Rede · 24.01.2014 Standards dürfen weder aufgeweicht noch über Bord geworfen werden
Die Idee einer transatlantischen Freihandelszone ist nicht neu. Es gibt sie bereits seit den frühen 1990’er Jahren. Konkrete Verhandlungen hat es jedoch nicht gegeben. Doch seit Mitte des letzten Jahres laufen die Verhandlungen zwischen der EU und den USA. Vordringlich geht es darum, die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den beiden Kontinenten zu vereinfachen und zu verbessern. Durch das Abkommen versprechen sich beide Seiten wirtschaftliche Vorteile. Wirtschaftliches Wachstum in Milliardenhöhe, Senkung der Arbeitslosigkeit und Verbesserung des Durchschnitteinkommens. Das sind die Argumente der Befürworter eines solchen Freihandelsabkommens.
Es ist nun schwer, sich diesen Argumenten zu entziehen. Die Frage ist jedoch, was geben wir dafür auf? Der Abbau von Zöllen und die Senkung der Handelshemmnisse zwischen EU und USA werden uns etwas Kosten. Diese Befürchtungen stehen im Raum, denn immer wieder wird von Fachorganisationen darauf hingewiesen, dass ein solches Abkommen mit erheblichen Risiken behaftet ist. Insbesondere die in Deutschland und der EU erreichten hohen Standards in Bezug auf Verbraucher- und Umweltschutz sowie Sozial- und Arbeitsrechte stehen hier auf dem Spiel.
Nebenbei bemerkt sehe ich die Verquickung der Ausspähenaffäre der USA mit dem Handelsabkommen kritisch. Nach dem Motto: Solange wir durch die USA ausgespäht werden, gibt es keinen Vertrag. Im Umkehrschluss würde das bedeuten: Wir stimmen dem Vertrag zu, wenn wir nicht mehr ausgespäht werden. Das kann es nicht sein. Wir wollen nicht ausgespäht werden, egal ob mit oder ohne Vertrag.
Bei den Verhandlungen geht es um wirtschaftliche Belange. Die EU-Kommission preist die Pläne an als "billigstes Konjunkturpaket, das man sich vorstellen kann". Das mag richtig sein.
Wir dürfen dabei aber nicht den Fehler machen, dass Verbraucher-, Arbeits- und Sozialrechte oder Umweltschutz als Hemmnisse gesehen werden, die dem schnöden Mammon geopfert werden können. Dies sind politische Errungenschaften, die einen gesellschaftlichen Wert haben. Diese Standards dürfen weder aufgeweicht noch über Bord geworfen werden.
Die Gefahr ist groß, dass es bei Abschluss der Verhandlungen eine Harmonisierung der Standards zum niedrigsten Level gibt. Damit hätten wir nichts gewonnen. Im Gegenteil. Es würde bedeuten, dass wir unsere hohen Standards aufgegeben haben und somit die Interessen der Wirtschaft über das Gemeinwohl gestellt wurden.
Es hat bereits mehrere Verhandlungsrunden gegeben – immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ein solches Vorgehen ist nicht akzeptabel. Immer wieder wird von Transparenz und Beteiligung in der EU gesprochen. Wenn es aber um weitreichende Beschlüsse und Eingriffe, wie bei dem Freihandelsabkommen geht, finden Beteiligungsrechte und Transparenz nicht mehr statt. Das kann es nicht sein. Die Bevölkerung hat ein Recht zu erfahren, welchen Verlauf die Verhandlungen nehmen.
Die demokratisch gewählten Parlamente in der EU sind ebenso zu informieren. Es reicht nicht, dass den Parlamenten am Ende ein Vertrag vorgelegt wird, über den sie dann zu befinden haben. Auch hier gilt: Wir wollen Transparenz und Beteiligung für das gesamte Verfahren.