Rede · 16.11.2000 Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge

Teilzeitarbeit gibt Arbeitnehmern Spielraum in Bezug auf ihre Lebenszeit und ermöglicht mehr Zeit für die Familie. Sie eröffnet dem Arbeitgeber Flexibilität und ist arbeitsmarktpolitisch wirksam. Deshalb ist es unabhängig von der Einschätzung der Detailregelungen erst einmal begrüßenswert, dass sich jetzt eine Bundesregierung dazu durchgerungen hat, diesen Bereich zu stärken. Wir brauchen endlich vernünftige Bedingungen für Menschen, die Teilzeit arbeiten wollen.

Die Teilzeitarbeit wird von der F.D.P. und Teilen der Union kritisiert, weil ein Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit angeblich die Arbeitgeber über Gebühr belastet. Wir können die massive Kritik aber nicht nachvollziehen, denn den Arbeitgebern wird noch reichlich Spielraum gegeben, um Arbeitnehmern aus betrieblichen Gründen die Teilzeitarbeit zu versagen und freie Arbeitsplätze nicht als Teilzeitarbeitplätze auszuschreiben. Sicherlich erwächst den Arbeitgebern eine gewisse Belastung, weil sie im Zweifelsfall den Beweis erbringen müssen. Das halten wir aber noch für zumutbar, denn läge die Beweislast bei den Arbeitnehmern, ließe sich eine solche Regelung kaum umsetzen.

Der zweite Teil des Gesetzentwurfs befasst sich mit den befristeten Arbeitsverträgen. Hintergrund der Änderung ist das Problem, dass Arbeitgeber die für sie vorteilhafte Möglichkeit befristeter Arbeitsverträge ausgenutzt haben, und Arbeitnehmer jeweils nur für einige Monate eingestellt haben. Solche sogenannten Kettenarbeitsverträge sind zwar jetzt schon nicht erlaubt. Dieses ist aber dadurch umgangen worden, dass Unternehmen Mitarbeiter ab und zu einfach wieder der Arbeitsverwaltung überlassen haben, um die bestehenden rechtlichen Grenzen zu umgehen. Ein derartiger Umgang mit Arbeitnehmern muss unterbunden werden. Deshalb ist es begrüßenswert, dass die Rechte der Arbeitnehmer in befristeten Beschäftigungsverhältnissen gestärkt werden. Damit werden die Anreize zu unlauterem Umgang mit Beschäftigten teilweise entfernt.

Wir sehen die Probleme, die von der F.D.P. angesprochen werden. Es geht hier darum, dass Arbeitgeber konjunkturell oder saisonal begrenzt Arbeitskräfte brauchen, die sie aber nicht auf Dauer finanzieren können. Diese Möglichkeit wird den Arbeitgebern aber auch zukünftig belassen. Sie können mit sachlicher Begründung, z. B. vorübergehenden zusätzlichen Arbeitskräftebedarf, weiterhin befristet einstellen. Sie können es sogar bis zu 2 Jahre lang ohne sachlichen Grund tun. Es fällt schwer zu sehen, dass diese Flexibilität nicht ausreicht.

Allerdings gilt auch, dass durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung erneut an Symptomen kuriert wird, statt strukturelle Probleme des deutschen Arbeitsrechts zu beseitigen. Sollte mit Riesters Reform dem Bedürfnis der Unternehmen an Flexibilität bei Einstellungen und Kündigungen nicht genüge getan werden, dann muss eine grundsätzlichere Lösung gesucht werden. Wie so etwas funktionieren kann, lässt sich bei einigen unserer Ostseekooperationspartner lernen. In Skandinavien hat man schon zu Anfang des letzten Jahrhunderts zwischen Arbeitgebern und Arbeiterbewegung einen Kompromiss gefunden: Die Arbeitgeber erhielten vorteilhafte Regelungen beim Kündigungsschutz; die Arbeitnehmer bekamen großzügige Sozialleistungen. Die Arbeitgeber können so schnell auf veränderten Personalbedarf reagieren. Die Arbeitnehmer sind bei Kündigungen gut abgesichert. Das belebt den Arbeitsmarkt und eine Explosion der Sozialausgaben gibt es gerade nicht, weil die schnellere Kündigungsmöglichkeit auch dazu führt, dass die Arbeitgeber schneller wieder einstellen. Eine solche Lösung macht für alle Sinn, weil sowohl die Interessen der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Die Initiative der F.D.P. tut es leider nicht. Hier werden die Interessen der Arbeitgeber denen der Arbeitnehmer eindeutig übergeordnet. Daher können wir dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen.

Weitere Artikel

Rede · Christian Dirschauer · 16.10.2025 Wir entwickeln die Grundlagen unseres Zusammenlebens weiter

„Erstens: Das Land schützt die Rechte und Interessen pflegebedürftiger Menschen und pflegender Angehöriger…Zweitens: Kinderrechte…Wer heute Kindern eine Stimme gibt, stärkt die Demokratie von morgen…Drittens: Dass im Entwurf nun das kulturelle Erbe, insbesondere das der nationalen Minderheiten und Volksgruppen sowie der jüdischen Kultur, unter den Schutzauftrag des Landes gestellt wird, ist ein großer Fortschritt.Viertens: Mit der Einführung der Verfassungsbeschwerde sagen wir als Land: Wir trauen unseren Bürgerinnen und Bürgern zu, ihre Rechte selbst in Anspruch zu nehmen.“

Weiterlesen

Rede · Jette Waldinger-Thiering · 17.10.2025 Keine Herabsetzung der Unterrichtsversorgung!

„Wir müssen Rahmenbedingungen an Schulen schaffen, in denen es Lehrkräften gelingt, gesund zu bleiben und motiviert zu arbeiten. Das heißt eine Unterrichtsversorgung von mindestens 105% und ausreichend Lehrkräfte im System.“

Weiterlesen

Rede · Sybilla Nitsch · 16.10.2025 Wir wollen eine echte grüne Wasserstoffwirtschaft

„Was aber nicht geht, wirklich gar nicht, ist Greenwashing von Wasserstoff. Und genau das ist es, was passiert, wenn die FDP von CO2-Projekten unter dem Meer spricht. Wir produzieren grauen Wasserstoff, verpressen das CO2 und nennen ihn dann blauen Wasserstoff. Und dann tun wir alle so, als wäre das eine saubere Lösung. Ist es aber nicht!“

Weiterlesen