Rede · 07.05.2009 Umsetzung des ECOFIN-Beschlusses zur Anwendung reduzierter Mehrwertsteuersätze
Die Diskussion über den Sinn eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ist so etwas wie ein politischer Dauerbrenner. Gern wird sie von der FDP angeführt, und genau dies versucht sie ja mit dem uns heute vorliegenden Antrag zu erreichen.
Konkret macht es die im März von den Finanzministern der EU getroffene Entscheidung möglich. Denn die EU-Finanzminister hatten sich danach zur Vorbereitung des Europäischen Rates darauf verständigt, dass Mitgliedsstaaten in einigen lokalen Dienstleistungsbranchen ein verminderter Mehrwertsteuersatz erlaubt wird. Allgemein gilt in Deutschland bekanntlich ein Steuersatz von 19 Prozent; für Dinge, die dem Gemeinwohl dienen, sind es nur 7 Prozent. Was dem Gemeinwohl dient, ist allerdings auch Fachleuten nicht mehr ersichtlich. Auch darüber haben wir im Plenum ja mehrfach Debatten geführt, denn auch Hundefutter und Schnittblumen sind immer noch von dem vollen Mehrwertsteuersatz befreit. Wie im FDP-Antrag angeführt, könnte der ECOFIN-Beschluss dazu genutzt werden, arbeitsintensive Dienstleistungen besser zu stellen. Dass sich vor diesem Hintergrund gleich der DEHOGA zu Wort meldet, ist daher nur folgerichtig.
Da aber mehrere EU-Länder gleich abgewunken und von sich aus erklärt haben, dass sie die Option des reduzierten Mehrwertsteuersatzes nicht in Anspruch nehmen wollen, bleibt es wohl dabei, dass dieser Vorstoß als „nice to have“ Teil des EU-Wahlkampfes werden wird.
Auch das Bundeskabinett hat schnell reagiert: Man habe den ECOFIN-Kompromiss akzeptiert, werde aber nichts unternehmen, um ihn in der Bundesrepublik umzusetzen. Laut Presseberichten kann sich nun aber der bayrische Ministerpräsident damit brüsten, dass diese Forderung nunmehr ihren Platz in dem gemeinsamen Wahlkampfversprechen von CDU und CSU zur Bundestagswahl sein soll. Seehofer hat mit anderen der Bundeskanzlerin ein Thema aufs Auge gedrückt, das sie von sich aus niemals aufgerufen hätte. Das mag dafür gesorgt haben, dass der unionsinterne Haussegen wieder etwas gerader hängt, den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes hilft dies alles wenig. Auch dem Verhältnis zur FDP sei damit gedient, vermute ich einmal. Denn Guido Westerwelle verlangt ebenfalls eine Senkung der Mehrwertsteuer für einige Wirtschaftszweige. Es sei „unfair“, soll er gesagt haben, wenn etwa die Hotel- und Gaststättenbetriebe in den Nachbarländern weniger Steuern zahlen müssen als deutsche Unternehmen.
Der SSW hat sich in Landtagsdebatten in der Vergangenheit immer wieder für den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel ausgesprochen, denn ein Wegfall würde für viele Familien ein richtiges Problem darstellen – man werfe einen Blick in den Armutsbericht der Bundesregierung. Ansonsten sind wir der Auffassung, dass andere Steuerungsinstrumente unter gesellschaftspolitischen Aspekten sehr viel besser und wirksamer sind. Hier seien stichwortartig die Einführung eines tariflichen Mindestlohns und eine sozial gerechte Steuerreform genannt. Und würden wir eine Bürgerversicherung bekommen, die den Namen auch wirklich verdient, dann würde dies auch zu einer steuerlichen Entlastung unseres Handwerks führen, die sehr viel nachhaltiger ist als ein reduzierter Mehrwertsteuersatz.
Wir werden also den FDP-Antrag ablehnen. Zumal ja auch nichts darauf hin deutet, dass sich die Bundesregierung überhaupt umstimmen lässt. Entscheidend ist für uns aber, dass der Bund gerade eine ganze Reihe von Steuererleichterungen beschlossen hat, die dazu dienen sollen, die Konjunktur wieder anzukurbeln. Diese Steuererleichterungen sind finanziell gesehen ein großer Kraftakt. Sie sind gewollt – in der Hoffnung, dass sie schnell Wirkung zeigen. Alles andere wäre in der jetzigen Situation ein weiterer Schuss mit der Schrotflinte.