Rede · Lars Harms · 12.11.2016 Tiefe Verbundenheit mit den Minderheiten
Laudatio von Lars Harms zur Verleihung des "Meilensteins" der Sinti und Roma an die Minderheitenbeauftragte Renate Schnack. Kiel, 11.11.2016
Wenn man die Ehre hat, einer so verdienstvollen Person wie Renate einige gute Worte mit auf den Weg zu geben, dann ist eine zeitliche Vorgabe ja durchaus eine wichtige Hilfestellung. Man könnte über Renate nicht nur viele salbungsvolle Worte von sich geben oder gar ins Schwärmerische verfallen. Nein, man könnte vor allem auch zeitlich ganadenlos überziehen.
Immerhin war Renate in meiner Heimat Nordfriesland die erste Frau als Kreispräsidentin. Wer Nordfriesland kennt, kann durchaus nachvollziehen, dass das für manch einen ein Kulturschock war. Für die Minderheiten war das aber sicherlich schon ein wenig ein Vorgeschmack auf das, was da wohl mal kommen möge. Renate hat ihr Amt seinerzeit auch dazu genutzt, die Minderheiten und die Sprachenvielfalt in Nordfriesland als etwas Positives darzustellen. Und das war wahrlich nicht immer so. Oftmals wurden Minderheiten auch als Belastung empfunden. Sicherlich auch etwas was jede Minderheit, auch die Sinti und Roma, sehr gut kennt.
Um so toller war es deshalb auch, dass Renate im Jahr 2000 dann Minderheitenbeauftragte wurde. Sie begann ihren engen Kontakt zu den Minderheiten zu vertiefen und gleichzeitig einen solchen Kontakt zwischen den Minderheiten und der Landesverwaltung aufzubauen. Natürlich gab es schon Kontakte, aber Renate hat maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Kontakte enger und enger wurden. Und dabei beschränkte sie sich eben nicht nur auf die damals in der Landesverfassung geschützten Gruppen, sondern nahm sich eben auch und gerade der Sinti und Roma an. Das war durchaus auch als ein politisches Statement zur Weiterentwicklung der Minderheitenpolitik zu verstehen und hier möchte ich dann auch sagen, dass diese Politik ja gerade auch die Politik der Landesregierung unter Heide Simonis war.
Diese fünf intensiven Jahre in der Minderheitenpolitik hätten gerne noch weitergeführt werden können, aber – Sie wissen es alle – das hat leider nicht ganz geklappt. Um so schöner war es, dass Renate nach 2012 wieder für diese Position gewonnen werden konnte. Ich werte das bei ihr als eine tiefe Verbundenheit mit den Minderheiten!
Aber, auch um das klar zu stellen, Renate ist eine Frau der Mehrheit. Und das macht sie gerade so wertvoll für uns Minderheiten. Sie ist mit ganzem Herzen bei uns, aber gleichzeitig hat sie genügend Abstand, um sowohl Mehrheit wie Minderheit verstehen zu können. Und manchmal zeigt sie uns Minderheiten auch, wo vielleicht auch unsere Grenzen sind. Und trotzdem: Zum ersten Mal vergab beispielsweise der dänische Grenzverein seinen Preis für Verdienste in der Kultur und im Zusammenleben im dänischen-deutschen Grenzland an eine Frau aus der Mehrheitsbevölkerung südlich der Grenze – eben an Renate. Und das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit.
Nun weiß man, dass Minderheiten insbesondere immer danach streben, ihre Sprache zu fördern und die öffentliche Hand hierfür in die Pflicht zu nehmen. Bei den Sinti und Roma sieht dies anders aus. Renate hat schon frühzeitig deutlich gemacht, dass man jede Minderheit nach ihren Vorstellungen behandeln sollte. Das bedeutet, dass man auch Unterschiede zulassen muss. Nicht alle Minderheiten sind gleich und müssen deshalb Punkt für Punkt gleich behandelt werden. Das war für mich eigentlich der Schlüssel für die verbesserte Förderung der Minderheit der Sinti und Roma. Weg vom starren Denken, hin zum Pragmatismus und der einfachen Frage: „Was braucht ihr denn?“
Und die Sinti und Roma brauchten Mediatorinnen in den Schulen, die die eigenen Kinder der Minderheit begleiten. Ein völlig neuartiges Projekt, das eben auch auf Renate zurückgeht. Ohne die Frage und ohne den neuen Politikansatz, würde es die Mediatorinnen nicht geben. Und dann würde uns etwas fehlen. Heute sind die Mediatorinnen zwar noch kein Exportschlager, weil sich doch noch viele Bundesländer mit der Förderung der Sinti und Roma schwer tun, aber inzwischen schauen schon viele auf Schleswig-Holstein und seine Sinti und Roma – und das eben auch wegen Renate!
Ähnliches gilt auch für die Wohnungsgenossenschaft Maro Temm. Hier kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass ich die geduldige und ausgeglichene und ausgleichende Renate kennen gelernt habe. Klar, alles was völlig neu ist, ist erst einmal schwer umzusetzen. Aber so eine Genossenschaft ist schon eine sehr anspruchsvolle Nummer. Und auch die Sinti und Roma selbst hatten keinerlei Erfahrungen mit so etwas. Das auf die Beine zu stellen – immer dran zu bleiben und nicht aufzugeben - ist auch so ein Verdienst, das sich Renate ans Revers heften kann. Eigentlich hätte Renate dafür das Bundesverdienstkreuz bekommen müssen. Aber das hatte sie seit 2007 auch schon.
Aber genau deshalb sind wir ja heute zusammen. Wir ehren heute eine Person, der es gelungen ist, die Sinti und Roma auf ein Tagesordnung zu setzen. Bei jeder Gelegenheit spricht Renate auch und gerade über die schleswig-holsteinischen Sinti und Roma. Auf internationalen Kongressen oder bei den großen Minderheitenorganisationen wie der FUEV sind so immer auch die Sinti und Roma mit von der Partie. Und so ist Renate auch ein Türöffner auf nationaler und internationaler Ebene. Ich wage mich sogar so weit hinaus, zu sagen, dass manche Erfolge für die Sinti und Roma in anderen Bundesländern oder auf Bundesebene ohne Renates Vorarbeit und ihren ständigen nimmermüden Einsatz nicht möglich gewesen wären.
Ich glaube, die gefühlte Krönung ihrer Arbeit kann man durchaus auch in der Aufnahme der Sinti und Roma in unsere Landesverfassung sehen. Die einzige verfassungsmäßige Absicherung der Sinti und Roma auf unseren Planeten. Auch das hat viel mit Dir zu tun, Renate.
Und nun ist es an der Zeit, dass Du Dein Dankeschön bekommst. Du bekommst heute den Meilenstein der Sinti und Roma überreicht für all die Meilensteine, die Du für die Sinti und Roma in unserem Land und darüber hinaus gesetzt hast. Und das eben waren nur die großen Highlights, die ich genannt habe. Aber das wichtigste ist, Du bist ein richtig guter Freund der Sinti und Roma geworden! Und das ist ja mehr wert als alles andere!
Uk as fraschen seed ik: „Foole tunk, Renate! Dü hääst di pris wörklik fertiinjt!“