen und -vertreter. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, so wird über dieselben Bewerberinnen und Bewerber erneut abgestimmt. Wenn sich nur eine Person bewirbt, wird über diese erneut abgestimmt. Erhält sie nicht die Stimmen von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Gemeindevertreterinnen und -vertreter ist die Wahl in einer späteren Sitzung zu wiederholen. Wenn sich mehrere Personen bewerben und keine davon die erforderliche Mehrheit erhält, so findet eine Stichwahl zwischen zweien statt, bei der die Person gewählt ist, die die meisten Stimmen erhält. Die Bewerberinnen und Bewerber nehmen an der Stichwahl in der Reihenfolge der auf sie entfallenen Stimmzahlen teil. Bei gleicher Stimmzahl entscheidet das von der Vorsitzenden oder dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung zu ziehende Los über die Teilnahme an der Stichwahl. Führt auch die Stichwahl zu keinem Ergebnis, so entscheidet das Los, das die oder der Vorsitzende der Gemeindevertretung zieht.
(3) Wählbar zur Bürgermeisterin oder zum Bürgermeister ist, wer die Wählbarkeit zum Deutschen Bundestag besitzt; wählbar ist auch, wer die Staatsangehörigkeit eines übrigen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzt, am Wahltag das 27. Lebensjahr vollendet hat und im Falle der Erstwahl das 60. Lebensjahr nicht vollendet hat. Bewerberinnen und Bewerber müssen die für dieses Amt erforderliche Eignung, Befähigung und Sachkunde besitzen.
(4) Vor der Wahl ist die Stelle auszuschreiben, davon kann bei einer Wiederwahl durch Beschluss mit der Mehrheit von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Gemeindevertreterinnen und -vertreter, im übrigen nur mit Genehmigung der Kommunalaufsichtsichtsbehörde abgesehen werden. Die Wahl oder Wiederwahl ist frühestens 6 Monate vor Ablauf der Amtszeit der Amtsinhaberin oder des Amtsinhabers zulässig.
(5) Die Wahl oder Wiederwahl ist der Kommunalaufsichtsbehörde binnen einer Woche anzuzeigen; dabei sind die Wahlunterlagen vorzulegen.
(6) Die Kommunalaufsichtsbehörde kann der erstmaligen Wahl binnen 4 Wochen nach Eingang der Anträge und der Wahlunterlagen widersprechen, wenn die oder der Gewählte die Voraussetzungen des § 57 Abs. 3 nicht erfüllt. Die Gemeindevertretung ist vor dem Widerspruch zu hören. Der Widerspruch ist zu begründen.
2. § 57 a wird gestrichen.
3. § 57 b wird gestrichen.
4. § 57 c wird zu § 57 a und erhält die folgende Fassung:
(1) Die gewählte Bürgermeisterin oder der gewählte Bürgermeister wird zur Beamtin oder zum Beamten auf Zeit ernannt. Die Entscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde über die Gültigkeit der Wahl oder ihre Entscheidung über Ansprüche im Sinne der entsprechenden Vorschrift des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes gilt als Mitwirkung nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 des Landesbeamtengesetzes.
(2) Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister ist im Fall der Wiederwahl nach Ablauf der ersten Wahlzeit verpflichtet, das Amt weiterzuführen, wenn sie oder er unter mindestens gleich günstigen Bedingungen für wenigstens die gleiche Zeit wieder ernannt werden soll. Bei einer Wiederwahl ist eine neue Ernennungsurkunde auszuhändigen, danach ist der Diensteid zu leisten.
5. § 57 d wird zu § 57 b und erhält die folgende Fassung:
(1) Bei der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister, die oder der gem. § 57 GO durch die Gemeindevertretung gewählt wurde, ist die Abwahl durch Beschluss der Gemeindevertretung mit der Mehrheit von 2/3 der Gemeindevertreterinnen und -vertreter zulässig.
(2) Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister scheidet mit Ablauf des Tages, an dem die Abwahl feststeht aus dem Amt aus und tritt in den Ruhestand.
Artikel II. Änderung der Kreisordnung
Die Kreisordnung für Schleswig- Holstein vom 28.2.2003 (GVOBl Schl.-H. 2003 S. 94) zuletzt geändert durch Gesetz vom 1.2.2005 (GVOBl Schl.H. 2005, S66) wird wie folgt geändert:
1. § 43 erhält die folgende Fassung:
(1) Der Kreistag wählt die Landrätin oder den Landrat. Die Wahlzeit beträgt mindestens 6 und höchstens 8 Jahre. Die Hauptsatzung bestimmt die Wahlzeit.
(2) Die Wahl bedarf der Mehrheit von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Kreistagsabgeordneten. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, so wird über dieselben Bewerberinnen und Bewerber erneut abgestimmt. Wenn sich nur eine Person bewirbt, wird über diese erneut abgestimmt. Erhält sie nicht die Stimmen von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Kreistagsabgeordneten ist die Wahl in einer späteren Sitzung zu wiederholen. Wenn sich mehrere Personen bewerben und keine davon die erforderliche Mehrheit erhält, so findet eine Stichwahl zwischen zweien statt, bei der die Person gewählt ist, die die meisten Stimmen erhält. Die Bewerberinnen und Bewerber nehmen an der Stichwahl in der Reihenfolge der auf sie entfallenen Stimmzahlen teil. Bei gleicher Stimmzahl entscheidet das von der Vorsitzenden oder dem Vorsitzenden der Kreistages zu ziehende Los über die Teilnahme an der Stichwahl. Führt auch die Stichwahl zu keinem Ergebnis, so entscheidet das Los, das die oder der Vorsitzende der Kreistages zieht.
(3) Wählbar zur Landrätin oder zum Landrat ist, wer die Wählbarkeit zum Deutschen Bundestag besitzt; wählbar ist auch, wer die Staatsangehörigkeit eines übrigen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzt, am Wahltag das 27. Lebensjahr vollendet hat und im Falle der Erstwahl das 60. Lebensjahr nicht vollendet hat. Bewerberinnen und Bewerber müssen die für dieses Amt erforderliche Eignung, Befähigung und Sachkunde besitzen.
(4) Vor der Wahl ist die Stelle auszuschreiben, davon kann bei einer Wiederwahl durch Beschluss mit der Mehrheit von mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Kreistagsabgeordneten, im übrigen nur mit Genehmigung der Kommunalaufsichtsichtsbehörde abgesehen werden. Die Wahl oder Wiederwahl ist frühestens 6 Monate vor Ablauf der Amtszeit der Amtsinhaberin oder des Amtsinhabers zulässig.
(5) Die Wahl oder Wiederwahl ist der Kommunalaufsichtsbehörde binnen einer Woche anzuzeigen; dabei sind die Wahlunterlagen vorzulegen.
(6) Die Kommunalaufsichtsbehörde kann der erstmaligen Wahl binnen 4 Wochen nach Eingang der Anträge und der Wahlunterlagen widersprechen, wenn die oder der Gewählte die Voraussetzungen des § 43 Abs. 3 nicht erfüllt. Der Kreistag ist vor dem Widerspruch zu hören. Der Widerspruch ist zu begründen.
2. § 44 wird gestrichen.
3. § 45 wird gestrichen.
4. § 46 wird zu §44 und erhält die folgende Fassung:
(1) Die gewählte Landrätin oder der gewählte Landrat wird zur Beamtin oder zum Beamten auf Zeit ernannt. Die Entscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde über die Gültigkeit der Wahl oder ihre Entscheidung über Ansprüche im Sinne der entsprechenden Vorschrift des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes gilt als Mitwirkung nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 des Landesbeamtengesetzes.
(2) Die Landrätin oder der Landrat ist im Fall der Wiederwahl nach Ablauf der ersten Wahlzeit verpflichtet, das Amt weiterzuführen, wenn sie oder er unter mindestens gleich günstigen Bedingungen für wenigstens die gleiche Zeit wieder ernannt werden soll. Bei einer Wiederwahl ist eine neue Ernennungsurkunde auszuhändigen, danach ist der Diensteid zu leisten.
5. § 47 wird zu § 45 und erhält die folgende Fassung:
(1) Bei der Landrätin oder dem Landrat, die oder der gem. § 43 durch den Kreistag gewählt wurde, ist die Abwahl durch Beschluss des Kreistages mit der Mehrheit von 2/3 der Kreistagsmitglieder zulässig.
(2) Die Landrätin oder der Landrat scheidet mit Ablauf des Tages, an dem die Abwahl feststeht aus dem Amt aus und tritt in den Ruhestand.
Artikel III
Der Innenminister wird ermächtigt, die Gemeindeordnung und die Kreisordnung für Schleswig- Holstein in ihrer neuen Fassung mit neuer Paragraphenfolge bekannt zu geben.
Artikel IV
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2007 in Kraft.
Begründung:
Die Erfahrungen der letzten Jahre haben die Befürchtung bestätigt, dass die Einführung der direkten Wahl der/des obersten hauptamtlichen Verwaltungsbeamten in Kreisen und größeren Städten kein geeignetes Instrument zur Förderung einer tatkräftigen kommunalen Demokratie ist.
Den aus der Direktwahl folgenden erweiterten Machtbefugnissen des obersten Verwaltungschefs steht keine ausreichende demokratische Kontrolle gegenüber. So werden das Ansehen und die Handlungskraft der kommunalen Parlamente geschwächt und das Misstrauen in Politikerinnen und Politiker gefördert.
Die Direktwahl hat nicht mehr zu mehr direkter Demokratie geführt, da die Wahlbeteiligung äußerst gering ist. Deshalb kann der Gesetzgeber sich nicht auf die schwere Vermittelbarkeit einer Wiederabschaffung zurückziehen. Der Landtag muss die Verantwortung für die Fehlentwicklung übernehmen und sie korrigieren.
Anke Spoorendonk
für die Abgeordneten des SSW